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Rasante “Fair-Talk”-Runde zum Thema Migration
Auf Augenhöhe

Rasante “Fair-Talk”-Runde zum Thema Migration

Gäste der Talk-Runde "Auf Augenhöhe"

Drei Migranten und ein Stand-up-Comedian redeten beim “Fair Talk” über Migration. Kayvan Soufi-Siavash, Rapper B-LASH, Youtuber Feroz Khan und Nikolai Binner schenkten sich nichts und diskutierten teilweise hitzig. Ein Gastbeitrag von Gaia Louise Vonhof

Es gibt einen Witz, der einem beim Lesen der Namen der neuen “Fair Talk”-Runde spontan aufploppt: „Wenn zwei Moderatoren sich unterhalten, wer hat verloren? Die Antwort: Der, der zuerst Luft holt.“ Am Tisch mit Jens Lehrich sitzen gleich vier Moderatoren, darunter Schnell-Redner wie der vormals als Ken Jebsen bekannte Kayvan Soufi-Siavash und „Lustig-Redner“ Nikolai Binner, die genauso ihre eigenen Formate und Shows moderieren wie der Rapper und Musikproduzent B-Lash oder der Blogger Feroz Khan. Zum Vorher-tief-Luft-holen ist auch die Konstellation der Talk-Runde in Bezug auf das Thema. Bis auf Nikolai Binner haben alle Talk-Gäste zum Thema Migration selber Migrationshintergrund.

Auf Jens Lehrichs Anfangsfrage, als wie gut die Talk-Gäste sich selbst integriert sehen, antwortet Kayvan Soufi-Siavash, dass er noch vor Jahren von sich gedacht habe, dass er gut integriert sei, und dann die Corona-Zeit gezeigt habe, „dass ich überhaupt nicht integriert bin. Und ich bin stolz drauf.“ Damit hat Soufi-Siavash zu Anfang klar gemacht: Bei diesem Zwei-Stunden-Talk wird es nicht nur beim Thema Migration bleiben, sondern dieses in die großen, übergeordneten Themen eingeordnet. Nikolai Binner, auf Lehrichs wohl halbscherzhaft gemeinte Frage, wie er sich denn integriert fühle: “Katastrophal. Also ich sitze hier mit drei Leuten am Migrationshintergrund am Tisch, die alle besser Deutsch sprechen als ich.“

Was ist eigentlich das Problem?

Gleich die Einstiegsfrage Lehrichs ins Migrationsthema ist nicht mehr lustig gemeint: „Was ist eigentlich das Problem? Also, wir lieben es, andere Kulturen kennenzulernen, zu reisen … Wenn die anderen zu uns kommen, was ist da das Problem?“ In den folgenden zwei Stunden kommt alles auf den Tisch, was bei Lanz und Co. normalerweise darunter gekehrt wird oder gar nicht erst muss, weil durch die Gästeliste geregelt wird, dass die Klartext-Fraktion gar nicht in die weichen Talk-Sessel der Öffentlich-Rechtlichen eingeladen wird.

Die Anzahl der Migranten, sei das eigentliche Problem, sagt Feroz Khan, in Deutschland geborener Sohn pakistanscher Eltern. Und die hohe Kriminalitätsrate, jeder zweite Tatverdächtige bei einer Gruppenvergewaltigung hat keinen Deutschen Pass, bei einem Anteil von 13,1 Prozent an Nicht-Deutschen. Feroz Khan bezieht sich hier auf die im März erschienene Kriminalstatistik von 2022, bei deren Vorstellung Innenministerin Nancy Faeser die Benennung der ethnischen Zuordnung der Tatverdächtigen mied und nachfolgend die System-Medien flächendeckend auch.

Ausländische Straftäter sind deutlich überrepräsentiert

Kurz vorab zu den Zahlen der Statistik: In 2022 wurde eine 22,56 Prozent gestiegene Kriminalität verzeichnet mit über zwei Millionen Tatverdächtigen. Von denen besitzen 783.876 keine deutsche Staatsangehörigkeit. 37,4 Prozent der Tatverdächtigen sind Ausländer in Deutschland, das sind mehr als ein Drittel. Die Statistik zeige nicht das ganze Bild, schrieb seinerzeit der „Focus”, denn in der amtlichen Statistik gelte „nämlich als Deutscher, wer einen deutschen Pass hat. In diese Kategorie fallen aber rund neun Millionen Menschen mit Migrationshintergrund.“

