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Weil Impfen dümmer ist: Wissenschaftsjournalist Yogeshwar „hätte kritischer sein sollen“
Klaus Alfs

Weil Impfen dümmer ist: Wissenschaftsjournalist Yogeshwar „hätte kritischer sein sollen“

In einem Beitrag des 3Sat-Magazins Kulturzeit vom 22. März äußert sich der Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar plötzlich kritisch über diverse Corona-Maßnahmen und verweist auf die schlechten Daten. Als hätte er es erst gerade erfahren.

Die Schlausten werden die Dümmsten sein: „Warum Impfen schlauer ist“ – so lautet der Titel eines Youtube-Videos vom August 2021, in dem Ranga Yogeshwar für die Covid-Impfungen wirbt (https://www.youtube.com/watch?v=gT9z-l77ZYk). Im Teaser heißt es: „Dear all, auf großen Plakaten werbe ich dafür, dass möglichst viele von uns sich gegen Corona impfen lassen […]. In diesem Video erkläre ich möglichst anschaulich warum Impfen einfach schlauer ist und gehe auf eure wichtigsten Fragen ein.“ Er äußert seinen Dank „an die vielen Wissenschaftler, die mir an der einen oder anderen Stelle mit wertvollen Informationen und Studien zu bestimmten Fragestellungen geholfen haben.“

Im Video simuliert Yogeshwar in typischer Manier ein Abwägen von Für und Wider, um die einschlägigen Behauptungen zu äußern, die bereits damals nicht stichhaltig waren. So verkündet er unter anderem, kein Impfstoff sei jemals so gut überwacht worden wie die Covid-Impfstoffe. Bereits am Erscheinungstag des Videos stellte Professor Werner Bergholz – späteres Mitglied der Expertenkommission zur Evaluierung der Corona-Schutzmaßnahmen in Deutschland – ein PDF mit einem „Realitätscheck“ ins Netz. Dort geht er anhand der verfügbaren Daten auf jede einzelne Behauptung Yogeshwars ein und zeigt, dass dessen Impfempfehlung keinerlei rationale Grundlage hat.

Tun ohne Wissen hat gegenüber dem Unterlassen keinen Vorzug

In erwähntem Kulturzeit-Beitrag räumt Yogeshwar nun ein, dass er kritischer hätte sein sollen, was den Umgang offizieller Stellen mit den Daten betreffe. Im selben Beitrag kommt auch der Journalist Marcus Klöckner zu Wort. Klöckner ist Autor des Bestsellers „Möge die gesamte Republik mit dem Finger auf sie zeigen“, in welchem das Corona-Unrecht in Zitaten dokumentiert wird. Am 24. März macht er Yogeshwar in einem langen Twitter-Thread darauf aufmerksam, was er von Beginn an hätte wissen können (https://twitter.com/KlocknerMarcus/status/1639182401078190081). Klöckner verweist dabei auch auf seine eigenen hervorragenden Artikel zum Thema.

Doch besondere Detailkenntnis war damals gar nicht erforderlich, um den Maßnahmen und später der Impfung skeptisch gegenüberzustehen. Jedem, der um die Grundprinzipien der wissenschaftlichen Datenanalyse weiß, musste von Beginn an unmittelbar klar sein, dass es an der notwendigen Vergleichbarkeit und Standardisierung fehlt. Das Argument, bei Gefahr in Verzug könne man darauf nicht warten, ist nicht stichhaltig. Denn ohne hinreichende Daten kann man nicht wissen oder plausibel vermuten, dass wirklich eine nennenswerte Gefahr besteht. Außerdem hat das Tun unter Bedingung fehlenden Wissens gegenüber dem Unterlassen keinen Vorzug.

Das Unterlassen entspricht der statistischen Nullhypothese (x ist nicht der Fall), gegenüber welcher sich die Alternativhypothese (x ist der Fall) behaupten muss. Durch Tun kann bekanntlich ein größerer Schaden entstehen als durch Unterlassen. Genau das ist im Fall von Corona auch geschehen. Der Epidemiologe John Ioannidis warnte bereits im März 2020 vor einem „Fiasco in the making“ aufgrund unzureichender Daten (https://www.statnews.com/2020/03/17/a-fiasco-in-the-making-as-the-coronavirus-pandemic-takes-hold-we-are-making-decisions-without-reliable-data).

Nichtwissenwollen

Selbstverständlich ist jede Impfempfehlung auf Grundlage unzureichender Daten gänzlich verfehlt und verantwortungslos. Es muss aber bezweifelt werden, dass Yogeshwar die Grundprinzipien empirisch sauberer Analyse nicht kennt. Zwar mag er das PDF von Professor Bergholz nicht gelesen haben. Aber die Flut an fundierter Kritik, die auch von hochkarätigen Wissenschaftlern geäußert wurde, kann ihm nicht gänzlich entgangen sein. Sie wurde von seinesgleichen zur Kenntnis genommen, um sie durchweg als „Schwurbelei“ und „Querdenkertum“ zu ächten.

Interessant wäre zu erfahren, wer genau die „vielen Wissenschaftler“ waren, die ihn mit derart unzureichenden Informationen versorgt haben. Er könnte ihre Namen nennen und dann ihnen die Schuld geben – so wie Karl Lauterbach „der Wissenschaft“ in Gestalt von Christian Drosten den Schwarzen Peter zuschiebt.

Das Kleine Einmaleins

Yogeshwar kann sich nun aussuchen, was für ihn weniger schmeichelhaft sein mag: Entweder ist er tatsächlich so unwissend, dass er das Kleine Einmaleins der Wissenschaft nicht beherrscht; oder er beherrscht dieses Einmaleins und ignoriert es bewusst, um den Menschen aus blankem Opportunismus vorzumachen, ein mal eins sei zwei. Im letzteren Fall hätte er vorsätzlich gehandelt und wäre moralisch mitschuldig am entstandenen Schaden. Sein Verhalten sollte eines ausgebildeten Wissenschaftlers unwürdig sein. Es ist aber keineswegs untypisch – weder für Wissenschaftler noch für die gleichnamigen Journalisten. Viele Wissenschaftsjournalisten haben sich bis auf die Knochen blamiert, waren sich nicht einmal zu schade für blanken Unsinn und haben aktiv an Diffamierungskampagnen mitgewirkt. Die wenigsten von ihnen äußern heute in Sachen Corona überhaupt Selbstkritik.

Will Yogeshwar glaubwürdig sein, muss er schon mehr bieten als ein paar laue Anmerkungen. Bis jetzt wirkt er eher wie ein Überführter, der nur zugibt, was er nicht mehr bestreiten kann, und sich ansonsten auf seine vermeintliche Gutgläubigkeit herausredet. Das mag ihm abnehmen, wer will.

Klaus Alfs ist ausgebildeter Landwirt und Soziologe. Er arbeitet als freiberuflicher Autor und Lektor in Berlin.

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