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„Tod auf Raten“: Warum niemand Schwedt rettet
Öl-Embargo

„Tod auf Raten“: Warum niemand Schwedt rettet

Fassade der Raffinerie in Schwedt.

Foto: PCK Raffinerie GmbH
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Die erfolgreiche Raffiniere PCK Schwedt steht vor dem Aus. Sie hat eigentlich keine wirtschaftlichen Probleme, ist aber aus politischen Gründen gefährdet. Die Bundesregierung hatte im Frühjahr 2022 wegen des Ukraine-Krieges beschlossen, kein russisches Öl mehr zu beziehen. Das hat die Raffinerie bisher über die „Druschba“-Leitung bezogen. Betrieben wurde sie vom russischen Konzern „Rosneft“, der aber enteignet werden soll. Eine Klage dagegen wurde jüngst vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig abgewiesen. Im Interview mit paul brandenburg: schwarz auf weiß spricht Peggy Lindemann vom PCK-Betriebsrat über die Situation und die Folgen.

Tilo Gräser: Frau Lindemann, wie sieht die Situation beim PCK heute aus? Was ist von dem, was Wirtschaftsminister Habeck voriges Jahr in Schwedt an Zukunftsperspektiven versprochen hat, heute übriggeblieben?

Peggy Lindemann: Momentan haben wir eine Auslastung von ungefähr 56 bis 58 Prozent. Das war vorherzusehen. Habeck hat uns versprochen, dass wir über Danzig Öl bekommen, was wir bis jetzt nur sporadisch erhalten haben, tröpfchenweise. Da liegt wohl noch ein Schiff, aber das wird nicht entladen. Woran das liegt, kann ich Ihnen nicht sagen. Da kann ich auch nur spekulieren. Man könnte den Eindruck bekommen, dass sie das boykottieren.

Das Öl-Embargo, das zu der ganzen Situation geführt hat, ist gegen Tanker gerichtet. Aus der Pipeline darf kein Öl aus Russland kommen. Dann soll aber das Öl mit Schiffen geliefert werden.

Das geht ja nur gegen russisches Öl. Das Öl in den Tankern ist nicht russisch, ist aber von Rosneft eingekauft. Das ist wohl der Haken. Wir wollten ja eine neue Pipeline bauen, das wurde auch nicht genehmigt. Jetzt haben wir nur die Möglichkeit, über Rostock Öl zu bekommen. Das sind die 56 bis 58 Prozent. Die Gelder, die uns Kanzler Olaf Scholz versprochen hat, die 400 Millionen Euro für die „Transformation“ vom PCK, die macht ja die Europäische Union nicht locker, weil sie sagt, die EU hat ja nicht die „Druschba“-Leitung sanktioniert. Demzufolge sehen sie nicht ein, warum sie uns dieses Geld für den Transformationsprozess geben sollen.

Zum Verständnis: Die Bundesregierung hat gesagt, wir machen das Embargo gegen Russland und nehmen kein russisches Öl mehr, weil die EU das beschlossen hat. Im EU-Beschluss heißt es aber nur, Tanker-Öl wird nicht genommen. Das Öl aus Pipelines wird genommen. Wissen Sie warum die Bundesregierung sagt, wir nehmen aber auch russisches Öl aus Pipelines nicht?

Ich vermute, weil Herr Scholz eben sehr Biden-nah ist. Man muss ja nur gucken, wem grad der Zustand nützt.

Nun hat Habeck bei seinen Auftritten hier in Schwedt im vergangenen Jahr das mit dem damals noch geplanten Embargo begründet. Es zeigt sich aber, dass dieses Embargo eigentlich gar nicht die Grundlage dafür hergibt. Wie hat die Belegschaft darauf reagiert?

Nicht so begeistert. Da waren sie noch ziemlich erbost darüber, dass sie uns sanktionieren. Ich bin persönlich der Meinung, dass wir uns nicht mehr schaden sollten als dem Land, gegen das die Sanktionen gelten. Und es war von vornherein abzusehen, dass das so nicht funktioniert. Zumal man ja auch gesehen hat, dass andere Länder in der EU bei diesem Embargo nicht mitgemacht haben, wie Ungarn, Tschechien und die Slowakei. Die hängen komplett am russischen Rohöl, die haben gar keine anderen Alternativen. Die haben gleich gesagt, sie machen da nicht mit. Also warum müssen wir dann mitmachen?