So viel zu den Zahlen. B-Lash, iranstämmiger Rapper und Musikproduzent aus Berlin-Kreuzberg, würde die Statistiken gerne im Kontext vergleichen und ein größeres Bild aufmachen. Wie auch Kayvan Soufi-Siavash, der sagt: „Jemand der in Deutschland eine kriminelle Handlung begeht, ist kriminell. Punkt.“ Auch er will den ganzen Kontext betrachtet wissen. Damit meint Kayvan Siavash-Soufi folgendes: „Wenn Menschen sich heute drüber aufregen, sagen, Entschuldigung, meine Tochter ist an der Domplatte angegrabscht worden, dann will ich das gar nicht beschönigen. Ich sage eben nur, von wem ist sie angegrabscht worden, und warst du auch auf der Straße, als unser Staat an dieses Land Rüstung exportiert hat? Das würde ich gerne wissen.“ Kriminelle sind für ihn aber nicht nur die überwiegend nordafrikanischen Jungs an der Domplatte zur Silvesternacht 2015, er geht weit darüber hinaus: „Wenn jemand mehrfach das Gastrecht missbraucht, rausschmeißen! Und wo würde ich anfangen? Bei den Amerikanern in Ramstein!“

In der Diskussion wird schnell klar: Hier geht es schon lange nicht mehr nur um Statistik, nicht um die Folgen der ungebremsten Zuwanderung für Deutschland, nicht einmal mehr um die Nato. Der Diskussionsradius wird noch weiter gefasst: „Alles, was wir hier gerade ausbaden, hat mit Geostrategien zu tun“, wirft B-Lash ein, und dass „Gateways“ geöffnet worden seien von externen Strömungen. Massenmigration würde benutzt, um Regionen zu destabilisieren und Regierungen unter Druck zu setzen. „Den Blame auf den Flüchtling zu richten“ sei so, als wenn man im Knast auf den Mithäftling zeige statt auf den Wärter.

Die Diskussion nimmt Fahrt auf und springt durch die unterschiedlichen Aspekte des Themas: Wo sind die Ursachen für die hohe Kriminalisierung zu finden? Findet Kriminalität vor allem in den Milieus statt? Verursacht durch die Ghettoisierung? Ist der „böse Moslem“ vor allem nützlich für den Westen? Sind all die Probleme drauf zurückzuführen, dass Flüchtlinge eigentlich die Spielbälle geopolitischer Interessen sind? Ist es Ablenkung vom Diskurs, wenn man sich auf die übergeordneten, oft nicht greifbaren Interessen konzentriert, anstatt hier vor Ort die konkreten Probleme anzugehen?

Vom Problem zur Lösung

So unterschiedlich die Sicht der vier Gäste, so verschieden dann auch die Lösungsansätze. Für Feroz Khan wäre das Rezept ziemlich einfach: „Grenzkontrollen und im Nachgang eine harte abschreckende Justiz, damit hätten wir die Spreu vom Weizen getrennt.“ Kayvan Soufi-Siavash fasst das Thema wieder größer, quasi über die eigenen Landesgrenzen hinaus: „Nicht nur unsere Grenzen schützen, sondern auch die der anderen respektieren.“ Nikolai Binner hat die Idee, wenn, dann gleich alle Kriminellen des Landes zu verweisen – seien es die Amis aus Ramstein oder eben die Straftäter. B-Lash will das Übel bei der Wurzel packen: Wenn sich die Menschen auf die Puppe konzentrieren, sehen sie nicht die Hand, die im Hintergrund alles koordiniert.

Feroz Khan wundert sich über so viel Gedankenakrobatik und Interpretation in der gesellschaftlichen Debatte rund um Migration, „nur um eine Sache nicht zu machen, nämlich Migranten, erwachsene, zurechnungsfähige, reife Menschen nicht in die Eigenverantwortung zu nehmen.“ Moderator Jens Lehrich, der irgendwann zwischendurch mal halbscherzhaft einwirft, dass er schon befürchtet habe, heute hier überflüssig zu sein, koordiniert und lenkt das Gespräch durch zwei lebendige Stunden und verknüpft am Ende die unterschiedlichen Positionen „auf Augenhöhe“ – so wie sein Talk-Format auch heißt.

Exemplarisch dazu das Schlussstatement in der Sendung von Feroz Khan: „Eigentlich sind wir uns einig, dass das, was Regierungen machen, größtenteils kriminell ist, wenn sie fremde Grenzen missachten. Aber ich glaube, dass nichts von all dem auch nur annähernd legitimiert, was hier auf den Straßen passiert. Und deswegen finde ich, dass beide Positionen eigentlich nebeneinander koexistieren können.“

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