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In den Umzugskisten von 2019
Dr. Naomi Wolf

In den Umzugskisten von 2019

Annalen der Korruption: Objekte aus einer verschwundenen Welt bringen verrottete Institutionen zu Tage.

Von Dr. Naomi Wolf

Als ich im Herbst 2019 aus meinem ehemaligen Zuhause im New Yorker West Village auszog, dachte ich, ich würde einfach von einem Ort zum nächsten ziehen. Ich freute mich darauf, ein weiteres Zuhause einzurichten, dieses Mal in der South Bronx.

Brian und ich lebten aber nur vier Monate in der South Bronx – bis zum 11. März 2020. Wir sahen uns an, und wussten sofort, dass wir in seinen Geländewagen steigen und weiter nach Norden fahren müssen. Wie ich in meinem Buch The Bodies of Others (übersetzt etwa: Die Körper der Anderen) beschreibe, erkannten wir beide, dass Schlimmes auf uns zukommen würde. Auch wenn wir noch nicht genau wussten, ob es sich um eine natürliche oder eine politische Katastrophe handelte, als der damalige Gouverneur von New York, Andrew Cuomo, die Schließung der Broadway-Theater ankündigte – einfach so. Das war ein staatlicher Erlass im Stil der kommunistischen Partei Chinas, aber keine Ankündigung wie in den USA üblich, wo man es jedem selbst überlässt, wie er in einem Notfall handelt.

Meine Habseligkeiten, die ich über zwanzig Jahre hinweg angehäuft hatte, verbrachten also zweieinhalb Jahre in einem Lagerhaus.

Jetzt war ich dabei, diese Kartons aufzumachen, die nicht nur von einem anderen Ort zu stammen schienen – wie bei einem Umzug üblich –, nicht nur aus einer anderen Zeit, sondern ich öffnete Kisten, die buchstäblich aus einer anderen Welt kamen. Ich bin mir nicht sicher, ob es im Laufe der Geschichte schon einmal so etwas gegeben hat.

Einige Gegenstände erinnern an normale Verluste und Veränderungen. Andere hingegen zeigen, dass altbewährte Institutionen jegliche Moral und Autorität verloren haben.

Da war ein grauer Pullover, der meinem Vater gehört hatte. Er war Schriftsteller. Das Kleidungsstück wies noch immer die Reihe loser Fäden entlang des Schlüsselbeins auf, die kleinen Lücken, die sich zwischen den zusammengenähten Teilen auftaten, die so typisch für sein distinguiertes, aber geistesabwesendes Professorengesicht waren. Dr. Leonard Wolf konnte in New York einen mottenzerfressenen Pullover wie diesen tragen und immer noch wie ein byronischer Dichter aussehen, der über sein neuestes Sonett nachdenkt. Mein Vater hatte auch dann noch Stil, als er bettlägerig war – selbst, als er wegen der fortschreitenden Parkinson-Krankheit nicht mehr mit Worten, seinem Schatz, kommunizieren konnte. Er war charismatisch, auch ohne Gesten, wenn mein Mann, ein irischer Raconteur, an seinem Bett saß und Geschichten erzählte, um meinen Vater zum Lachen zu bringen.

Für meinen Vater sind die Geschichten jetzt zu Ende, zumindest die irdischen. Aber der Pullover duftet immer noch winterlich, frisch, so wie dieser Mann, als er auf der Erde war und uns eine Geschichte nach der anderen erzählte.

Ich faltete den Pullover meines Vaters zusammen und legte ihn auf den Flickstapel.

Ein kleines braunes Hundespielzeug kam zum Vorschein, an einer Stelle so zerbissen, dass das weiße Futter zu sehen war. Der kleine Hund, der sich über das Spielzeug gefreut hatte, der viel betrauerte Mushroom, ist nicht mehr bei uns. Seine Hundemarke haben wir an einen Baum genagelt, der sich im Wald neben unserem jetzigen Zuhause über den Fluss neigt.

Ich legte das zerbissene Spielzeug auf den Staptel „Zu entsorgen“.

