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Terrorismus liegt im Auge des Betrachters
Gesellschaft

Terrorismus liegt im Auge des Betrachters

Der Mann aus Ratingen wurde vom zuständigen Minister und von der Presse umgehend zum Corona-Leugner erklärt, obwohl er womöglich das Gegenteil ist. Es geht dabei nicht um den mutmaßlichen Täter, sondern darum, allen Kritikern der Corona-Politik terroristische Neigungen zu unterstellen. 

Kurz nach der Explosion in einem Ratingener Hochhaus äußerte sich der Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Herbert Reul, zu den möglichen Motiven des mutmaßlichen Täters. Laut „Recherchen in Sozialen Medien“ habe dieser „Corona-Leugnern nahegestanden“ beziehungsweise sich „gedanklich“ in deren „Umfeld bewegt“. Allerdings schilderten ihn Nachbarn als jemanden, der immer mit Atemschutzmaske herumlief, was dagegenspricht, dass er die außergewöhnliche Gefährlichkeit des Corona-Virus bestreitet. Letzteres wird gemeinhin als „Corona-Leugnung“ bezeichnet.

Ob die Meinung des Mannes zum Thema Corona etwas mit der Explosion zu tun hat, ist aber einerlei, denn es scheint bei jenen Andeutungen durch Minister und Presse eher darum zu gehen, corona-kritische Bürger rein assoziativ mit solchen Leuten in Verbindung zu bringen. Auf diese Weise gelten alle, die Kritik an den Corona-Maßnahmen äußern, als potenzielle Terroristen.

Die grundsätzliche Frage, wer als Terrorist zu gelten habe, ist leicht geklärt. Da es keine allgemein anerkannte wissenschaftliche Definition dieses Begriffes gibt, bleibt die Antwort den jeweiligen Präferenzen derer überlassen, welche die Definitionsmacht haben. Es wäre für den Staat zum Beispiel ohne Weiteres möglich, die „Klima-Aktivisten“ als Terroristen einzustufen und entsprechend zu bekämpfen, zumal diese – wie Luisa Neubauer – offen bekunden, demokratische Mittel abzulehnen, und ankündigen, Pipelines in die Luft zu sprengen. 

Diese „Aktivisten“ begründen ihr Tun jedoch mit Überzeugungen, die von der Regierung, den etablierten Oppositionsparteien, den maßgeblichen Institutionen, den Medien und der gebildeten Schicht geteilt werden. Etwaige Kritik bezieht sich lediglich auf die angewendeten Mittel. Die Überzeugung, dass wir uns bereits jetzt in einer Klimakatastrophe befinden, ist Staatsräson. Genau deshalb wird jener Personenkreis auch mit dem Wort „Aktivist“ bezeichnet. Im Fall von Corona verhält es sich bekanntermaßen anders. 

Stochastischer Terrorismus

Das gewaltsame Handeln von Einzelgängern wird im Falle von Corona als Ausdruck des „stochastischen Terrorismus“ gedeutet: Scheinbar unzusammenhängende Gewalthandlungen würden durch Verbreitung rechtsextremistischer Inhalte, Verschwörungstheorien und Lügen in (sozialen) Medien ausgelöst. Solche Gewalttaten seien nicht individuell, aber statistisch vorhersehbar und würden durch die beschriebenen Mechanismen wahrscheinlicher. 

Der „stochastische Terrorismus“ ist nur ein Konstrukt, das jene statistische Validierung vermissen lässt, die es benötigt. Es eignet sich aber hervorragend dazu, beliebig heterogene Gewaltereignisse als „Rechtsterrorismus“ zu verbuchen und das „geistige Umfeld“ gleich mit in Haftung zu nehmen. Notwendige Voraussetzung dafür ist natürlich die Überzeugung, dass die offiziell abgesegneten Narrative – zum Beispiel über das Klima, das Corona-Virus, die Impfung – auch wahr sind. 

Die Zirkularität springt ins Auge. In diesem Konstrukt ist keinerlei Platz für die Vorstellung, dass jene Narrative unwahr oder sogar bewusst erlogen sein könnten, um Übergriffe des Staates auf die Bevölkerung zu rechtfertigen. Der bloße Zweifel an diesen Narrativen widerstreitet bereits der Staatsräson. Wer sie öffentlich äußert, gilt sofort als Leugner und Verschwörungstheoretiker und damit als (potenzieller) Terrorist. Denn in der Logik des „stochastischen Terrorismus“ erhöht er allein damit schon die Wahrscheinlichkeit von Gewaltakten. 

Dabei wäre die Behauptung mindestens ebenso berechtigt, dass der allgegenwärtige Katastrophismus in Bezug auf Umwelt, Klima, Corona die Wahrscheinlichkeit von Gewalttaten erhöht. Doch dieser Katastrophismus wird vom Staat, seinen Institutionen und öffentlich-rechtlichen Medien selbst betrieben und kann daher innerhalb jener Logik nicht als Terrorismus gelten. 

Es ist müßig, darüber zu streiten, ob diese oder jene Gruppe oder Person wirklich terroristisch sei. Festzuhalten bleibt, dass hierzulande die Wahrscheinlichkeit, als Terrorist oder Sympathisant zu gelten, um so größer wird, je mehr die herrschenden Narrative in Frage gestellt werden. Dabei wird allgemein vergessen, dass genau letzteres die Aufgabe mündiger Bürger ist, ohne die ein Rechtsstaat nicht existieren kann.

Klaus Alfs ist ausgebildeter Landwirt und Soziologe. Er arbeitet als freiberuflicher Autor und Lektor in Berlin.

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