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Sanktionen gegen russisches Öl schaffen grauen Markt
Energie

Sanktionen gegen russisches Öl schaffen grauen Markt

Seit Beginn der Sanktionen gegen Russland sind Öllieferungen mit unbekanntem Ziel angestiegen sowie der Verkauf gebrauchter Tanker. Nach Schätzungen transportieren 360 Schiffe einer „Schattenflotte“ russisches Öl, schreibt der britische „Economist“.

Der weltweite Ölhandel wird zunehmend fragmentiert und geopolitisch gespalten. Beschränkungen für russisches Öl haben die Akteure im Handel mit dieser Energiequelle verändert: Westliche Unternehmen, die sich aus Handel, Versicherung und Transport zurückgezogen haben, werden durch Firmen mit Sitz in Hongkong oder Dubai ersetzt, von denen einige noch nie in diesem Sektor tätig waren.

Das am 5. Dezember in Kraft getretene Sanktionspaket der Europäischen Union, das sich auf das Verbot des Imports von Öl bezieht, das auf dem Seeweg ankommt, hat Russland dazu veranlasst, nach alternativen Wegen zur Lieferung dieser Energie zu suchen. Nachdem die Sanktionen Anfang Dezember in Kraft traten, erlitten die russischen Exporteure einen Schlag, erholten sich jedoch schnell. Zwei Monate später kehrte der Handel des auf dem Seeweg transportierten Öls auf das zuletzt im Juni verzeichnete Niveau zurück.

Wie erwartet nehmen China und Indien die größte Menge des russischen Öls auf. Als überraschend bezeichnet der „Economist“ den Anstieg des Volumens der Lieferungen mit unbekanntem Bestimmungsort. Einige Händler sollen noch das etablierte System aus der Zeit vor den EU-Sanktionen nutzen: griechische Reeder, britische Versicherer sowie niederländische und japanische Banken.

Außerdem gäbe es den traditionellen „schwarzen Handel“, der mit dem Iran und Venezuela in Verbindung gebracht wird: Alte Tanker fahren mit ausgeschalteten Transpondern zu mysteriösen Käufern. Sie werden während der Fahrt mehrmals neu gestrichen und umbenannt. Sie passieren Häfen mit viel Verkehr, wo das von ihnen transportierte Öl mit anderem Öl vermischt wird, um die Rückverfolgung zu erschweren.

Verkaufen Oman und Vereinigte Arabischen Emirate russisches Öl?

Die Autoren des „Economist“ haben auch andere Vermutungen bezüglich der Wege russischen Öls: Der Oman und die Vereinigten Arabischen Emirate importierten in den ersten zehn Monaten des Jahres 2022 mehr russisches Öl als in drei Jahren insgesamt, mischten es und verkauften es teilweise nach Europa weiter. Malaysia exportiert doppelt so viel Öl nach China, wie es produzieren kann. Das meiste davon ist wahrscheinlich iranisch, aber es wird vermutet, dass auch russisches Öl in diesem Handel ist.

Da russische Unternehmen Öl legal in die meisten Länder der Welt verkaufen können, scheinen diese Kanäle für sie unnötig kompliziert zu sein. Anstelle von „schwarz“ wird laut „Economist“ russisches Öl in der „grauen“ Zone verkauft, in der es keine Preisbegrenzung für russisches Öl gibt. Diese weitläufige Infrastruktur hat drei Hauptsäulen: eine neue Gruppe von Händlern, eine große und wachsende Tankerflotte und neue Finanzierungsquellen.

Rückzug westlicher Ölhändler

Russisches Öl wurde im Ausland traditionell von russischen Produzenten, westlichen Ölgesellschaften und Schweizer Händlern gehandelt, von denen die meisten in Genf ansässig waren. Viele sind jedoch an freundlichere Orte gezogen, sodass vermutlich mehr als 30 russische Handelsunternehmen Büros allein in Dubai eröffnet haben.

Nach dem Rückzug westlicher Ölhändler sind neue Unternehmen auf den Markt gekommen und verkaufen nach Indien, Sri Lanka, in die Türkei und in andere Länder. Die meisten von ihnen waren nie in den russischen Ölhandel involviert, und die britische Zeitschrift berichtet von Vermutungen inoffizieller Quellen, dass sie mit Staatsunternehmen zu tun haben.

