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Italien: Bär darf nicht entnommen werden. Kritik wird lauter
Klaus Alfs

Italien: Bär darf nicht entnommen werden. Kritik wird lauter

Foto: Pexels, Vincent MA Janssen

Die Abschussgenehmigung für den Bären, der im Trentino einen Mann getötet hat, wurde aufgehoben. Tierschützer zeigen den Landeshauptmann an. Bürger starten eine Petition für die Reduktion der Bärenpopulation. 

Wie zu erwarten war, hat das Verwaltungsgericht Trient die von Landeshauptmann Maurizio Fugatti erteilte Abschussgenehmigung für die Bärin wieder aufgehoben, die am 5. April im Trentino den 26jährigen Andrea Papi getötet hat. Der Landeshauptmann ist nun von Tierschützern wegen „Anstiftung zu einer Straftat“ verklagt worden. Es gebe keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit, da die Bärin sofort in eine andere Region überführt werden könne. Schon die Mutter des Tieres war im Jahr 2010 in einen Bärenpark im Schwarzwald gebracht worden.

Papi hatte einen grauenvollen Tod. Seine Verletzungen an Hals und Armen waren nicht tödlich, er wurde noch lebend in den Wald geschleppt und dort wahrscheinlich bei lebendigem Leib gefressen – wie es Bären zu tun pflegen. Der Schock in der Region sitzt also tief. Es gibt inzwischen eine Petition „Gerechtigkeit für Andrea Papi“. Die Initiatoren betonen, dass der Tod des jungen Mannes hätte vermieden werden können, erklären sich mit der Familie des Getöteten solidarisch und fordern eine drastische Reduktion der Bärenpopulation im Trentino.

Wiederherstellung der Natur?

Die Kritik an der Large Carnivore Initiative for Europe (LCIE) wird lauter. Dieses Projekt wurde 1995 vor allem auf Betreiben des WWF ins Werk gesetzt. Es soll für lebensfähige Populationen von Großbeutegreifern in Europa sorgen und zugleich eine Koexistenz mit den dort lebenden Menschen ermöglichen. Die Initiative arbeitet eng mit der Organisation Rewilding Europe zusammen. Das Ziel dieser Organisation ist weniger Koexistenz von Menschen und Beutegreifern als Entvölkerung ganzer Regionen. Es geht also um Ausweitung von Flächen, zu denen Menschen gar keinen oder nur reglementierten Zutritt haben.

In diesem Geiste wurde im Sommer 2022 ein Verordnungs-Vorschlag der EU-Kommission zur Wiederherstellung der Natur eingebracht sowie auf der Weltnaturschutzkonferenz im Dezember 2022 beschlossen, dass bis zum Jahr 2030 dreißig Prozent der globalen Land- und Meeresfläche unter Naturschutz stehen sollen. Was das in der Praxis bedeutet, schildert die Journalistin Simone Schlindwein in ihrem soeben erschienenen Buch „Der Grüne Krieg“. In Afrika wird schon seit vielen Jahren eine brutale Entvölkerungspolitik im Namen des Naturschutzes betrieben. Die Bekenntnisse etwa des WWF zu den Menschenrechten wirken angesichts dessen wie Tünche. In den USA gibt es die Initiative Yellowstone to Yukon, die einen 140-Kilometer-Korridor einer unter Naturschutz stehenden „Wildnis“ schaffen will und zahlreiche Fürsprecher in der Politik hat. Die ansässigen Farmer indes befürchten, dass sie enteignet und vertrieben werden.

Neuartiges Experiment

Das LCIE ist ein neuartiges Experiment. Niemals zuvor gab es in Europa eine Ansiedlung von Großbeutegreifern unter strengem Schutz. Als diese Tierarten hier noch in hoher Anzahl vorkamen, wurde ihnen stets in ganz erheblichem Maße vom Menschen nachgestellt – und zwar mit einer Brutalität, die vielen Zeitgenossen den Atem verschlagen würde. Die Landbevölkerung war auch ohne Schusswaffen sehr wehrhaft und ging unter anderem mit Beilen und Knüppeln auf die Tiere los. Deshalb hatten diese auch Anlass, den Menschen fernzubleiben. Dass sie es „von Natur aus“ täten, ist ein bloßes Dogma, welches deren Wiederkehr schmackhaft machen soll. Damit erteilen sich die Initiatoren des Projekts Generalabsolution und zugleich Verfügungsgewalt, weil nur sie “wissen, wie man es richtig macht”. Sie wissen aber wohl ganz genau, dass Koexistenz nicht möglich ist. Man könnte das Dogma daher auch als glatte Lüge bezeichnen.

Wer von dieser Lüge profitiert, ist klar. Es sind die mächtigen Natur- und Tierschutzverbände. Dass die Allgemeinheit von deren Treiben profitiert, darf indes bezweifelt werden. Große Teile der Bevölkerung haben aufgrund medialer Disneyfizierung keinerlei Vorstellung von den negativen Konsequenzen dieser Politik. Sie führt den Artenschutz ad absurdum, denn die Beutegreifer vernichten viele bedrohte und geschützte Arten. So sind die extra in Deutschland angesiedelten Mufflons schon fast verschwunden. Die Präsenz geschützter Großbeutegreifer beendet auf Dauer nicht nur alle Weidewirtschaft und vermindert damit die Biodiversität. Sie macht jegliche freie Bewegung von Menschen in einer als Natur wahrgenommenen Kulturlandschaft unmöglich. Am 28. April machen Weidetierhalter in Berlin mit einer Demonstration darauf aufmerksam.

Klaus Alfs ist ausgebildeter Landwirt und Soziologe. Er arbeitet als freiberuflicher Autor und Lektor in Berlin.

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