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Europäische Kommission berät über Geo-Engineering
Klimawandel

Europäische Kommission berät über Geo-Engineering

Sonnenuntergang

Darf man Technologien zur globalen Beeinflussung des Klimas und der Umwelt einsetzen, wenn deren Wirksamkeit und Nebenwirkungen unbekannt sind? In einem gerade veröffentlichten Dokument befasst sich die Europäische Kommission unter anderem mit Möglichkeiten und Risiken des Geo-Engineering.

Ob mit den gegenwärtigen internationalen Anstrengungen der weltweite Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius begrenzt werden kann, wie es das Pariser Abkommen von 2015 vorsieht, wird unter anderem vom Weltklimarat IPCC bezweifelt. Die Europäische Kommission will nun bis 2024 neue Klimaziele für 2040 erarbeiten und auch konkrete Vorschläge vorlegen, wie diese zu erreichen sind. Offenbar könnten dabei auch Ideen diskutiert werden, die bisher als zu riskant galten: die gezielte Beeinflussung des Klimas durch sogenanntes Geo-Engineering.

In einem am Mittwoch veröffentlichten Dokument über die Zusammenhänge zwischen Klima und Sicherheit erklärte die Europäische Kommission, die mit Geo-Engineering bezeichneten groß angelegte Eingriffe in die natürlichen Systeme der Erde seien mit bisher unbekannten Risiken, Auswirkungen und möglichen unbeabsichtigten Folgen verbunden. In dem Papier heißt es: „Diese Technologien bringen neue Risiken für Menschen und Ökosysteme mit sich, während sie auch das Machtgefälle zwischen den Nationen vergrößern könnten, Konflikte auslösen und eine Vielzahl ethischer, rechtlicher, ordnungspolitischer und politischer Fragen aufwerfen.“

Forschungen zu Geo-Engineering nimmt weltweit zu

Trotz dieser Einschätzung soll die Europäische Union in Zukunft Bemühungen unterstützen, die eine Bewertung von Ungewissheiten und potenziellen Risiken technischer Eingriffe in das Klima ermöglichen sollen und die Diskussionen über einen internationalen Rahmen für deren Steuerung fördern. In diese Förderung sollen explizit auch forschungsbezogene Aspekte eingeschlossen sein.

Fördert die EU also in Zukunft Experimente, die eine Beeinflussung des Klimas zum Ziel haben? Ohne eine verbesserte empirische Datengrundlage dürfte eine genauere Einschätzung von Möglichkeiten und Risiken des Geo-Engineering kaum gelingen. Bereits Anfang des Jahres erklärte die Chefin des Umweltprogramms der Vereinten Nationen Andrea Hinwood, man sei zutiefst besorgt über den Mangel an empirischem Wissen über die potenziellen Risiken und unbeabsichtigten Folgen der vorgeschlagenen Technologien zur Beeinflussung des Klimas.

Zu den diskutierten Maßnahmen, eine beschleunigte Erderwärmung zu bremsen, gehören die künstliche Entfernung von Treibhausgasen aus der Atmosphäre und eine Verminderung der Sonneneinstrahlung auf die Erdoberfläche. Aber auch das Abdecken von Wüsten mit Plastik, gentechnische Veränderungen von Pflanzen oder die Installation gewaltiger Spiegel im Erdorbit zählen zu den Ideen, von denen sich manche eine Abmilderung des Klimawandels erhoffen.

Beeinflussung der Sonneneinstrahlung

Insbesondere Techniken, die durch das Ausbringen von Aerosolen oder Partikeln in großen Höhen das Sonnenlicht beeinflussen sollen, auch als Solar-Engineering bezeichnet, sind im Fokus der Aufmerksamkeit, da sie eine schnelle Abkühlung der Erdatmosphäre versprechen. In einer gemeinsamen Erklärung forderten Anfang des Jahres mehr als sechzig Wissenschaftler die Möglichkeiten des Solar-Engineerings intensiver zu erforschen, um die Auswirkungen des Klimawandels abzuschwächen.

Sie befürchten, dass sich die natürlichen Systeme Schwellenwerten für katastrophale Veränderungen nähern, die das Potenzial haben, den Klimawandel und seine Auswirkungen zu beschleunigen. Der Mensch wäre dann nicht mehr in der Lage, sich schnell genug anzupassen. Aus diesem Grund benötigten wir ausgereifte Technologien, die im Notfall genutzt werden können, um die Erderwärmung zu stoppen. Dieser Notfall könnte nach Ansicht der Wissenschaftler bereits in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren eintreten.

Tatsächlich hat die Förderung und dementsprechend die Anzahl von Geo-Engineering-Experimenten in den letzten Jahren stark zugenommen. Der langsame Fortschritt bei der Emissionsreduzierung hat bei vielen Wissenschaftlern, die Geo-Engineering vor kurzem noch für zu riskant hielten, zu einem Umdenken geführt.

Widerstand gegen Geo-Engineering unter Wissenschaftlern und in der Zivilbevölkerung

Allerdings sehen das nicht alle so, und manche Experimente stoßen auf erheblichen Widerstand. So musste zum Beispiel der Flug eines Forschungsballons, der Experimente zur Beeinflussung des Sonnenlichts über Schweden durchführen sollte, nach heftigem Einspruch von Einwohnern abgebrochen werden.

Auch unter Wissenschaftlern gibt es immer noch kritische Stimmen, die davor warnen, dass die Risiken der Technologien zur Umweltbeeinflussung angesichts steigender Angst vor dem Klimawandel in den Hintergrund treten könnten. Ein offener Brief, der inzwischen von über 440 Wissenschaftlern aus mehr als sechzig Ländern unterzeichnet worden ist, fordert von den Regierungen und den Vereinten Nationen, die Entwicklung von Solar-Engineering-Technologien einzuschränken. Die Unterzeichner drängen in diesem Brief auf ein internationales Abkommen zur Nichtnutzung dieser Technologien. Deren Konsequenzen seien unabsehbar.

Neben den unbekannten Auswirkungen auf die Umwelt ergeben sich aus dem Einsatz auch geopolitische Aspekte. Wer würde künftig über Eingriffe in Umweltprozesse entscheiden, deren Auswirkungen unter Umständen global wären? Auch die Gefahr, dass die regionalen Folgen von Temperatur-, Wetter- oder Regenmengen-Veränderungen als Waffe eingesetzt werden könnten, ist durchaus real. Inwieweit die derzeitige Weltordnungspolitik in der Lage sein wird, umfassende Vereinbarungen umzusetzen, die eine faire und wirksame politische Kontrolle über den Einsatz von Geo-Engineering-Technologien gewährleisten können, ist dabei eine völlig offene Frage.

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