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Neue Regierung in Sofia von Washingtons Gnaden
Bulgarien

Neue Regierung in Sofia von Washingtons Gnaden

Foto: Rumen Milkow

Bulgarien hat eine neue Regierung, die anfangs nicht möglich schien. Anti-Koalitionsschwüre und ein veröffentlichter Gesprächsmitschnitt haben nun doch nicht verhindert, was für Beobachter eine US-Marionetten-Regierung ist.

Am Dienstag wurde in Bulgarien eine neue Regierung gewählt, bestehend aus dem Wahlsieger der letzten Wahl am 2. April „Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens – Vereinigung Demokratischer Kräfte“ (GERB-SDS) und dem zweitstärksten Bündnis „Wir setzen den Wandel fort – Demokratisches Bulgarien“ (PP-DB). Obwohl GERB und PP ähnliche Ziele haben – pro Nato, pro Euro und pro Ukraine-Krieg – standen sie sich bisher unversöhnlich gegenüber.

Beide hatten nach gegenseitigen Korruptionsvorwürfen geschworen, niemals eine Koalition einzugehen. Im März vergangenen Jahres ließ der damalige Ministerpräsident Kiril Petkow (PP) just an dem Tag, als der US-amerikanische Verteidigungsminister Lloyd Austin in Sofia weilte, den früheren Regierungschef Boiko Borissow verhaften. Dessen Partei GERB saß damals noch in der Opposition. Binnen 24 Stunden war Borissow allerdings wieder auf freiem Fuß.

Kürzlich ist ein Mitschnitt an die Öffentlichkeit gelangt, in dem Petkow über geheime Absprachen mit der Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen zum Beitritt Bulgariens zum Schengen-Raum und zur Euro-Zone berichtete. Darüber hinaus wird in dem Mitschnitt die Einflussnahme einer ausländischen Botschaft auf den Sicherheitsapparat bei Regierungsübernahme von PP erwähnt. Während Petkow die Echtheit der Aufnahme anzweifelte, wurde sie indirekt durch den US-Botschafter in Bulgarien, Kenneth Merten, bestätigt.

Ohne Koalitionsvertrag

Trotz des Schwurs, niemals miteinander zu koalieren, und des nun bekannt gewordenen Mitschnitts wurde am Dienstag die neue Regierung aus GERB-SDS und PP-DB im bulgarischen Parlament mit 131 Ja- bei 69 Nein-Stimmen für die nächsten 18 Monate gewählt – im Beisein des US-amerikanischen Botschafters. Nicht nur die Begrenzung auf 18 Monate Amtszeit ist neu für Bulgarien, sondern auch der Umstand, dass die Regierung nach dem Rotationsbetrieb arbeiten soll.

Zum neuen Ministerpräsidenten Bulgariens wurde Nikolai Denkow (PP) gewählt. In neun Monaten soll ihn die ehemalige EU-Kommissarin Maria Gabriel (GERB) ablösen, die bis dahin Vizeministerpräsidentin und Außenministerin sein soll. Es gibt keinen schriftlichen Koalitionsvertrag zwischen GERB-SDS und PP-DB, sondern nur ein „Gentlemen’s Agreement“.

Protest im Parlament …

Kornelia Ninowa von der oppositionellen Bulgarischen Sozialistischen Partei (BSP) fand klare Worte für die frisch gewählte Regierung: „Ihr Euro-Atlantizismus beschränkt sich auf Gehorsam und das Einknicken vor den Mächtigen des Tages, dem Krieg in der Ukraine und der Gender-Ideologie. Und das ist auch schon alles.“

Kostadin Kostadinow von der national-konservativen Partei Wiedergeburt sagte: „Wir debattieren gerade über die Regierung des US-amerikanischen Botschafters. Der Mann, der für die Bildung dieser Regierung verantwortlich ist, steht gerade dort oben. Deshalb sind wir Zeugen eines klassischen Staatsstreichs. Und ich bezichtige die Leute im Raum, Landesverrat zu begehen. Ich denke, ihr Platz ist im Gefängnis und nicht im Ministerium.“

… und auf der Straße

Vor dem bulgarischen Parlament hatten sich mehrere hundert Menschen zu zwei Gruppen pro und kontra versammelt. Die größere Menge sprach sich gegen die neue Regierung aus, der sie nur eine kurze Amtszeit voraussagte. Die Anwesenheit des US-amerikanischen Botschafters kommentierte sie mit: „Er wollte seine Sklaven sehen.“ Eine kleinere Menge von Menschen unterstützte die neue Regierung und damit einen Tiefen Staat.

In dem veröffentlichten Mitschnitt war die Rede davon gewesen, dass die neue bulgarische Regierung unter Führung von PP in Absprache mit einer ausländischen Botschaft die Schlüsselpositionen der Geheimdienste auswechseln will. Angeblich pro-russische Personen sollen durch pro-westliche ausgetauscht werden. Ob dies wie geplant geschieht, bleibt abzuwarten.

Zuerst muss die Regierung offiziell ernannt werden. Das soll am Montag durch den bulgarischen Präsidenten Rumen Radew erfolgen, der im Westen als pro-russisch bezeichnet wird und in den vergangenen Monaten zu Friedensgesprächen zwischen Russland und der Ukraine aufgerufen hatte.

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