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Was kippt? – Zur jüngsten Veröffentlichung des Weltklimarats
Klaus Alfs

Was kippt? – Zur jüngsten Veröffentlichung des Weltklimarats

Foto: Pexels, Julia Volk

Am 20. März hat der Weltklimarat IPCC zu seinem sechsten Sachstandsbericht den Synthesebericht vorgelegt. Die Presse befindet sich erwartungsgemäß im Katastrophen-Rausch. Es ist daher ratsam, sich auf ein paar Grundsätze zu besinnen.

Wissenschaft ist laut Eigenwerbung neutral. Die neue „Summary for Policymakers“ des IPCC wurde allerdings – wie üblich – Wort für Wort mit Vertretern der Politik abgesprochen (https://www.de-ipcc.de/media/content/Hauptaussagen_AR6-SYR.pdf). Der Synthesebericht ist daher kein wissenschaftliches Dokument. Der eigentliche Sachstandsbericht hat tausende Seiten, die so gut wie niemand liest. Journalisten dürften nicht einmal die „Summary“ durchlesen.

Tatsachen, Prognosen und Szenarien

Politiker, Aktivisten, „engagierte Wissenschaftler“ und Medien verkünden wie üblich, die Klimakrise sei bereits da; es sei fünf Sekunden vor Zwölf; es müsse nun endlich drastisch eingeschritten werden. Das sind jedoch keine wissenschaftlichen Aussagen. Es besagt auch nichts, dass sie sich auf wissenschaftliche Studien berufen. Darauf kann sich alles und nichts stützen, weil Beobachtungsdaten immer hinreichend flexibel interpretierbar sind. In der Wissenschaftstheorie spricht man von „Unterbestimmtheit“.

Mögliche Kippelemente

Tatsachen sind definitorisch von Prognosen oder Szenarien unterschieden. Prognosen oder Szenarien können keine Tatsachen sein. Dies sei kurz am Beispiel der sogenannten Kippelemente des Klimasystems skizziert. Damit sind Bestandteile des Erdsystems gemeint, die durch geringfügige Änderung eine Kaskade auslösen und einen unumkehrbaren Zustand herbeiführen können. Die moderate Erwärmung seit der Kleinen Eiszeit könnte demnach ab einem bestimmten Punkt eine globale Erhitzungskaskade auslösen.

Diese These ist seit etwa zwanzig Jahren Bestandteil der alarmistischen Klimaforschung. Popularisiert hat sie Hans Joachim Schellnhuber vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Was es damit auf sich hat, lässt sich schon am Wikipedia-Artikel gut ablesen: „Bisher identifizierte mögliche Kippelemente: Die Arbeitsgruppe um Schellnhuber benannte im Jahr 2008 die folgenden neun potenziellen Kippelemente …“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Kippelemente_im_Erdklimasystem#Bisher_identifizierte_mögliche_Kippelemente).

An den Formulierungen sieht man, dass es sich nicht um Tatsachen handelt, sondern um bloße Möglichkeiten. Wie man diese „identifizieren“ will, bleibt das Geheimnis der Autoren. Solche Kippelemente existieren nur in Modellen und Szenarien. In der Natur werden sie nicht oder kaum beobachtet, da letztere ein multipel gepuffertes System ist. Die öffentliche Meinung nimmt diese Kipppunkte aber als „unleugbare“ Tatsachen wahr. Wer Möglichkeiten mit Tatsachen gleichsetzt, glaubt natürlich auch, dass die Klimakatastrophe schon im vollen Gange sei. Diesen Denkfehler nennt man hysteron-proteron – das Spätere wird als das Frühere ausgegeben. Mit anderen Worten: Es wird vorausgesetzt, was erst zu beweisen wäre.

Nichts ist unmöglich

Die Annahme von Kipppunkten ähnelt verdächtig einer Ad-Hoc-Hypothese. So bezeichnet man Behauptungen, die nur zu dem Zweck aufgestellt werden, eine bestimmte Theorie zu stützen. Unabhängig davon haben sie keine Bedeutung. Es leuchtet ein, dass die Entwicklung des Klimas wesentlich bedrohlicher erscheint, wenn man davon ausgeht, dass es durch moderate Steigerung bestimmter Variablen in einen irreversibel katastrophalen Zustand kippt. Man macht sich hier strategisch den Tatbestand zunutze, dass in nichtlinearen, komplexen Systemen alles möglich erscheint, gerade weil kausale Zuordnung in solchen Systemen annähernd unmöglich ist („Schmetterlingseffekt“).

Apropos Möglichkeit: Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass es sich bei all diesen Theorien um höheren Blödsinn handelt, der nur deshalb wissenschaftlich avanciert erscheint, weil er in einer mathematisch modellierten Form präsentiert wird, die kaum jemand versteht – einschließlich der Klimaforscher selbst.

Experten sind generell keine guten Prognostiker. Bei Prognosen über Dreijahresfrist sind sie nicht besser als Laien, die einfach raten. Der Psychologe Philip E. Tetlock, der in seinem Buch Superforecasting die umfassendste empirische Untersuchung zum Thema präsentiert, spricht überspitzt von Schimpansen, die Dartpfeile werfen.

Das allein reicht hin, die apokalyptischen, langfristigen Prognosen bezüglich des Klimas skeptisch zu betrachten, mit denen drastische Maßnahmen begründet werden – noch dazu, wenn die Experten Interessenskonflikte haben. Im Fall der Klimaforschung kann man schon nicht mehr von „Konflikten“ sprechen, da sie in Gestalt des IPCC eng mit der Politik und bestimmten Wirtschaftszweigen verschmolzen ist. Viele prominente Klimaforscher könnte man daher als „Aktivistenschaftler“ bezeichnen.

Fast alle wissenschaftlichen Theorien, die jemals aufgestellt wurden, waren nach heutigen Maßstäben schlicht falsch. Das gilt auch für Theorien, die sich jahrhundertelang bewährt hatten. (https://philosophy.hku.hk/courses/dm/phil2130/AConfutationOfConvergentRealism2_Laudan.pdf).

Bedenkt man all dies, hat man die richtige Grundeinstellung, um die öffentlichen Behauptungen zur Klimakrise auf Plausibilität prüfen zu können. Dazu muss man kein Experte sein. Natürlicher Verstand reicht vollkommen aus.

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