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WHO – Pandemievertrag ohne Menschenwürde?
Bundestagsabstimmung

WHO – Pandemievertrag ohne Menschenwürde?

WHO-Pakete

Foto: Pexels, Asad Photo Maledives

Am 12. Mai hat der Bundestag dem geplanten WHO-Pandemievertrag „Stärkung und Reform der WHO“ zugestimmt. Ob darin die Menschenwürde gestrichen wird oder nicht, ist angesichts ihrer faktischen Bedeutungslosigkeit nahezu bedeutungslos.

Mit 497 Ja-Stimmen bei 68 Nein-Stimmen und 25 Enthaltungen hat der Bundestag dem geplanten WHO-Pandemie-Vertrag zugestimmt. Eine Petition gegen den Vertrag konnte 364.000 Stimmen sammeln. Von Beginn an gab es scharfe Kritik an dem Vorhaben, das seiner Realisierung nun immer näher rückt. Die Kritik richtete sich unter anderen dagegen, dass der in Artikel 3 (1) der Internationalen Gesundheitsvorschriften verankerte Bezug auf Menschenrechte und Menschenwürde gestrichen werden solle. Dort heißt es: „Die Durchführung dieser Vorschriften erfolgt unter uneingeschränkter Achtung der Würde des Menschen, der Menschenrechte und der Grundfreiheiten.“ Im Entwurf, über den die Mitgliedsstaaten nun diskutieren, sind unter Artikel 4 (1) Menschenwürde und Menschenrechte erhalten geblieben

Dies kommt durchaus nicht überraschend. Warum sollten Menschenwürde und Menschenrechte gestrichen werden, wenn man sie auch souverän ignorieren kann, ohne sie aus Gesetzeswerken tilgen zu müssen? Viele offenkundige Unrechtsregime haben die UN-Menschenrechtscharta unterschrieben. Doch auch in Staaten, die als Rechtsstaaten gelten, werden diese Begriffe immer mehr zu Papiertigern. Das wiederum ist Resultat eines langen Aushöhlungsprozesses. 

Zum einen wurde der Begriff Menschenwürde durch inflationäre Anwendung auf alles Mögliche so verwässert, dass viele ihn inzwischen für bloßes Wortgeklingel halten. Zum anderen drängt sich der Mensch selbst seit einigen Jahrzehnten immer weiter aus dem Zentrum von Moral, Ethik und Recht heraus, obwohl er als einziger Moral- und Rechtsbeteiligter gar nicht anders kann, als im Mittelpunkt zu stehen. Würde und Rechte werden großzügig abstrakten Entitäten, Kollektiven, nicht moral- und rechtsfähigen Lebewesen zugesprochen. Fragt man junge gebildete Menschen nach der ursprünglichen Bedeutung der Menschenwürde, herrscht meist Schweigen im Walde. Erläutert man es ihnen, finden sie es doof, weil keine Tiere, keine Ökosysteme und kein Klima darin vorkommen.

Manifest gegen den Kollektivismus

Hier sei noch einmal rekapituliert, worauf diese Konzepte im Kern beruhen. In Paragraf 1 der UN-Menschenrechtscharta von 1948 heißt es: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.“ Menschenwürde im engen Sinn ist laut dem Rechtsphilosophen Dietmar von der Pfordten die Fähigkeit des Individuums, über eigene Belange selbst zu bestimmen, welche wiederum Voraussetzung der Moralfähigkeit ist. Diese Fähigkeit ist ein empirisches Faktum, kann auch logisch nicht hintergangen werden.

Kein Tier, keine Pflanze, kein Ökosystem, kein Planet kann über seine Belange selbst bestimmen. Würde und subjektive Rechte sind daher, was jenen Begriffskern betrifft, in Bezug auf nichtmenschliche Entitäten sinnlose Konzepte. Man kann Begriffe natürlich beliebig erweitern, sie durch Metaphern ersetzen und diese im eigentlichen Sinn verwenden. Genau das ist auch geschehen. Was dabei herauskommt, wird immer deutlicher: allgemeine Unmenschlichkeit.

Die Menschenrechte fungieren als Trumpfkarten des selbstbestimmungsfähigen Individuums gegen den Staat, gegen die Gesellschaft sowie gegen übergriffige Minderheiten von „Wahrheitsbesitzern“, die sich staatlicher oder überstaatlicher Instititionen bedienen, um der Mehrheit ihren Willen aufzuzwingen. Internationale Vereinbarungen wie der Nürnberger Kodex, das Genfer Gelöbnis und ähnliche sind konkrete Ausformulierungen dieses einen Gedankens. Die Charta der Menschenrechte wurde im Lichte der Erfahrungen mit Nationalsozialismus und Kommunismus formuliert, wo Klasse, Volk oder Führer alles und Individuen nichts waren. Sie ist als Bollwerk gegen jeglichen Kollektivismus konzipiert. 

Du bist nichts, der Planet ist alles!

Konzepte wie One Health zum Beispiel, die auch dem geplanten Pandemievertrag zugrunde liegen, beruhen hingegen auf ebenso plumpen wie beabsichtigten Kategorienfehlern. Der Begriff „Gesundheit“ wird ohne Abstriche auf „Ökosysteme“, „Natur“ und „Planet“ übertragen, obwohl er nur in Bezug auf Lebewesen Sinn ergibt. Weder ein Ökosystem noch ein Planet kann gesund oder krank sein. Sodann wird verkündet, die Gesundheit der Menschen hänge von der Gesundheit der Ökosysteme, der Tiere, der Pflanzen, des Planeten, der Natur ab. 

Hinter dieser begründungstheoretischen Luftnummer steht nur eine Botschaft: „Du bist nichts, das Kollektiv ist alles!“ Der Planet hat die Rolle eines „Weltvolkskörpers“ übernommen, dessen vermeintliche Gesundheit erzwinge, dass das Individuum sich einfügt oder aufgibt. Für das Große Ganze, die Große Aufgabe müssen nun einmal große Opfer gebracht werden. „Klimaaktivsten“ posaunen diese Botschaft ungeniert heraus, das Bundesverfassungsgericht segnet sie ab, Politik und Medien applaudieren ohne Unterlass. 

Seit Jahrzehnten findet in Ethik und Recht ein Frontalangriff gegen den Menschen als solchen statt. Immer lauter wird die Gleichwertigkeit allen Lebens postuliert. Das erscheint aber, wenn überhaupt, nur aus einer echten nichtmenschlichen Perspektive sinnvoll. Dem Universum ist jedes Leben tatsächlich gleich viel oder wenig, also gar nichts wert. Dass der nichtmenschlichen Natur das einzelne Lebewesen ebenfalls vollkommen gleichgültig ist, müsste jeder wissen, der über biologisches Schulwissen verfügt. Ausgerechnet der Anthropozentrismus gilt jedoch inzwischen als Grundübel, obwohl bzw. weil er den logischen Kern aller Menschlichkeit, aller Würde und aller Rechte bildet. Eine begrifflich entkernte und ins Widersinnige gewendete Menschenwürde ist ideal geeignet, Menschenrechte mit Füßen zu treten. Warum also sollte man sie streichen?

Klaus Alfs ist ausgebildeter Landwirt und Soziologe. Er arbeitet als freiberuflicher Autor und Lektor in Berlin.

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