Dann waren da noch die Kissen – geblümte Kissen. Sogar mir war schon beim Kauf klar, wie geschmacklos sie sind. Als meine Kinder alt genug waren, um auf Ästhetik zu achten, schimpften sie, wenn ich einen derartigen neuen Fund nach Hause brachte: »Mama, bitte! Keine Blümchen mehr!«

Damals erwarb ich nicht nur Blumenmuster, sondern auch warme Farben – Preiselbeere und Scharlachrot, Terrakotta, Aprikose und Pfirsich.

Aus heutiger Sicht, glücklich verheiratet, weiß ich, was mich damals dazu getrieben hat, all diese überflüssigen Blumen zu kaufen. Als alleinerziehende Mutter vermisste ich Geborgenheit und Wärme, war aber mit einem Mann zusammen, von dem ich das nicht bekommen konnte. So entschied ich mich unbewusst für eine warme und gemütliche Einrichtung, weil ich genau diese Qualitäten in meiner Beziehung vermisste.

Der Mann, ein temperamentvoller Charmeur, ist in den vergangenen Jahren ebenfalls verstorben, jung, an einem tödlichen Krebsleiden.

Ich seufzte erneut und legte die geblümten Kissen auf den Stapel „Zu verschenken“.

Weitere Gegenstände in den offenen Kartons erzählen jedoch nicht von natürlichem Verlust und Wandel, sondern von der Welt der Autoritäten, die 2019 noch schillernd und real erschienen, sich seitdem aber als von Fäulnis zersetzt entpuppt haben.

Da war zum Beispiel das braune Plissee-Kleid im griechischen Stil, ärmellos mit geraffter Taille, das ich Anfang der 2000er Jahre zu einer Hochzeit in Martha’s Vineyard trug.

Alles war genau so, wie es sein sollte.

Zur Hochzeit kamen Politiker aus dem Weißen Haus, Redakteure und Reporter der Washington Post, freche junge Redenschreiber und Wahlkampfmanager aus New York und angesagte Sachbuchautoren, die sich bereits einen Namen als Chronisten der Szene gemacht hatten. Wir waren alle Mitte bis Ende 30 – wir brachten den Wandel voran, waren von uns selbst überzeugt, standen für Veränderung; wir fühlten uns wie in der Serie »The West Wing – Im Zentrum der Macht« – (einer unserer Freunde war da Berater) – idealistisch, ein bisschen schick, wahnsinnig optimistisch.

Wir gehörten zur Szene.

Fast wich ich vor Kummer und Wut einen Schritt zurück. Ich faltete das Kleid und dachte an die Institutionen, die unseren Optimismus in dieser warmen Nacht gestützt hatten, als unsere Zuversicht und unser Selbstbewusstsein zusammen mit den Klängen der ultrahippen Bluesband die warme, salzige Luft erfüllte.

Die großen Zeitungen? Die einst jungen Journalisten? In den vergangenen zweieinhalb Jahren haben sie sich als Lockvögel entlarvt – für imperiale Mächte, die sich als Völkermörder entpuppen. Sie wurden zur medialen Version von Prostituierten, die ihre Zeit so einteilen, dass sie demjenigen einen blasen können, der ihnen den größten Scheck ausstellt.

Diese einst jungen Politiker? Sie haben die vergangenen Jahre gezeigt, dass sie als politische Entscheidungsträger zum globalen Marsch in die Tyrannei bereit sind, indem sie ihre Mitmenschen, ihre eigenen Wähler, für ein mörderisches medizinisches Experiment instrumentalisieren.

Wo sind nun diese Institutionen, die uns in den frühen 2000er Jahren mit Stolz erfüllt hatten und uns das Gefühl gaben, eine wichtige Sache voranzubringen, weil wir an ihrem Aufbau mitwirkten?

Sie sind moralisch am Ende und haben jeden Funken Autorität oder Glaubwürdigkeit verloren.

Ich legte das braune Kleid auf den Secondhand-Stapel.

