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Fünf Minuten nach Zwölf – Weidetierhalter demonstrieren in Berlin
Landwirtschaft

Fünf Minuten nach Zwölf – Weidetierhalter demonstrieren in Berlin

In Berlin fand heute eine Demonstration der deutschen Weidetierhalter gegen die derzeitige Wolfspolitik statt. Sie fordern ein aktives Wolfsmanagement, um die Weidetierhaltung in Deutschland zu retten.

Unter dem Motto „Fünf nach Zwölf für die Deutsche Weidetierhaltung“ fanden sich heute parallel zum Wolfsgipfel des Deutschen Bauernverbandes Weidetierhalter aus ganz Deutschland in Berlin ein. Von der Friedrichstraße zogen sie zum Brandenburger Tor, wo die Schlusskundgebung stattfand. Organisiert wurde diese Demonstration von Annette Schmücker aus Winsen an der Luhe, deren Mann Wendelin Schäfer im Hauptberuf ist.

Strenger Wolfsschutz in der Kritik

Laut Paragraf 7 Absatz 2 Nr. 14 und Paragraf 44 des Bundesnaturschutzgesetzes genießt der Wolf als Art in der Bundesrepublik den größtmöglichen Schutz. Es ist daher unter anderem verboten, ihn zu stören, ihm nachzustellen, ihn zu verletzen, ihn zu töten. Paragraf 45 regelt die Ausnahmen; Paragraf 45a wurde speziell für den Wolf ergänzt. Seitdem ist es auch verboten, ihn anzufüttern oder anzulocken. Diese Regelungen sind dem Anspruch nach eine Umsetzung der europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, welche wiederum beansprucht, die Berner Konvention praktisch umzusetzen.

Der nach wie vor strenge Schutz des Wolfes und die Umsetzung der FFH-Richtlinie stehen im Zentrum des Protests der Weidetierhalter. Auf dem Podium stellte sich eine junge Frau als „Tochter eines Schäfers“ vor. Sie benannte die Probleme mit dem Wolf und verlas konkrete Forderungen an die Politik. Kernproblem sei der lediglich passive Herdenschutz mit Zäunen, Herdenschutzhunden und ähnlichem. Dieser bleibe weitgehend wirkungslos, obwohl er sehr aufwendig und teuer sei. 

Unterdessen steige mit der Wolfspopulation auch die Anzahl der Risse. Dies bringe nicht nur immense psychische Belastungen mit sich. Auch die finanzielle Kompensation erfolge nur unzureichend über „Billigkeitsleistungen“, die – wenn überhaupt – nur nach großem bürokratischem Aufwand gewährt würden. Dies führe dazu, dass immer mehr Weidetierhalter aufgeben. Ohne Weidetierhalter aber keine Weiden, keine Pflege der Kulturlandschaft, geringere Biodiversität.

Die Forderungen

Die Rednerin forderte im Namen der Veranstalter, angesichts der großen Gesamtpopulation endlich den günstigen Erhaltungszustand des Wolfes offiziell festzustellen. Damit könne ein aktives Wildtiermanagement etabliert werden, das eine Bestandsregulierung durch Abschuss einschließe. Die herrschende Rechtsunsicherheit müsse beseitigt werden. Die FFH-Richtlinie sei nur unzureichend in nationales Recht übertragen worden, da die dort vorgesehene Schutzjagd nicht ins Bundesnaturschutzgesetz übernommen wurde. Dies müsse dringend geändert werden. Zudem fordern die Veranstalter Erstattung aller Aufwendungen und einen Rechtsanspruch auf finanziellen Ausgleich.

Diesen Forderungen schlossen sich außer den direkt Betroffen auch die anderen Redner auf dem Podium an. Die Veranstalter hatten Vertreter aller Bundestagsparteien eingeladen. Es redeten aber nur drei AfD-Politiker sowie ein SPD- und ein FDP-Mann. Die beiden letzteren verwiesen bei aller Zustimmung darauf, dass Beschlüsse EU-konform sein und im Konsens mit den jeweiligen Koalitionspartnern erfolgen müssten. Johannes Funke von der SPD machte darauf aufmerksam, dass in Brandenburg zwar Abschussgenehmigungen erteilt würden. Es erklärten sich jedoch kaum Jäger bereit, die Tiere auch zu schießen, da viele Jäger Angst vor fanatischen Tierschützern hätten. 

Die Vertreter der AfD stellten sich voll hinter die Weidetierhalter. Sie kritisierten, dass es den anderen in vielen Jahren und wechselnden Koalitionen nicht gelungen sei, ein aktives Wolfsmanagement zu installieren. Thomas Ehrhorn von der AfD erklärte, eine Wende sei nur mit seiner Partei möglich. Es habe keinen Sinn, auf die Altparteien zu setzen. Beim Wolfsgipfel des Bauernverbandes war die AfD unerwünscht.

alle Fotos: Klaus Alfs

Eigeninitiative

Ein Vertreter der Freien Bauern aus Brandenburg bedauerte, dass nicht mehr Politiker anderer Parteien teilnahmen. Er setze dennoch nicht auf die AfD, da diese bis auf Weiteres in der Opposition bleiben werde. Er rief die Weidetierhalter dazu auf, Jagdscheine zu machen. Denn seiner Meinung nach wird eine Bestandsregulierung irgendwann unausweichlich sein. Dann aber wäre niemand bereit, die „Drecksarbeit“ zu leisten. Also müssten die Weidetierhalter selbst die Tiere schießen können. Er empfiehlt ihnen, den jeweiligen Abgeordneten mit ihren Forderungen, so wörtlich, „auf den Sack“ zu gehen.

Gemessen an der von den Veranstaltern betonten Dringlichkeit und gesamtgesellschaftlichen Bedeutung des Problems war die Teilnehmerzahl an der Veranstaltung sehr gering. Der Ort ist aufgrund hoher Fluktuation jedoch möglicherweise günstig, um mit Bürgern ins Gespräch zu kommen. ARD und RBB waren auch vor Ort. Man darf gespannt sein, ob die Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks der Versuchung widerstehen, die Anwesenheit von AfD-Politikern in den Mittelpunkt ihrer Berichterstattung zu stellen.

Klaus Alfs ist ausgebildeter Landwirt und Soziologe. Er arbeitet als freiberuflicher Autor und Lektor in Berlin.

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