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Nullpeilung – Warum es die Gescheiten den Verbrechern so leicht machen
Klaus Alfs

Nullpeilung – Warum es die Gescheiten den Verbrechern so leicht machen

Foto: Pexels, wild-psy-638710

Es gilt als besonders gescheit, Personen Dummheit zu unterstellen, wenn sie anderen Menschen schaden. Damit haben die Bösen freie Bahn.

In der heutigen Sonntagsrunde des Kontrafunks räsonierte Burkhard Müller-Ullrich mit den Teilnehmern erneut über die Frage, ob bei all dem Unrechtmäßigen und Verbrecherischen der jüngsten Vergangenheit Dummheit oder böse Absicht am Werk sei. Der Germanist Peter Brenner und die Schriftstellerin Cora Stephan können sich anscheinend nicht vorstellen, dass totalitäre Übergriffe auf die Bevölkerung geplant sind und nach diesem Plan auch durchgesetzt werden. Der Unternehmer Jobst Landgrebe schien als Einziger den Durchblick behalten zu haben. Er konnte sich aber nicht recht durchsetzen. Frau Stephan betonte immer wieder, dass sie es trotz allem einfach nicht verstehe. Unverständlich bleibt dabei allerdings nur, wie man mit einer solchen Attitüde dem Verbrechen etwas entgegensetzen will. 

Wer ist der Dümmste im ganzen Land?

Die Alternative dumm oder böse Absicht ist eine Scheinalternative, wie ich in einem zweiteiligen Blogartikel ausführlich erläutert habe. „Hanlons Rasiermesser“ wird die Faustregel genannt, wonach man bei schädlichen Resultaten von Dummheit statt von böser Absicht ausgehen solle. Diese Faustregel kann aber logischerweise nur dem Zweck dienen, jede Kritik zu neutralisieren. Sie verleiht Personen, die es anwenden, das Gefühl geistiger Überlegenheit, obwohl sie die größten Esel im ganzen Universum sind. Wer die Frage „Dummheit oder böse Absicht?“ stellt, setzt einen Rahmen, innerhalb dessen die offensichtlichsten Dinge rätselhaft erscheinen.

Folgendermaßen wird ein Schuh draus: Man abstrahiere von den Motiven konkreter Personen, schließe von den angewandten Mitteln darauf, wozu sie optimal taugen, und von dort auf die jeweilige Absicht. Coronamaßnahmen taugen zum Beispiel nicht oder kaum zur Pandemiebekämpfung, dafür optimal zur Mehrung des Gewinns großer Pharmafirmen. Man geht also berechtigt davon aus, dass die Maßnahmen genau aus diesem Grund verordnet werden.

Da es als moralisch verwerflich gilt, sich zum großen Schaden anderer zu bereichern, handeln die Verantwortlichen mit unlauterer, böser Absicht. Fall geklärt. Was ist so schwierig daran? Frau Stephan fragt sich dennoch wohl bis an ihr Lebensende, wer denn ein Interesse an sowas haben solle. Währenddessen häuft Ugur Sahin Milliarde um Milliarde auf. Daraufhin fragt Müller-Ullrich wieder: „Glaubt er denn, was er sagt, oder hat er böse Absichten?“ Und schon ist die nächste Sonntagsrunde verstrichen. Zum Schluss derselben folgt ein allgemeines Lamento über die allgemeine Realitätsverweigerung. Doch dald, so meint man, komme die wirkliche Wirklichkeit und versohle den Realitätsverweigern gehörig den Popo. Darauf kann man indes lange warten.

Trügerische Wirklichkeit

Bei entsprechender Machtfülle ist es keineswegs unmöglich, verbrecherische Großprojekte zu planen und in die Tat umzusetzen. Was wohl die heutigen Gescheiten damals gesagt hätten, wenn sie jemand darauf aufmerksam gemacht hätte, dass Nazideutschland gerade Millionen Juden vergast? Nein, das ist zu kompliziert. Das geht ja gar nicht. Außerdem macht da der Mittelstand nicht mit. “Die Gescheiten haben es den Barbaren überall so leicht gemacht, weil sie so dumm sind”, sagt Theodor W. Adorno.

Was vernebelt den Blick vieler Kritiker an den herrschenden Narrativen? Der ständige Rekurs auf die Wirklichkeit – so als spräche diese für sich selbst. Voller Stolz präsentieren sie sich als Wirklichkeitseigentümer, obwohl die Gegenseite dies mit derselben Vehemenz ebenfalls tut. Wer am lautesten schreit, hat gewonnen. Sie fragen sich dann, ob Frau Baerbock „wirklich“ so dumm sei; ob sie „wirklich“ böse Absichten habe. Das wäre jedoch allenfalls in einem Strafprozess relevant. 

Niemand weiß, was wirklich in den Köpfen von Menschen vorgeht. Man ersetze daher Wirklichkeit durch Logik, dann sieht man sofort klar. Begreift man die innere Logik eines Phänomens, kann man sein Verhalten prognostizieren. Das ist das Schöne daran. Man muss nicht bei jedem Detail erneut wie der Ochs vorm Berge stehen. 

Wenn Sie sich fragen, warum die Kritik am totalitären Übergriff kaum Wirkung entfaltet, dann ziehen Sie in Betracht, dass es auch am hartnäckigen Nichtbegreifen vieler Kritiker liegt. Sie weigern sich mit Händen und Füßen, einfache logische Schlüsse zu ziehen und bleiben damit notwendig im Hintertreffen. Wenn ich böse Absichten hätte, wäre ich jedenfalls sehr zufrieden mit ihnen. Ich würde sogar frohlocken: Die sind ja noch dümmer, als ich dachte!

Klaus Alfs ist ausgebildeter Landwirt und Soziologe. Er arbeitet als freiberuflicher Autor und Lektor in Berlin.

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