Sie scheinen eine „Schattenflotte“ zu betreiben. Seit der ersten Ankündigung der Einführung von Sanktionen gegen russisches Öl ist der Handel mit gebrauchten Tankern explodiert und hat im Vergleich zu 2021 um 55 Prozent zugenommen. Rund 200 Öltanker wurden im vergangenen Jahr angeschafft, die meisten davon „Aframax“ und „Suecmax“ mit einer maximalen Kapazität von einer Million Barrel. Es wird hinzugefügt, dass dies die einzigen Schiffe sind, die klein genug sind, um in russischen Häfen anzulegen. Die Nachfrage nach „Aframax“ ist so groß, dass kürzlich mehrere Schiffe für 35 Millionen Dollar verkauft wurden, was dem entspricht, was China im gleichen Zeitraum für ein doppelt so großes Schiff ausgegeben hat, das zwei Millionen Barrel Öl transportieren kann.

Eigene Flotte umgeht Ölpreisobergrenze

Die Flotte, mit der Russland mutmaßlich die Ölpreisobergrenze umgehen kann, umfasst jetzt 360 Tanker oder 16 Prozent der weltweiten Tankerflotte. Wenn alle westlichen Schiffe aufhören würden, russisches Öl zu transportieren, würde diese Schattenflotte ausreichen, um die russischen Exporte auf dem derzeitigen Niveau zu halten.

Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass diese Schiffe jetzt viel größere Entfernungen zurücklegen. Früher brauchte Öl eine Woche, um von den Schwarzmeerhäfen aus Kunden in anderen Teilen Europas zu erreichen, aber jetzt dauert es 45 Tage, um China zu erreichen.

Dem Text zufolge werden Kredite für den Handel mit russischem Öl nun vom russischen Staat bereitgestellt, und die Schecks werden von Banken aus arabischen Golfstaaten unterzeichnet. Wesentlich schwieriger war es, eine Lösung für die Ladungsversicherung zu finden, die in der Pflichtdokumentation von Tankschiffen enthalten ist. Und diese wurde von russischen Unternehmen übernommen, die angeblich neu im Seehandel sind, teilweise vom russischen Staat, während einige Häfen, etwa in Indien, die Versicherungspflicht für anlaufende Tanker reduziert haben. 

China erhöht Exportquoten um 50 Prozent

Diese Art des Ölhandels hat jedenfalls weiteres Entwicklungspotential. China und Indien können noch mehr russisches Öl kaufen: Weniger als zwei Drittel ihrer Lagertanks sind voll, und es wird davon ausgegangen, dass ein guter Teil des von ihnen gekauften russischen Öls verarbeitet und verkauft wurde, teilweise nach Europa. Anfang Januar 2023 erhöhte China seine Exportquoten für raffiniertes Öl im Vergleich zum Vorjahr um fast 50 Prozent, was darauf hindeutet, dass es bereit ist, noch mehr russisches Öl zu erwerben und ins Ausland zu verkaufen.

Obwohl die Rohölsorte „Brent“ Mitte Februar 83 US-Dollar pro Barrel und russisches „Ural“ weniger als 53 US-Dollar kostet, könnten ein Anstieg der chinesischen Nachfrage und reduzierte Investitionen in neues Öl die Preise in der zweiten Hälfte des Jahres 2023 wieder anheben – „Brent“ auf etwa 100 US-Dollar und damit auch der Preis von „Ural“.

Die neue Sanktionsrunde für raffinierte Ölprodukte wird das Wachstum des Geschäfts in der Grauzone deutlich ankurbeln. Russland muss für etwa 55 Prozent des in die EU exportierten Diesels neue Käufer finden und wird sich höchstwahrscheinlich den Märkten Brasiliens und Mexikos zuwenden, während die USA mit einem Teil seines Öls nach Europa drängen wird.

Für Russland wird der Ausbau des Geschäfts in der Grauzone auch Vorteile haben, denn westliche Zwischenhändler werden umgangen. Der Ölhandel wird sich geopolitisch weiter aufspalten.

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