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Unruhen in Tiflis – Maidan 2.0?
Georgien

Unruhen in Tiflis – Maidan 2.0?

Ein neues Gesetz zur Transparenz ausländischer Stiftungen in Georgien führt zu Tumulten im Parlament und auf der Straße.

Seit Anfang dieser Woche kommt es in der georgischen Hauptstadt zu heftigen Protesten gegen die amtierende Regierung. Einige tausend Demonstranten skandierten „Nieder mit dem Russengesetz!“ und trugen überdimensionale Fahnen der Europäischen Union und  der Ukraine. Auch im georgischen Parlament kam es zu einem Handgemenge zwischen Befürwortern und Gegnern eines geplanten neuen Gesetzes. Das umstrittene Gesetz sieht vor, dass politische Organisationen und Stiftungen in Georgien ausländische Spendeneinnahmen deklarieren müssen, wenn diese einen Anteil von zwanzig Prozent überschreiten.

Eingebracht wurde dieses Transparenzgesetz von dem regierenden Parteienbündnis „Georgischer Traum“. Dieses Bündnis ging aus einer Protestbewegung gegen den früheren georgischen Präsidenten Micheil Saakaschwili hervor. Saakaschwili hatte im Jahre 2008 einen Krieg gegen Russland verloren und mit seiner Politik des Sozialabbaus Unmut erregt. Das Bündnis Georgischer Traum fand einen potenten finanziellen Unterstützer in dem georgischen Multimilliardär Bidsina Iwanischwili, der im postsowjetischen Russland sehr reich wurde. Die Zeitschrift Fortune führt Iwanischwili auf Platz 153 der reichsten Menschen der Welt mit einem Privatvermögen von 6,4 Milliarden Dollar. Zweimal war der Milliardär bereits für kurze Zeit Regierungschef in Georgien und gilt nach wie vor als Graue Eminenz der dortigen Politik. Es gelang dem Georgischen Traum, die Politik Georgiens in ein ruhigeres Fahrwasser zu geleiten. Die Korruption ging zurück. Die von Saakaschwili eingeleitete Privatisierung des Gesundheitswesens konnte mit staatlichen Maßnahmen abgemildert werden. Die anvisierte Mitgliedschaft Georgiens in der Europäischen Union und der NATO indes wurde auch von Iwanischwili beibehalten. Der Unterschied besteht nur darin, dass die Politiker des Georgischen Traums trotzdem eine Verbesserung und Entspannung der Beziehungen zu Russland anstreben.

Im Fadenkreuz der NATO-Netzwerke

Das alleine scheint ausreichend zu sein, dass Iwanischwili als Rückgrat des Georgischen Traums sich seit geraumer Zeit im Fadenkreuz der NATO-Netzwerke im EU-Parlament befindet. Im Juni letzten Jahres hatte das EU-Parlament sogar eine sechsseitige Resolution gegen die georgische Regierung und insbesondere gegen Iwanischwili verabschiedet. Darin wurde eine „Aushöhlung der Pressefreiheit“ angeprangert. Immer wieder geißelten einzelne EU-Parlamentarier eine „destruktive Rolle in der Politik und Wirtschaft“ Georgiens sowie „persönliche und geschäftliche Verbindungen zum Kreml bei Iwanischwili. Im Dezember forderte das Europa-Parlament gar den Europarat zu Sanktionen gegen den georgischen Milliardär auf.

Der Sprecher des US-Außenministeriums Ned Price verurteilte das neue georgische Transparenzgesetz. Der de facto-Außenminister der EU, Josep Borrell, bezeichnete den Gesetzentwurf als „nicht vereinbar mit EU-Werten und Standards“.

Sogar die georgische Staatspräsidentin Salome Surabischwili verurteilte in einer Videobotschaft aus New York den Gesetzentwurf. Surabischwili war als parteilose Politikerin bei ihrer Wahl zur Präsidentin im Jahre 2018 von dem Bündnis Georgischer Traum unterstützt worden. Die Diplomatin hatte ihre Ausbildung an der New Yorker Columbia-Universität bei dem früheren Präsidentenberater Zbigniew Brzezinski abgeschlossen. Dass ein vergleichsweise unbedeutendes Gesetz wie die Einführung von Transparenzregeln für Zuwendungen ausländischer Stiftungen solche politischen Verwerfungen auslösen kann, erstaunt. Denn die Befürworter des neuen georgischen Transparenzgesetzes weisen darauf hin, dass es sich dabei um eine Kopie des in den USA bereits im Jahre 1938 eingebrachten US Foreign Agents Registration Act (FARA) handelt. Dieses Gesetz ist immer noch in Kraft und diente im Jahre 2017 als Grundlage, um vom russischen Sender Russia Today die Offenlegung seiner Geldquellen zu verlangen. Hier würde offenbar mit zweierlei Maß gemessen. (hp)

Update: das Parteienbündnis Georgischer Traum hat seinen Gesetzentwurf zurück gezogen. Dessen ungeachtet wollen die Demonstranten weiter demonstrieren.

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