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Glosse: Skandal! Precht hat Recht
Klaus Alfs

Glosse: Skandal! Precht hat Recht

Foto: Pexels, Efrem Efre

Der bekannte Philosoph Richard David Precht äußerte sich in einem Interview despektierlich über die amtierende Außenministerin. Viele halten das bereits für eine verfassungsschutzrelevante Delegitimierung der Baerbock 

Richard David Precht fällt vor allen dadurch auf, dass er es schafft, allein durch seinen Gestus die größten Plattitüden tiefsinnig erscheinen zu lassen. Ein Kritiker schrieb vor Jahren, dass die Türen, die Precht einrenne, immer schon sperrangelweit offenständen

Das hat viele Jahre lang reibungslos funktioniert. Der Mann hatte einfach ein Näschen, wenn es galt, sich den kurrenten Ideologien so anzubiedern, dass sie allen durch Verbildung Verblödeten als Weisheit letzter Schluss erschienen. Vermeintliche Großdenker wie Sloterdijk oder Safranski erblassten vor Neid, weil sie medial gegen Precht rüberkamen wie zwei Witzfiguren mit Sprachfehler und schnaufend stockender Diktion. Ihr Philosophisches Quartett wurde vom ZDF denn auch gnadenlos zugunsten von Precht abgesetzt. Sloterdijk schmollt womöglich noch immer.

Flachheit als Tiefe

Sagt Precht zufällig einmal etwas Gescheites, schiebt er sogleich einen möglichst großen Unfug nach, um das kosmische Gleichgewicht wieder herzustellen. Allerdings scheint sein sechster Sinn nachzulassen. So meinte er zu Beginn der „Pandemie“ zutreffend, dass Corona kein besonders hohes Risiko berge. Er ließ dann aber sofort Millionen Klimatote aufmarschieren, gegen welche die Coronatoten ein Klacks seien. Dass der reale Anteil an Toten durch Extremwetter dank Nutzung der geschmähten „fossilen Energie“ auf annähernd Null gesunken ist, kann ein Denker von seinem Format kognitiv einfach nicht verarbeiten. 

Er schien sich aber verrechnet zu haben. Denn er geriet durch seine „Coronaverharmlosung“ ungewohnt heftig in die Kritik. Auch in der Folgezeit vertrat er immer wieder Positionen, die zumindest nicht restlos der herrschenden Ideologie entsprechen. Fast scheint es, als sei ihm – wie einst Stan Laurel im Film A Chump in Oxford – ein Stein auf den Kopf gefallen, der ihn plötzlich gescheit machte. Nun hat Precht aber so gründlich danebengegriffen, dass er sich wünschen mag, einen weiteren Stein auf den Kopf zu bekommen, der ihn geistig wieder so abflacht, dass er unendlich tief erscheint.

„Man hält das Weib für tief – warum? weil man nie bei ihm auf den Grund kommt. Das Weib ist noch nicht einmal flach“, meinte Nietzsche einst. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen wären rein zufällig. Bevor Nietzsches Gesamtwerk verbrannt und das Nietzsche-Archiv in Weimar dem Erdboden gleichgemacht wird, hält ausgerechnet der Großmeister des Pseudotiefsinns dessen Fahne hoch und bezeichnet eine amtierende Außenministerin als „Unfall“ ! Da muss er sich nun hüten, dass er nicht zu einer Haftstrafe verurteilt wird, wie kürzlich Tim Kellner, der es gewagt hatte, Frau B.s kognitive Fähigkeiten infrage zu stellen. Womöglich würde sich Precht auf einer Stufe mit Michael Ballweg wiederfinden!

Vom Sonnyboy zum Staatsfeind

Ob er all das wirklich bedacht hatte, als er in einem Interview das mangelnde Fingerspitzengefühl der Außenministerin darauf zurückführte, dass sie auf internationalem Parkett unerfahren sei und dort so moralisch selbstgefällig agiere wie eine Klassensprecherin? Jedes Wort, das Precht hier sagt, ist so trivial wahr, dass darüber kaum ein weiteres Wort verloren werden muss. Über Wahrheit entscheidet heute aber trotz Musk noch immer die Twitteria. Wenn diese sich jemanden vorknöpft, hagelt es tausende Meldungen in den traditionellen Medien. Die „Gegenargumente“ sind jedoch der Rede nicht wert. Precht hatte ausdrücklich betont, dass die Tatsache, dass Baerbock eine Frau sei, keine Rolle spielt. Das nützt ihm natürlich gar nichts. So empört sich der Stellvertretende Chefredakteur der Zeit, Bernd Ulrich, stellvertretend: „Dürfen Männer jetzt wieder so über Frauen sprechen? Voller Verachtung und Selbstgerechtigkeit?“

Männer durften öffentlich schon seit langer Zeit so über Frauen sprechen, wie Precht es tut; genau wie Frauen schon lange so über Männer sprechen durften. Inkompetenz und törichtes Handeln dürfen in einem Rechtsstaat öffentlich angeprangert werden. Auch Außenminister wie Genscher oder Westerwelle wurden zum Teil heftig kritisiert, geschmäht und lächerlich gemacht. Warum das nun anders sein soll, bloß weil Baerbock eine Frau ist, wissen allein die Götter in Grün-Rot. Man erinnere sich nur an die vehemente Kritik an der US-amerikanischen Außenministerin Condoleezza Rice. Rice ist nicht nur eine Frau, sondern auch noch Afroamerikanerin. Sie sticht Baebock damit locker aus.

Die Schlacht um den Rechtsstaat scheint ohnehin vorerst verloren zu sein. Hat es unabhängig davon einen Reiz zu beobachten, ob „Houdini“ Precht es schafft, die Ketten abzustreifen, mit denen er versenkt werden soll? Bleiben Sie dran! Es wird so spannend wie ein aktueller Tatort. Prädikat: Als Einschlafhilfe besonders wertvoll.

Klaus Alfs ist ausgebildeter Landwirt und Soziologe. Er arbeitet als freiberuflicher Autor und Lektor in Berlin.

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