Ich nahm ein altes Heft zur Hand, in dem ich mir bei einigen Besuchen in Oxford Notizen gemacht hatte. Wir waren zu einer Dinnerparty im Norden Oxfords eingeladen, die der Direktor des Rhodes House gab, und zu der der Vizekanzler der Universität und viele weitere bekannte Persönlichkeiten kamen.

Es war ein glanzvoller Abend, elegant und kultiviert. Ich fühlte mich privilegiert, mit einigen der größten Denker meiner Zeit am selben Tisch zu sitzen.

Meine Wertschätzung für Oxford war groß. Die Universität hatte sich über neunhundert Jahre lang für die Grundsätze der Vernunft und der Redefreiheit engagiert. Sie stand für das Hinterfragen ein, als es noch gefährlich war, Fragen zu stellen. Während der dunkelsten Zeiten behütete sie in Europa die helle, unauslöschliche Flamme des wachen Geistes.

Genau das – dieses Erbe des kritischen Denkens – war das Vermächtnis Oxfords.

Aber – im Jahr 2021 – ließ auch diese Institution ihre Studenten online lernen – eine Maßnahme, die jeder Vernunft oder natürlichen Grundlage entbehrt.

Dies ist eine Pervertierung der wichtigsten Errungenschaft, die die Universität Oxford der Welt gebracht hat – nämlich das Tutoriensystem, bei dem die physische Anwesenheit von einigen Studenten im Arbeitszimmer eines Don (Professors) die Dimension des wissenschaftlichen Diskurses auf magische und unersetzliche Weise eröffnet.

Online-Lernen? In Oxford? In einer Institution, die Seuchen und Epidemien überstand, die die Atemwegserkrankung von 2020 bis 2022 in den Schatten stellen, die Kriege und Revolutionen überlebte und die angesichts von Krisen aller Art Studenten ehrenhaft unterrichtete?

Es tat mir im Herzen weh. Ich legte das alte Notizbuch auf den Stapel „Aufbewahren“.

Ich entfaltete ein Tischtuch, das ich in Indien gekauft hatte.

Eine Erinnerungsflut überkam mich, als ich das altbekannte Muster sah.

In meiner kleinen Wohnung im West Village fanden viele Partys statt, und in der Mitte lag immer diese handgestempelte Tischdecke. Ich stellte einen großen Topf mit Truthahn-Chili – meinem Lieblingsgericht, das einzige, das ich nicht vermasseln kann –, Teller mit Baguette-Scheiben und Flaschen mit billigem Rotwein auf die Tischdecke. So konnte eine alleinerziehende Mutter, die eigentlich pleite war, erschwingliche Feste veranstalten – und diese Partys waren großartig. Gut besucht, lebendig, mit einer inspirierenden und intellektuell anregenden Stimmung. Filmemacher, Schauspieler, Journalisten, Künstler, Romanautoren, Akademiker, Dichter, einige weniger langweilige Risikokapitalgeber; alle dicht gedrängt. An einem bestimmten Punkt des Abends steigerte sich der Lärm (meine Nachbarn waren tolerant) zu einem fröhlichen Getöse neuer Ideen, die aufeinanderprallten oder miteinander verschmolzen; neue Freundschaften, neue Kontakte, neue Liebhaber.

2019 gehörte ich zur New Yorker Szene. Mein Leben bestand aus Veranstaltungen, Podiumsdiskussionen, Vorträgen, Galas, Proben, Filmpremieren, Theater- und Galerieeröffnungen. Ich hielt meinen Platz in der Gesellschaft für unumstritten und dachte, dass der dichtgedrängte Event-Kalender, die Partys, diese Gemeinschaft und vor allem diese Gesinnung in meiner Welt für immer Bestand haben würden.

Wo ist diese Gesellschaft jetzt? Künstler, Filmemacher, Journalisten – all die Menschen, die Nein zur Diskriminierung, Nein zur Tyrannei sagen sollten – sie haben sich zerstreut, sich weggeduckt, sich gefügt. Sie haben sich verkrochen.

Dieselben Leute, die zur Avantgarde einer großen Stadt gehörten, haben sich einer Gemeinschaft angeschlossen, in der jemand wie ich kein Gebäude betreten darf.