Im Grunde ist der Tenor, dass es den Leuten egal ist, welches Rohöl wir verarbeiten. Hauptsache, wir verarbeiten Rohöl. Sie würden sehr gerne weiter das russische Rohöl verarbeiten, weil wir damit noch nie Probleme hatten. Aber sie würden auch anderes Öl nehmen. Hauptsache, wir sind voll ausgelastet. Das ist eigentlich so der Grundtenor.

Ich denke, das ist ja auch gar nicht unser Krieg, warum wir da überhaupt so mit reingezogen werden. Aber sie können uns nicht die Lebensader abknapsen und uns dann nichts mehr zur Verfügung stellen, nach dem Motto: Jetzt seht mal zu, wie Ihr klarkommt. Das ist ein Problem. Das sehen auch alle Mitarbeiter: So funktioniert es nicht.

Sie haben die Auftritte von Habeck im Mai und Juni 2022 miterlebt. Was hat er dazu gesagt? Es gab ja entsprechende Vorschläge, auch aus der Belegschaft, eine Ausnahme zu machen. Was hat er darauf gesagt?

Ich habe ihm auch ein paar Fragen gestellt, wobei ich ihm erst mal ein paar Takte erzählt und dann die Fragen gestellt habe. Ich habe ihn an seinen Amtseid erinnert. Ob er sich daran noch erinnern kann, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden? Und da hat die Belegschaft tatsächlich auch geklatscht.

Er hat mir in meinen Bedenken immer Recht gegeben: Ja, wir schaden uns wahrscheinlich mehr, und Russland wird weiterhin sein Öl verkaufen an die Länder, die sich nicht an den Sanktionen beteiligen. Aber wir müssen in diesen sauren Apfel beißen. Die Grünen kommen halt immer mit diesen Argumenten: Da sterben eben Kinder. Das ist eben der Krieg, und da können wir uns jetzt nicht dran beteiligen. Und wir müssen dem Russen Schaden zufügen, egal wie wir letztendlich dastehen.

Was haben Sie ihm noch gesagt?

Eine Menge. Ich habe mich vorher schlau gemacht. Dass es auf dem Weltmarkt gerade kein Öl gibt, weil die Langzeitverträge haben über zehn, zwanzig Jahre. So schnell kann er kein Öl irgendwo herzaubern. Das ist nicht möglich. Auch die Tanker auf der Welt sind ausgebucht. Das funktioniert alles nicht so, wie er sich das vorstellt. Das habe ich ihm alles vorgerechnet. Und die Länder, wo wir vielleicht noch Öl kriegen würden, die haben wir vor Jahren auch sanktioniert. Venezuela zum Beispiel. Dann müsste man auch erstmal wieder die Sanktionen aufheben. Aber dann könnten wir gleich mal die Sanktionen gegen Russland sein lassen.

Habeck hat Ihnen den Berichten nach Jobsicherheit für die Zukunft versprochen. Was sind diese Versprechungen wert? Gibt es da irgendwas Schriftliches?

Es gibt nichts Schriftliches. Nein, wir haben nichts. Auf dieser Veranstaltung hier auf dem Platz der Befreiung hat Habeck Frau Fischer, einer Augenärztin, die sich auch engagiert hatte, per Handschlag was versprochen. Sie konnte ihm so einen Handschlag abringen, aber ganz ehrlich, selbst wenn wir was Schriftliches hätten, wäre ihm das doch egal. Eine Regierung, die unsere Gesetze von einer Nacht zur anderen ändern kann, interessiert doch so ein Papier nicht. Hier werden ja Gesetze über Nacht entschieden und beschlossen, um Rosneft zu enteignen, obwohl das gar nicht funktioniert. Und wenn ich mir Tesla angucke, die konnten auch bauen, obwohl sie noch keine Baugenehmigung haben. Dann könnten wir auch unsere Anträge kriegen, viel schneller, wenn sie wollen würden. Ich sehe, dass sie nicht wollen. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Aber die wollen das gar nicht.

