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Landwirte protestieren gegen EU-Bürokratie und werden als rechtsradikal geframed
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Landwirte protestieren gegen EU-Bürokratie und werden als rechtsradikal geframed

Bauernproteste in Berlin, Winter 2021

Foto: Sophia-Maria Antonulas

Die Frühjahrs-Agrarministerkonferenz 2023 in Büsum ging heute, Freitag, zu Ende. Sie wurde begleitet von Protesten, zu denen die Freien Bauern, Land schafft Verbindung (LSV) und der Landesfischereiverband aufgerufen hatten.

Der Unmut richtet sich unter anderem gegen Vorschläge der EU-Kommission zur „Wiederherstellung der Natur“. Der Deutsche Bauernverband kritisiert, dass der Kommissionvorschlag „einseitig auf mehr Schutzgebiete und damit letztlich auf pauschale Nutzungsverbote“ setze. Die geplante Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes unter Bedarf – „nachhaltige Verwendung“ genannt – werde dramatische Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit haben. Es finde diesbezüglich keine Folgenabschätzung statt.

Das Problem: Wenn immer mehr hochwertige Agrarfläche aus der Nutzung genommen wird und auf den verbleibenden Flächen nicht ertragreich gewirtschaftet werden kann, wird Deutschland immer abhängiger von Importen. Diese wiederum kauft es auf dem Weltmarkt denjenigen Ländern „vor der Nase“ weg, die keine Gunststandorte sind. Deutschland ist zum Beispiel ein Gunststandort für Weizen. Diesen Status verliert es aber aufgrund der EU-Restriktionen. Viele Landwirte empfinden dies als zutiefst unethisch.

Weidetierhalter vor dem Aus

Sie fordern überdies, den Schutzstatus des Wolfes zu ändern. Mit dem exponentiellen Bestandswachstum in Deutschland stehe die gesamte Weidetierhaltung auf dem Spiel. Der Bestand müsse daher über gelegentliche „Entnahmen“ hinaus reguliert werden – wie etwa in Schweden oder Finnland.

Die Weidetierhalter befinden sich in folgendem Dilemma: Wenn sie ihr Vieh aufgrund der Bedrohung durch den Wolf vermehrt in Ställen halten wollen, geraten sie in die Kritik, weil sie ihre Tiere nicht mehr nach draußen lassen. Lassen Sie ihr Vieh draußen, werden sie dafür kritisiert, dass sie ihre Herden nicht richtig vor dem Wolf schützen. Zu der finanziellen und seelischen Belastung aufgrund gerissener sowie verletzter Tiere kommt die Belastung, dafür öffentlich an den Pranger gestellt zu werden.

Obendrein gibt es bislang keine Planungs- und Rechtssicherheit für den Umbau der Ställe im Hinblick auf mehr Tierwohl. Die Forderung nach mehr Außenbereichen steht im direkten Konflikt mit dem Immissionsschutzgesetz sowie mit der Tatsache, dass Wölfe keine Mühe haben, in Außenställe einzudringen. Unterm Strich führt all das dazu, dass Landwirte lieber ihre Betriebe aufgeben, statt mit enormem Aufwand zu versuchen, den widersprüchlichen Anforderungen gerecht zu werden.

Kultur statt Natur

Auf einer Protestkundgebung betonte Jann-Harro Petersen von den Freien Bauern, dass schon die Vorstellung, Natur müsse „wiederhergestellt“ werden, barer Unsinn sei. (https://www.freiebauern.de/index.php/8-mitteilungen/430-freie-bauern-in-buesum-protest-gegen-den-totalen-naturschutz). Deutschland befinde sich als Kulturlandschaft in stetem Wandel. Es gebe keinen Ursprungszustand, der wiederhergestellt werden könne. Er benennt damit das übergeordnete Problem, dass ein in sich widersprüchlicher Naturbegriff seit Jahrzehnten alle Debatten um die Landwirtschaft bestimmt. (https://www.novo-argumente.com/artikel/tand_ist_das_gebilde_von_menschenhand).

Mit Anthony Robert Lee – dem Bundessprecher von Land schafft Verbindung – hat die Protestbewegung inzwischen eine auch in den Leitmedien präsente Persönlichkeit, die Klartext redet. Es verwundert daher wenig, dass der CDU-Mann sowie die Freien Bauern von der Taz als Rechtsradikale „geframed“ werden. (https://taz.de/Rechtsradikale-und-Agrarproteste/!5920354).

Der Vorwurf, angeblich von Rechten instrumentalisiert zu werden, ist allen wohlbekannt, die gegen die Corona-Maßnahmen protestiert haben. Bei den Landwirten verfängt er allerdings und führt zur inneren Spaltung.

Klaus Alfs ist ausgebildeter Landwirt und Soziologe. Er arbeitet als freiberuflicher Autor und Lektor in Berlin.

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