Und ich habe diese Menschen gefüttert. Ich habe ihre Gläser mit erschwinglichem Rotwein gefüllt.

Ich habe sie in meinem Haus willkommen geheißen.

Ich habe ihre Karrieren unterstützt, ihre Bücher gelobt, ihre Galerieeröffnungen beworben, weil – weil wir Verbündete waren, oder etwa nicht? Wir waren Intellektuelle. Wir waren Künstler. Wir waren sogar Aktivisten.

Und doch haben diese Leute – dieselben Leute – eifrig mitgemacht! Ohne jeglichen Widerstand! Ohne Hinterfragen! Sie unterstützen ein Regime, das sich mit dem von Marschall Philippe Petain in Vichy-Frankreich vergleichen lässt.

Unglaublich, dass ich sie einmal als Kollegen, als Freunde gesehen hatte.

Ich wurde über Nacht zur Unperson. Durch eine Klage von America First Legal stellte sich heraus, dass das Center for Disease Control (CDC) als Reaktion auf einen Tweet von mir, in dem ich auf Menstruationsprobleme nach der mRNA-Impfung hingewiesen hatte, mit Twitter konspirierte, um mich aus der Welt der klassischen Medien und des digitalen Diskurses zu entfernen, ja zu löschen. Eine Verleumdungskampagne globalen Ausmaßes wurde von Carol Crawford, die beim CDC für digitale Medien zuständig ist, anscheinend mit Twitter orchestriert. Eine weitere Klage ergab, dass selbst das Weiße Haus mit Big Tech-Unternehmen zusammenarbeitete, um US-Bürger zu zensieren. Mein wahrheitsgemäßer Tweet gehörte auch dazu.

Als wären wir Charaktere in einer Erzählung von Lewis Carroll, so stand die Welt der Leistungsgesellschaft plötzlich auf dem Kopf.

Die höchste Eskalationsstufe staatlicher Absprachen richtete sich gegen mich, als ich im Sommer 2021 Gesundheitsprobleme bei Frauen ansprach. Meine Bemühungen um einen seriösen Journalismus zum Thema Frauengesundheit und um angemessene medizinische Lösungen für die sexuellen und reproduktiven Gesundheitsprobleme von Frauen machten mich 35 Jahre lang zu einem Medienliebling. Interessanterweise haben das auch jene so gesehen, die sich an meinem Essen und meinem Wein erfreuten, als sie um dieses Tischtuch herum saßen.

Aber weil ich weiterhin das tat, wofür sie mir so lange Beifall geklatscht hatten, wurde ich ins soziale Abseits verbannt.

Und warum? Weil sich die Zeiten geändert haben.

Und weil sich die Höhe der Einnahmen, die sie durch die Verbreitung von Lügen erzielen, geändert hat.

Hat sich irgendjemand von denen, die sich auf Linie befinden – viele von ihnen sind berühmte Feministinnen und Feministen –, für mich eingesetzt? Hat einer öffentlich gesagt: „Moment mal, das scheint für Frauen ein großes gesundheitliches Problem darzustellen. Sollten wir das nicht erforschen?

Nicht ein einziger.

Die kühne, mutige, kantige New Yorker Avantgarde, die ich zwanzig Jahre lang beherbergt hatte?

Sie haben sich von Twitter einschüchtern lassen.

Diese Welt hat mich gemieden, mich über Nacht zur Unperson gemacht. Die Macht der US-Regierung ist ziemlich beeindruckend, vor allem, wenn sie sich mit den größten Online-Plattformen der Welt zusammentut, und man ausradiert beziehungsweise gelöscht wird.

Diese Welt hat mich aussortiert.

Aber ich habe sie auch aussortiert.

Ich lebe jetzt in den Wäldern. Das Glitzern und den Lärm der Galas und das Geschwätz der Literaten haben Brian und ich gegen mächtige, rauschende Bäume getauscht; die Dramen, denen wir uns heute stellen, handeln von Kojoten, Klapperschlangen und dem hier heimischen halbwüchsigen Bären. Wir freunden uns mit jenen an, die Lebensmittel anbauen, da wir uns in Zukunft vielleicht selbst versorgen müssen. Wir haben gerade bei Landwirten eine Bestellung abgeholt und in eine riesige Gefriertruhe gepackt: ein Rinderviertel – ein Begriff, der in meinem alten Leben nicht zu meinem Sprachgebrauch gehörte.

