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Tierkennzeichnungsgesetz beruht auf irrationalen Vorstellungen
Klaus Alfs

Tierkennzeichnungsgesetz beruht auf irrationalen Vorstellungen

Foto: Pexels, Cottonbro Studio

Debatten um Tierwohl und Kennzeichnung von Haltungsformen spiegeln die Luxusprobleme eines Landes, das bald keinen Luxus, dafür aber noch mehr Probleme haben wird.

Das geplante Tierkennzeichnungsgesetz und die jüngste öffentliche Anhörung zu den erforderlichen Stallumbauten offenbaren wieder einmal, dass die Diskussion um mehr Tierwohl auf irrationalen und sachfremden Vorstellungen beruht. Generell veranstaltet die Politik seit langem einen Kult um die vermeintlich gütige Natur, welche wiederhergestellt werden soll, als hätte es sie jemals gegeben.

Glückliche Tiere?

Dies zeigt sich auch beim Thema Tierwohl. Bei Konsumenten wirkt die angenommene Natürlichkeit von Haltungsformen als Schlüsselreiz bei der Beurteilung von Stallsystemen. Je naturnäher eine Haltungsform erscheint, um so „glücklicher“ schätzt man die Tiere ein. So werden zum Beispiel Schweine auf Stroh als glücklich wahrgenommen, Schweine auf Betonspalten als unglücklich. Dies entspricht aber nicht den Bedürfnissen der Tiere. Haltung auf Stroh bringt erhebliche Probleme mit sich, was die Belastung durch Mykotoxine oder Parasiten betrifft. In der Strohhaltung stehen und liegen die Tiere im eigenen Kot, können ihre Körper als Liegekühler dort nicht abkühlen. Auf Betonspalten gelingt dies viel besser. 

In der oben erwähnten Anhörung stellt die Sprecherin von Provieh wahrheitswidrige Behauptungen auf. Schwanzbeißen kommt in jeder Haltungsform vor, hat nicht das Geringste mit Spaltenböden zu tun. Es wird unter anderem durch Mykotoxine oder Nährstoffmangel verursacht, die wiederum Nekrosen am Schwanz hervorrufen. Diese nekrotischen Stellen werden von Artgenossen angeknabbert, weil Schweine Blut gerne mögen und Kannibalen sind. Es herrscht aber der Irrglaube vor, Kannibalismus sei eine Verhaltensstörung. 

Die Gefahr der Unterversorgung mit Nährstoffen ist in Biobetrieben besonders hoch, vor allem dann, wenn Hochleistungsrassen verwendet werden. Biobetriebe sollen laut eigenen Statuten möglichst nur mit hofeigenem Futter wirtschaften. Damit kann nur selten eine bedarfsgerechte Versorgung mit Energie und Nährstoffen sichergestellt werden. Hinzu kommt die Stickstoffknappheit auf Bioflächen, was wiederum zu einem Mangel an eiweißreichem Futter führt. Ferner wird durch Antibiotika-Gaben der Biostatus der Tiere gefährdet. Zusammen mit dem in der EU-Ökoverordnung vorgeschriebenen Vorrang homöopathischer und ähnlicher Behandlungen begünstigt dies die Neigung, die Tiere unnötig leiden zu lassen oder gar zu töten. Die Wahrscheinlichkeit, dass Bioschweinefleisch aus tierquälerischer Haltung stammt, ist auf keinen Fall geringer als allgemein.

Stigmatisierung von Menschen

Insgesamt liegt das Tierwohl nicht bei den Tieren, sondern vor allem in den Augen von Städtern, welche mit den favorisierten Haltungsformen die Natur verklären. Wie krank Tiere sind, wie viele von ihnen sterben, spielt keinerlei Rolle. Selbst herzergeifende Bilder von durch Wölfe gerissenen oder verletzten Weidetieren lassen selbsternannte Tierfreunde kalt. Ein Kalb, das sicher, trocken, wohlgenährt und medizinisch versorgt in seiner Box steht, wird hingegen als Opfer des “Tierholocaust” bezeichnet. Gibt es Laut, schreit es vermeintlich verzweifelt nach seiner Mutter. Schreit dasselbe Kalb auf der Weide vor Schmerzen, weil ein Wolf ihm den Bauch aufgerissen hat, ist das eben Natur und damit gut.

Mehr Natur bedeutet, dass die natürliche Selektion mehr Angriffsfläche bekommt, was zwangsläufig mehr Krankheit und Tod zur Folge hat. Es muss dann mehr Aufwand betrieben werden, dies zu verhindern. Biohaltung erscheint als Non plus ultra, obwohl sie zu höheren Verlusten führt – zum Beispiel bei den Ferkeln. Diese Verluste kann sie aufgrund ihres guten Rufs durch hohe Preise mit Moralbonus ausgleichen, während die meist hervorragenden Produkte aus konventioneller Haltung als „Billigfleisch“ geächtet werden.

Das ureigene Geschäft der Grünen ist es, sich selbst zu erhöhen und andere Menschengruppen zu stigmatisieren. Was sie anderen unterstellen, betreiben sie selbst am eifrigsten. Hinter der vermeintlich neutralen Kennzeichnung ist unschwer eine menschliche Hierarchie nach grünem Gusto zu erkennen. Das Kennzeichnungssystem wurde auf jene finanzstarke urbane Bevölkerungsgruppe zugeschnitten, die demonstrativen Konsum pflegt, indem sie beim „Biometzger des Vertrauens“ überteuerte Ware kauft, die sie bei Blindverkostungen nicht von der herkömmlichen unterscheiden kann. Wer Ware aus der „untersten“ Kategorie kauft, steht demnach auch moralisch ganz unten. 

Gewolltes Aus

Die deutsche Landwirtschaft wird durch die grüne Politik zielsicher ins Aus befördert. Investitionsunsicherheit, widerstreitende, unerfüllbare Forderungen fungieren hierbei als Mittel der Wahl. Tierwohlmaßnahmen und Kennzeichnungsorgien sind schiere Dekadenzphänomene, die sich ein Land leistet, welches durch die eigene Regierung mit voller Absicht in den Abgrund gezogen wird. Deutschland soll zum „Naturparadies“ werden und will sich vom Ausland durchfüttern lassen. Gerade in Zeiten wie diesen, wo ein hoher Selbstversorgungsgrad aufrecht erhalten werden müsste, ist dies eine fatale Entwicklung. 

Klaus Alfs ist ausgebildeter Landwirt und Soziologe. Er arbeitet als freiberuflicher Autor und Lektor in Berlin.

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