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Wut auf die Politik und den Präsidenten
Frankreich

Wut auf die Politik und den Präsidenten

Paris am 6. April 2023

Foto: Sandra Doornbos

Am Donnerstag, dem 6. April, fand in Paris wie in ganz Frankreich ein neuer Tag der Mobilisierung statt – Text: Hendrik Kaldewei, Fotos: Sandra Doornbos.

Unter maßgeblicher Führung der Gewerkschaft CGT fanden sich landesweit etwa zwei Millionen Menschen und in Paris nach Schätzungen etwa 100.000 Personen zum Protest gegen die Rentenreform von Macron zusammen. Das Gesetz muss noch vom Conseil d’État. Dem Staatsrat, abgesegnet werden und ist daher noch nicht in Kraft.

Das komplette linke Seine-Ufer stand ab der Mittagszeit im Zeichen der Demonstration, die vor dem Invalidendom und in unmittelbarer Nähe der Nationalversammlung startete. Die Teilnehmer forderten die Rückgängigmachung des Gesetzes und den Rücktritt von Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron.

Obwohl der überwiegende Teil der Demonstrationsteilnehmer friedlich war, war die große Wut auf die Politik und den Präsidenten allerorten förmlich spürbar.

Verachtung des Volkswillens

In persönlichen Gesprächen erklärten Demonstranten, dass es ihnen in erster Linie um die Rentenreform selbst ging, ebenso aufgebracht seien sie aber auch wegen der grundsätzlichen Verachtung des Volkswillens: Etwa 80 Prozent der Bevölkerung lehnen die Rentenreform ab. Dennoch wurde die Gesetzesänderung durch eine Präsidialentscheidung nach Artikel 49-3 ohne Mehrheit im Parlament durchgedrückt. Das sieht der Großteil der Bürger als eine illegitime Politik und eine Verachtung der Demokratie durch die Staatsspitze.

Schon kurz nach Beginn der Demonstration wurde immer wieder Pyrotechnik gezündet, laute Donnerschläge zerrissen den freundlichen Frühlingsnachmittag. Kurze Zeit später stürmten Gewerksschaftsmitglieder der CGT eine Filiale von Blackrock, in deren Nähe die Demonstration vorbeizog.

Am Place d’Italie, dem Endpunkt der Demonstration, brach sich der Zorn der Demonstranten dann schnell Bahn, weil sie von einem Großaufgebot der Polizei empfangen wurden. Auf die intonierten Rufe „Tous le monde deteste la police“ – jeder hasst die Polizei – antworteten die Sondereinheit BRAV-M und die Companie d ́Intervention unmittelbar mit Tränengassalven und weiteren Polizeimaßnahmen. Mehrere Feuer wurden entzündet und Steine und sonstige Projektile geworfen. Viele der Demonstranten, Reporter und Sanitäter waren mit Helmen, Schutzbrillen und Atemmasken ausgerüstet. 77 Polizisten wurden verletzt und zum Zeitpunkt des Verfassens des Beitrags waren 44 Demonstranten in Gewahrsam genommen.

Weitere Demonstrationen sind bereits angekündigt. Die Franzosen haben an diesem Donnerstag im April keinen Zweifel daran gelassen, dass sie nicht nachgeben werden, ehe die Politik einlenkt.

Zum Thema:
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