Ich habe von Brian eine Kaliber .22 geschenkt bekommen. Vor kurzem hat er mir auch eine Ruger gekauft. Die eine Welt bricht zusammen, während eine neue entsteht. Obwohl ich ein friedfertiger Mensch bin, weiß ich, dass wir vielleicht eines Tages schießen müssen, um zu essen, oder, Gott bewahre, um unser Haus zu verteidigen. Ich lerne mit Waffen umzugehen.

Die alte Welt, die Welt vor 2019, zeigt ein Bild der Verwüstung und des Gemetzels.

Die alte Welt, die ich zurückgelassen habe und die mich zurückgelassen hat, ist keine Post-Covid-Welt.

Es ist eine Post-Wahrheits-, eine Post-Institutionen-Welt.

Die Institutionen, die eine Welt stützten, so wie sie einst – als ich diese Kartons 2019 packte – existierte, sind alle zusammengebrochen; durch eine Flut an Korruption. Ich blicke heute auf diese Institutionen, so wie Persephone ohne Bedauern auf Hades zurückgeblickt hat.

Ich lebe bereits in einer neuen Welt – eine Welt, die die meisten Menschen noch nicht erkennen, weil sie noch erdacht und aufgebaut wird – mühsam, mutig, eifrig. Diese neue Welt ist mein Zuhause, auch wenn sie derzeit mehr konzeptionell und spirituell als materiell und politisch existiert.

Wer lebt sonst in dieser neuen Welt?

Mein Mann, der keine Angst hatte, für Amerika zu kämpfen, und der keine Angst hat, mich zu verteidigen.

Eine neue Konstellation von Freunden und Verbündeten, die entstand, als diese Kartons eingelagert waren, und die darin versiegelte alte Welt vor Fäulnis zusammenbrach.

Ich arbeite und feiere jetzt mit Menschen, die ihr Land ehrlich lieben.

Lebenserfahrungen verbinden die Menschen hier, nicht ihr sozialer Status – sie kommen aus allen Gesellschaftsschichten, aus jeder „Klasse“, und sie achten kaum oder gar nicht auf Status- oder Klassenmerkmale. Es ist nicht die Politik, die sie eint. Was sie eint, ist ihr toller Charakter und ihr leidenschaftliches Engagement für Freiheit, für die Ideale dieser Nation.

Seltsamerweise habe ich jetzt, wo ich im republikanischen, lila bis roten, ländlichen Amerika lebe, das meine alten „Leute“ – die Eliten der republikanischen, blauen, Staaten, – mit Argwohn und Misstrauen betrachten, mehr persönliche Freiheit, als ich sie als Angehörige der privilegiertesten Klasse hatte. Diese verfügt nämlich nicht über das größte Privileg von allen, das der persönlichen Freiheit: Es ist eine Klasse, die ständig ängstlich und um ihren Status besorgt ist. Ihre Angehörigen suchen oft den Raum nach einem wichtigeren Gesprächspartner ab, und ihr kollektiver Verstand übt permanent eine subtile Kontrolle über die Mitglieder des „Stammes“ aus, sowohl gesellschaftlich als auch beruflich.

Mein früheres Elitenetzwerk bekennt sich zwar zur „Vielfalt“, aber demografisch ist es durch eine abstumpfende Gleichförmigkeit und Konformität geprägt, und auch unsere Weltanschauungen, unser Wahlverhalten, sogar die Schulen unserer Kinder und unsere Reiseziele waren immer gleich.

Im Gegensatz dazu geben die Menschen hier im Land der Republikaner einander die vermeintliche Erlaubnis, unterschiedlich zu sein, unzensiert ihre Meinungen zu sagen, frei zu sein.

