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Peta fordert Veganismus statt Abschuss
Wolfsgipfel in Berlin

Peta fordert Veganismus statt Abschuss

Foto: Pexels/Mehmet Turgut Kirkgoz

Zum Wolfsgipfel hatte die deutsche Umweltministerin die Tierrechtsorganisation Peta eingeladen. Diese stellte ihre üblichen Forderungen nach gänzlichem Fleischverzicht. Auf welcher Grundlage sie jedoch die Wiederkehr des Wolfes befürwortet, ist vollkommen unklar.

In Berlin fand am 1. Juni eine von Bundesumweltministerin Steffi Lemke anberaumte Krisensitzung zum Thema Wolf statt. Wölfe stehen in Deutschland noch immer unter strengem Schutz. Ihre exponentielle Zunahme macht den Weidetierhaltern schwer zu schaffen. Lemke ist trotzdem gegen aktives Wolfmanagement und Bestandsregulierung.

Wie unter anderem die Neue Zürcher Zeitung kritisiert, hatte Lemke zu diesem Gipfel keine Jäger, dafür aber Vertreter der Tierrechtsorganisation Peta eingeladen, die sich erwartungsgemäß gegen jegliche Bestandsregulierung, dafür aber für allgemeinen Veganismus aussprach, welcher Wolf und Mensch zugute komme. Dabei fällt auf, dass Peta nirgendwo eine schlüssige Begründung dafür anbietet, warum sie überhaupt für die Wiederkehr von Wölfen in Gegenden ist, in denen diese bereits verschwunden oder ausgerottet waren. 

Ersetzbare Tiere

Peta beruft sich vor allem auf den australischen Bioethiker Peter Singer. Unter bestimmten Umständen ist es Singer zufolge erlaubt, Wesen ohne Selbstbewusstsein (Nichtpersonen) schmerzfrei zu töten, sofern an deren Stelle ein Wesen tritt, das im Leben netto mindestens so viele positive Erfahrungen macht wie das tote Wesen. Für Singer sind Nichtpersonen laut seinem Kollegen Tom Regan (1938–2017) lediglich Container ihrer Interessen. Der Container könne Singers Theorie zufolge zerstört werden, wenn nur der Inhalt erhalten bleibe.

Wölfe wären in diesem Sinn ebenso Nichtpersonen wie Weidetiere. Weidetiere, die draußen auf der grünen Wiese gehalten werden, haben nach herrschenden Vorstellungen ein gutes Leben. Dem pflichten auch Tierrechtler bei, die bekanntlich „Gnadenhöfe“ oder „Lebenshöfe“ betreiben, wo die Tiere unter genau diesen Bedingungen gehalten werden.

Bis zur Wiederkehr des Wolfes konnten Weidetiere ohne Angst friedlich herumgrasen; sie brauchen sich keine Sorgen um die Futterbeschaffung zu machen, werden von Parasiten befreit, von Schäfern gehegt und gepflegt. Ihr Leben endet mit einer Schlachtung nach Tierschutzgesetzen, also möglichst leidfrei. Sie leben im Schnitt länger als freilebende Wölfe, denn diese haben unter anderem eine hohe Sterblichkeitsrate ihrer Jungtiere. Da Weidetiere wenig entbehren müssen, haben sie weit mehr Gelegenheit, angenehme Erfahrungen zu sammeln. Die einstige Beseitigung des Wolfes hat das angenommene „Nettoglück“ der Weidetiere deutlich erhöht. 

Zum Leid der Weidetiere durch den Wolf kommt noch das der Herdenschutzhunde, die sich brutale Kämpfe mit den Wölfen liefern müssen. Auch letztere leiden durch solche Auseinandersetzungen mehr. Statt für den Wolf müsste man sich in der Logik Singers für mehr Weidehaltung aussprechen. Wenn man für jeden Wolf, den man schießt, mindestens ein Weidetier, besser zehn oder hundert großzieht, hat man das allgemeine „Nettoglück“ erhöht. 

Unwirksames Lebensrecht

Wenn Peta sich nicht auf Leid und Glück, sondern auf das proklamierte individuelle Lebensrecht der Tiere beruft, wird ihr Standpunkt nicht plausibler. Denn dieses Recht hätten Wolf und Weidetiere gleichermaßen, sodass nicht ersichtlich wird, warum der Wolf ein „höheres“ Lebensrecht haben soll. In der Regel wird darauf erwidert, dass Tiere nur das Recht hätten, nicht von Menschen getötet zu werden (passives Lebensrecht). Was Tiere mit ihresgleichen anstellen, sei eben „Natur“.

Das aber ist ein sogenannter performativer Selbstwiderspruch: Petas Performance der Fürsorglichkeit passt nicht zur faktischen Gleichgültigkeit gegenüber dem überaus leidvollen, milliardenfachen Tod der Tiere. Denn Beutetiere von Wölfen sterben sehr viel leidvoller als tierschutzkonform geschlachtete Tiere. Von ihrem Recht von Menschen nicht getötet zu werden, haben sie nichts. Peta lässt das alles zu, obwohl sie jedem einzelnen Tier ein individuelles Lebensrecht zugesprochen hat. 

Passives Lebensrecht ist in Bezug auf Tiere schlicht unwirksam, und unwirksames Recht streicht sich selbst durch. Es kann auch kein Recht der Kreise auf ihre Quadrierung geben. Daher sprechen sich manche Tierrechtler gegen die Wiederkehr von Wölfen aus. Sie liefern immerhin ein logisch nachvollziehbares Konzept in Bezug auf Großraubtiere. Ihre Lösungsvorschläge wirken auf normale Menschen jedoch absurd und sind – gelinde gesagt – schwer vermittelbar. So sollen zum Beispiel alle Raubtiere abgeschafft oder genetisch zu Pflanzenfressern umprogrammiert werden.

Peta jedoch hat außer Floskeln, immergleichen Bekenntnissen und der monotonen Forderung nach veganer Lebensweise nichts zu bieten. Es stellt sich also die Frage, was deren Mitglieder auf einem Wolfsgipfel verloren haben, da sie nichts Konstruktives beitragen können. Der Grund dürfte sein, dass Frau Lemke sich damit bei Teilen ihrer Wählerschaft beliebt machen will. Auf Kosten der Weidetierhalter.

Klaus Alfs ist ausgebildeter Landwirt und Soziologe. Er arbeitet als freiberuflicher Autor und Lektor in Berlin. 2019 veröffentlichte er das Buch Kritik der vegetarischen Ethik.

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