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„Der Krieg muss aufhören“
Ostermarsch in Berlin

„Der Krieg muss aufhören“

Ostermarsch in Berlin

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Jedes Jahr gibt es weltweit Ostermärsche für Frieden und gegen Krieg. Sarah Kaßner war für paul brandenburg: schwarz auf weiß“ in Berlin mit dabei.

Die Aufschrift auf einem Demonstrationswagen gibt sofort das Thema des Ostermarsches bekannt: „Den Frieden Gewinnen – nicht den Krieg“. Es geht um den Krieg in der Ukraine, Waffenlieferungen und Todesopfer. Pünktlich um 13 Uhr geht es los – der Elise und Otto-Hampel-Platz in Berlin-Wedding ist gefüllt, Flaggen und Plakate ragen über die Köpfe der Teilnehmer und mit Musik wird die Veranstaltung eröffnet.

Christa Weber hält die erste Rede. Laut schallen aus mehreren Boxen die Worte: „Wir sind gegen Rassismus, Holocaust-Leugnung und Antisemitismus!“. Die Teilnehmer rücken dichter zum Bühnenwagen, um jedes Wort verstehen zu können. Weber fordert: „Keine weiteren Waffen an die Ukraine. Schluss mit Sanktionen. Verhandlungen! Keine Atomwaffen auf deutschem Boden“, und erntet tosenden Applaus. Es müsse alles getan werden, damit der Krieg beendet werde, so Weber.

Dieser Meinung sind auch die Demonstrationsteilnehmer Mandy (49) und Thorsten (59) aus Brandenburg. Das Ehepaar fordert vor allem „Frieden“ und ein Ende des Krieges. Auch vor dem Krieg in der Ukraine waren sie auf Ostermärschen, erzählt mir Mandy zunächst etwas verhalten. Als ich nachfrage, wie der Frieden erreicht werden könne, antwortet Thorsten: „Es sollten sich alle an einen Tisch setzen und verhandeln“. Der ukrainische Präsident Selenskyj solle dabei auf sich und sein Land schauen.

Von „Verschwörungsanhängern“ distanzieren

Anders sieht das der Vorsitzende der Partei Die Linke, Martin Schirdewan. Glaubwürdigkeit könne es nur auf Basis der Solidarität mit der Ukraine geben. Dass Russland einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg begonnen habe, der unermessliches Leid über die Ukraine gebracht habe, stehe außer Frage. In dieser Hinsicht müssten die Veranstalter von Ostermärschen ihre Position eindeutig kundtun. Ansonsten handele es sich laut Schirdewan um „Verschwörungsanhänger“.

Er ist allerdings auch der Meinung, dass Waffenlieferungen zu einer weiteren Eskalation führen könnten – die Bundesregierung setze einseitig auf Waffenlieferungen und diplomatische Initiativen würden gar nicht unterstützt werden.

Hunderttausende Todesopfer

Noch vor Beginn der Veranstaltung erklärt mir der Veranstalter und Redner Lühr Henken: „Der Krieg muss aufhören. Monat für Monat gibt es 10.000 Tote.“

In der ukrainischen Zivilbevölkerung habe der Krieg in der Ukraine laut aktuellen Zahlen des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte (OHCHR) seit Kriegsbeginn bis zum 2. April mindestens 8.451 Todesopfer gefordert, darunter mindestens 501 Kinder. Mindestens 14.000 verletzte Zivilisten habe es bisher gegeben. Das OHCHR gehe aber davon aus, dass die tatsächliche Anzahl der zivilen Opfer wesentlich höher liegt.

Auf der Redner-Bühne ruft Henken später: „Es muss alles an Diplomatie getan werden, um diesen Krieg zu stoppen!“ Die Teilnehmer pfeifen zustimmend, klatschen und schreien. Die Kräfteverhältnisse würden nur einen Schluss zulassen: „2023 wird es keinen Sieg auf ukrainischer Seite geben.“ Die Verhandlungsgrundlage werde dadurch noch schwächer und westliche Waffenlieferung „verlängern den Krieg nur“. Deswegen seine Forderung an die Bundesregierung: „Stoppen Sie die Waffenlieferungen an die Ukraine. Wenn nicht, was dann!? Es geht darum, den dritten Weltkrieg zu verhindern!“ Die Demonstrationsteilnehmer sind offensichtlich derselben Meinung und unterstützen Henkens Forderung lautstark. Sogar auf einem Balkon eines umliegenden Hauses applaudiert ein Mann.

Dem entgegen warnt der US-Außenminister, Antony Blinken, davor, über einen Waffenstillstand zu verhandeln: „Für einige mag die Idee eines Waffenstillstands verlockend sein – und ich verstehe das. Aber wenn dies darauf hinausläuft, die Besitznahme beträchtlicher ukrainischer Gebiete durch Russland praktisch zu ratifizieren, wäre dies eben kein gerechter und dauerhafter Frieden.“ Russland müsse an den Punkt kommen, an dem es bereit sei, sich auf konstruktive Verhandlungen einzulassen, so Blinken.