Selbst meine Social-Media-Community entspricht nicht mehr der Welt, die ich 2019 hinter mir gelassen habe; ich habe nicht einmal mehr Zugang zu diesen Plattformen, weil ich extra super-duper gecancelt bin.

Aber möchte ich überhaupt noch an diesem Austausch teilnehmen? Der Diskurs der linken Elite, „meiner Leute“, erscheint mir heutzutage ängstlich und gleichgeschaltet, hasserfüllt und unnachgiebig.

Meine Online-Gemeinschaft besteht jetzt aus Leuten, von denen ich keine Ahnung hatte, dass es sie gibt – beziehungsweise wurde ich unbewusst darauf konditioniert, gegen sie und ihre Welt Vorurteile zu entwickeln und mich vor ihnen zu fürchten; ich habe jetzt Kontakt zu Menschen, denen Amerika am Herzen liegt, die an Gott oder an einen größeren Sinn in dieser Welt glauben, Menschen, für die Familie an erster Stelle steht, und die sich – wer hätte das gedacht – als sehr aufgeschlossen, zivilisiert und anständig erweisen.

Ich verbringe meine Zeit mit denjenigen, die ihre Dörfer und Gemeinden lieben, die sich für ihre Brüder und Schwestern, also die Menschheit, einsetzen, die ihr Leben riskieren, um das Leben von Fremden zu retten, und die sich für faktenbasierten Journalismus, wissenschaftlich fundierte Medizin und wissenschaftlich fundierte Wissenschaft interessieren.

In diesen Tagen chatte ich online mit Leuten, die mir ­– unmodern, aber schön – sagen, dass sie für mich beten.

Obwohl ich jeden Tag gegen die Apokalypse ankämpfe, bin ich doch viel glücklicher.

Ich will nicht mehr mit Leuten an einem Tisch sitzen, die sich Journalisten nennen, aber Schäden an Frauen dermaßen leugnen oder bagatellisieren, dass es kaum auszuhalten ist; die Pfizer und der amerikanischen Gesundheitsbehörde (FDA) einen Freibrief ausstellen, anstatt echte Fragen zu stellen.

Ich will nicht mehr mit Leuten an einem Tisch sitzen, die den Mord an Kindern, das Vergiften der Muttermilch, die Schädigung von Frauen – mit zwanzig verschiedenen Bezeichnungen in den Pfizer-Dokumenten, die alle auf Menstruationsschmerzen und die Zerstörung der Fruchtbarkeit hinauslaufen, – billigen. Ich möchte nichts anderes tun, als diejenigen strafrechtlich zu verfolgen, die viel Geld genommen haben, um die Schäden an Frauen als „Fortpflanzungsstörungen“ abzutun.

Diese Leute, „meine Leute“, die einst so gelehrt, so geistreich, so selbstbewusst, so moralisch, so privilegiert waren – die Leute einer elitären Welt, die in den Kisten von 2019 und früher enthalten ist –, hübsch anzusehen und mit gepflegter Sprache, entpuppten sich innerhalb weniger Jahre und dank ein oder zwei Koffer voll Bestechungsgeld als Monster und Barbaren.

Die restlichen Kartons hebe ich für ein anderes Mal auf. Es gibt keinen Grund zur Eile.

Die Institutionen, an die diese Kisten erinnern, sind tot, und vielleicht haben sie ja nie wirklich so existiert, wie wir dachten.

Die rot-lila-blaue Tischdecke kommt auf den Stapel „Waschen und für den weiteren Gebrauch aufbewahren“. Ich nehme sie mit nach Hause. Menschen, deren Ehre noch intakt ist, werden da mit uns am Tisch sitzen.

Dr. Naomi Wolf ist Bestsellerautorin, Kolumnistin und Professorin; sie ist Absolventin der Yale Universität und hat in Oxford promoviert. Sie ist Mitbegründerin und CEO von DailyClout.io.

Das Englische Original „Opening Boxes from 2019“ erschien online auf dem Blog von Dr. Naomi Wolf, übersetzt und gekürzt von Sophia-Maria Antonulas, Erstveröffentlichung in der Zeitschrift ViER.

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