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Nicht der Wein allein – Naturschutzpläne der EU gefährden die Landwirtschaft 
Verordnungsentwurf

Nicht der Wein allein – Naturschutzpläne der EU gefährden die Landwirtschaft 

Trauben in der Sonne

Foto: Pexels/Picjumbo

Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag hat einen Antrag gestellt, um den deutschen Weinbau zu schützen. Sie sieht ihn durch einen Verordnungsentwurf der EU zur Reduktion des Pflanzenschutzmittel-Einsatzes gefährdet. Doch durch die EU-Pläne steht die europäische Landwirtschaft als solche auf dem Spiel.

Die im Rahmen des European Green Deal verfolgte Farm-to-Fork-Strategie sieht unter anderem vor, den Einsatz „chemischer und gefährlicher Pflanzenschutzmittel“ bis 2030 um fünfzig Prozent zu reduzieren. Es liegt diesbezüglich ein Vorschlag zu einer EU-Verordnung „Sustainable Use Regulation“ (SUR) vor.

In einem Antrag äußert die Union ihre Bedenken gegenüber der bisherigen Fassung. Sie könne das Aus für den hiesigen Weinbau bedeuten. Deutschland ist der viertgrößte Weinexporteur innerhalb der Europäischen Union. Die Bedenken der CDU/CSU-Fraktion verstärken sich noch dadurch, dass die Berichterstatterin des Umweltausschusses im EU-Parlament, Sarah Wiener, sogar eine Reduktion um 80 Prozent befürwortet. 

Laut einer noch unveröffentlichten neuen Folgenabschätzung der EU-Kommission hätte eine Reduktion um fünfzig Prozent kaum negative Folgen für die Lebensmittel- und Ernährungssicherheit. Es seien lediglich Kulturen betroffen, die wenig zur Lebensmittelsicherheit beitrügen, zum Beispiel Hopfen, Tomaten oder Weintrauben. Die Befürchtung der Union, dass mit der Verordnung der Weinbau in Deutschland verloren sei, bekommt durch diese Abschätzung zusätzliches Gewicht. Allerdings greift ihre Kritik insgesamt zu kurz. Der Weinbau wäre eines der ersten Opfer, aber bestimmt nicht das letzte. 

Die Bedeutung des chemischen Pflanzenschutzes

Im Jahr 1878 wurde der falsche Rebenmehltau Plasmopara viticola aus Nordamerika nach Europa eingeschleppt. Der Erreger zerstört zielsicher Trauben, Reben und Weinstöcke. Er hätte mit Sicherheit den gesamten europäischen Weinanbau vernichtet, wäre nicht erstmals in der Geschichte chemischer Pflanzenschutz zum Einsatz gekommen. Ein französischer Botaniker hatte nämlich die sogenannte Bordeaux-Brühe entwickelt, welche Branntkalk und zweiwertige Kupferionen enthält, die für Pilzsporen giftig sind und deren Keimung verhindern.

Die Bordeaux-Brühe war das erste Fungizid. Es hilft unter anderem auch gegen die Kraut- und Knollenfäule der Kartoffel. Hierbei handelt es sich ebenfalls um einen Pilz: Phytophthora infestans. Er war die biologische Ursache der großen Hungersnot in Irland zwischen 1845 und 1849 , welcher etwa eine Million Menschen zum Opfer fiel. Präparate mit gleicher Zusammensetzung werden bis heute eingesetzt, auch und gerade im Biolandbau. Ökowinzer sind noch heute bei anhaltend feucht-warmer Witterung  sofort in ihrer Existenz bedroht. Der gerne verteufelte chemische Pflanzenschutz schuf erstmals in der Geschichte die Voraussetzung für sichere Ernten auf Höhe des Ertragspotenzials. Mit seiner Fortentwicklung konnten flächendeckende Missernten und Hungersnöte vermieden werden. 

Wünsch dir was!

In unseren Breiten sind die Menschen diese Sicherheit so gewohnt, dass sie sich keine Gedanken darüber machen, auf welche Weise sie gewährleistet wird. Auch ist ihnen nicht bewusst, wie erbittert der Kampf mit Schadorganismen geführt wird und was dabei auf dem Spiel steht. Deshalb meinen sie, man solle die Ernten der widerspenstigen Natur nicht etwa abtrotzen. Stattdessen möge man sanft im Weinberg des Herrn auflesen, was die gütige Natur hergibt, wenn man sie nur freundlich darum bittet.

Aus diesem den Universitäten entsprungenen Geist ist der European Green Deal entstanden. Tiefenökologisch beseelt sägt Europa mit heiliger Einfalt am Ast, auf dem wir alle sitzen. Die verantwortliche Kommission wird von den zehn bedeutendsten Umweltschutz-Organisationen beraten, man könnte auch sagen: kommandiert. Frans Timmermans, EU-Kommissar für Klimaschutz, verhält sich, als wäre er deren Medium.

Den optimistischen Prognosen der neuen EU-Folgenabschätzung ist nur bedingt zu trauen. Schwerer wiegen die Einwände des international renommierten Pflanzenschutzfachmanns Andreas von Tiedemann, der betont, dass Biodiversität durch Pflanzenschutzverringerung nicht erhöht werden könne. Ineffizienter Pflanzenschutz führe unweigerlich dazu, dass die Anzahl der Kulturpflanzen, die ertragreich angebaut werden können, zurückgehe.

Was Pflanzenschutzverbote anrichten, kann man zurzeit in Österreich beobachten. Seit in der EU das Rübenbeizen nicht einmal mehr per Notfallzulassung erlaubt ist, frisst sich der Rübenderbrüssler munter durch die Zuckerrüben. Er hat diese Saison schon 4.000 der 38.000 Hektar Rüben des Landes vernichtet. Der kleine Kerl findet sicher bald auch auf Deutschlands Äckern ein wohliges Zuhause. Ohne wirksamen Pflanzenschutz stehen Landwirte ihm genauso hilflos gegenüber wie normale Bürger der Brüsseler Bürokratie. Diese Hilflosigkeit erinnert an die „gute alte Zeit“, wo alles noch naturnah zuging, Hungersnöte und Missernten die Regel waren.

Sarah Wiener wirkt zwar weniger kompetent als eine Weinbergschnecke, führt aber im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung inzwischen das große Wort. Damit wurde tatsächlich die Bock:in zum Gärtner gemacht. Die Attitüde Wieners und ihresgleichen lässt sich mit einem Matthäus 6,26 nachgebildeten Spruch protestierender Landwirte beschreiben: „Sie säen nicht, sie ernten nicht, aber wissen alles besser.“ Davon wird niemand satt.

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