Krieg ist klimaschädlich

Bereits von weitem fällt mir Iris (52) durch ihr freundliches Gesicht und die rot gefärbten Haare auf. Auf meine Frage, warum sie an der Demonstration teilnehme, zeigt sie sich sehr offen und erzählt drauf los: „Ich bin für Frieden. Das geht nur durch Waffenstillstand. Es müssen Verhandlungen geführt und beide Seiten gehört werden.“ Insgesamt gehe es ihr nicht nur um den Krieg in der Ukraine, sondern auch in Syrien, Afghanistan und anderen Ländern.

Stark kritisiert Iris auch die Umweltverschmutzung durch Kriegswaffen. „Krieg ist klimaschädlich – das Ausmaß ist immens“, sagt sie. Ein Atomkrieg habe unvorstellbare Umweltschäden zur Folge – und dieser könne schneller kommen, als man denkt.

Steigende Kosten – Leben wird immer teurer

Als ich Iris frage, ob sie Kinder hat, leuchten ihre Augen. Sie habe eine Tochter im Alter von 22 Jahren. „Sie wohnt noch bei mir. Durch ihr Studium kann sie sich keine eigene Wohnung leisten. Es ist alles zu teuer. Wenn sich Deutschland durch den Krieg in der Ukraine zusehends verschuldet, steigen bei uns die Preise noch mehr. Alles hängt zusammen“, führt sie aus und fordert auch aus finanziellen Gründen ein Ende des Krieges.

Damit unterstreicht sie die Worte von Henken. Laut ihm sei das Geld besser für Klimaschutz, Bildung und Gesundheit aufgehoben, „als im Rachen der Rüstungsindustrie“.

Die Länder haben in Deutschland auch mit hohen Flüchtlingszahlen zu kämpfen. Das bereits erwähnte Ehepaar ist sich diesbezüglich einig: Menschen in Not müsse geholfen werden. „Es muss aber differenziert werden“, ergänzen sie und Mandy verweist auf den Brandbrief an Bundeskanzler Olaf Scholz, welchen der Landrat des Main-Taunus-Kreises, 12 Bürgermeister und Hessens Ministerpräsident Boris Rhein erst zu Beginn des Jahres unterzeichneten. Sie forderten eine Begrenzung und Steuerung des Zustroms von Flüchtlingen.

Mehrheit der Deutschen fordert diplomatische Lösungen

Laut Veranstalter kamen 2.000 Bürger zum Ostermarsch in Berlin.

Sophie und David sehen im Vergleich zu den anderen Demonstrationsteilnehmern jung aus. Sie sind sportlich gekleidet. Sie lächeln, als ich auf sie zukomme. Beide wohnen in Berlin. David ist 32 Jahre alt, Sophie 34.

„Generell bin ich gegen Krieg“, erklärt Sophie und kritisiert den Krieg in der Ukraine ebenso wie in Syrien und Afghanistan. Dieses Jahr nehmen sie das erste Mal an dem Ostermarsch teil. Für David gehe es bei einem Krieg um kapitalistische Interessen – mit dem Krieg wollen Politiker Geld verdienen und ihre eigene Macht erweitern.

Die Ampel-Regierung stößt mit ihrer Politik auf immer mehr Gegenwind. Laut einer aktuellen Umfrage des INSA-Meinungsforschungsinstituts wünscht sich die Mehrheit der Deutschen diplomatische Lösungen in der Ukraine – und zwar 53 Prozent. Etwa ein Fünftel (21 Prozent) wünscht sich einen militärischen Sieg der Ukraine ohne die Hilfe von Nato-Truppen und zwölf Prozent mithilfe von Nato-Truppen.

Sophie zeigt sich überrascht über die Umfrage. „Warum sind so wenige bei der Demo? Sie fordern diplomatische Lösungen und sitzen zu Hause“, sagt sie mit einem ironischen Unterton in der Stimme. Laut Veranstaltern handelt es sich um rund 2.000 Teilnehmer beim Ostermarsches.

„Wie bewertet ihr Deutschlands Flüchtlingspolitik?“, frage ich Sophie und David. Flüchtlingen müsse auf jeden Fall geholfen werden, meint David, Sophie nickt. „Es geht der Politik aber nicht um die Menschen, sondern um Macht.“

Nena für Frieden

Kurz nach unserem Gespräch spielt Karsten Troyke seinen letzten Song auf der Bühne und kündigt an, dass die Demonstration gleich losziehen werde. „Danach wird es keine Kundgebung mehr geben und der Ostermarsch ist beendet“, informiert er die Teilnehmer. Nach etwa einer Stunde Reden und Musik setzen sich die Teilnehmer in Bewegung und laufen gemeinsam für Frieden.

Der Ostermarsch schließt mit einem Teilnehmer, der über einen Verstärker das Lied 99-Luftballons von Nena spielt. „99 Kriegsminister, […] Riefen, ‚Krieg!‘, und wollten Macht“, tönt es aus den Boxen. Melancholisch folgen Nenas bekannte Zeilen: „99 Jahre Krieg, Ließen keinen Platz für Sieger, Kriegsminister gibt’s nicht mehr, Und auch keine Düsenflieger, Heute zieh’ ich meine Runden, Seh’ die Welt in Trümmern liegen, Hab’ ‘n Luftballon gefunden, Denk’ an dich und lass’ ihn fliegen“, und dürften einige in der Hoffnung zurücklassen, dass die von Nena gezeichneten Bilder nicht noch einmal entstehen.

“Frieden, Freiheit, Selbstbestimmung und Liebe”, steht auf dem Plakat einer Teilnehmerin.

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