Wir haben irgendwie eine Gehaltsgarantie oder so für zwei Jahre bekommen, für zwei Jahre eine Sicherheit. Das heißt aber nicht, dass ich Arbeit habe. Es heißt nur, dass ich Geld erhalte. Selbst wenn wir auf Kurzarbeit gehen, würden wir 100 Prozent bekommen. Diese Versprechen haben wir für zwei Jahre. Also für mich ist das ein Tod auf Raten.

Ich weiß, dass Habeck mal gesagt hat, er garantiere den Erhalt dieses Standorts. Selbst wenn aus dem PCK irgendwann ein Tanklager wird, erhält er ja den Standort. Wäre ja nicht mal gelogen. Dann würden hier noch zwölf Mann arbeiten. Aber wir hätten gerne alle unsere Mitarbeiter behalten und diesen Standort. Und er hat ja auch gedacht, dass hier so viele Leute und Firmen ansiedeln und diese ganzen grünen Projekte … Es passiert nichts, und kein Mensch wird hier Geld investieren.

Sie hatten mir im Vorgespräch gesagt, dass Sie von vornherein skeptisch waren, was die Versprechungen angeht. Warum?

Tatsächlich ist es schon so, seit unsere Regierung uns die Grundrechte wegen einem Schnupfen wegnimmt. Da hat es bei mir Klick gemacht: Hier stimmt irgendwas nicht. Und wenn man dann erst mal so kritisch wird und ein paar Sachen hinterfragt und eben nicht mehr alles als gegeben hinnimmt, dann kommt man nicht mehr zurück. Dann fängt man auch an, sich von diesen „Qualitätsmedien“ zu verabschieden und selber zu recherchieren und sich alternative Medien zu suchen. Und dann ergibt so einiges Sinn.

Eine technische Frage, Sie arbeiten ja im Labor: Ist es egal, wo das Öl herkommt oder hat das auch was mit der Qualität des Öls zu tun und dem, was daraus gemacht wird?

Es ist nicht egal. Die Öle sind unterschiedlich in ihrer Beschaffenheit und in ihrer Zusammensetzung. Das russische Rohöl ist sehr schwer und sehr schwefelhaltig. Unsere Anlagen sind auch ausgerichtet auf dieses Rohöl, das schon seit 60 Jahren hier verarbeitet wird. Mit diesen anderen Ölen, die viel leichter sind in ihrer Zusammensetzung, haben wir auch keine Chance mehr, zum Beispiel Bitumen herzustellen. Wir produzieren ein Drittel des Bitumens für ganz Deutschland. Das bricht ja jetzt weg. Jetzt kriegen deshalb die Straßenbauunternehmen Probleme. Das haben wir von Anfang an gesagt.

Gab es vorher schon Probleme für PCK Schwedt? Hat sich angedeutet, dass es schwierig werden würde, und dann kam nur der Krieg als Verstärker des Problems? Oder ist das tatsächlich erst durch diese politische Situation entstanden? 

Wir hatten mit Russland überhaupt noch nie ein Problem. Wir hatten mal für einen Moment, dass das Produkt sehr chlorhaltig war. Dass Putin uns da mal den Ölhahn zugedreht hätte oder so, das gab es nicht. Wenn, dann ist das immer von unserer Regierung ausgegangen. Angela Merkel wollte auch schon mal die Russen sanktionieren.

Die Probleme begannen also tatsächlich im Frühjahr 2022, als Außenministerin Annalena Baerbock sagte: „Wir werden Öl aus Russland bis auf Null fahren.“ Warum ist Schwedt, warum ist das PCK so wichtig?

Bis vor einem Jahr hätte ich gesagt: Wir sind unglaublich wichtig und ohne uns funktioniert hier überhaupt nichts, weil neun von zehn Autos in Berlin und Brandenburg mit unserem Sprit fahren. Und teilweise liefern wir nach Mecklenburg-Vorpommern und nach Polen und haben bis jetzt auch einige Waren in die Schweiz und nach Österreich verkauft. Mittlerweile bin ich da schon ein bisschen nüchterner geworden, weil das durchaus funktionieren kann, wenn die anderen Anlagen in Westdeutschland ihre Produktion einfach hochfahren und auch die Anlagen in Polen hochfahren und man den Rest einkauft, wie man jetzt ja den Diesel in Indien einkauft. Dann kann man uns durchaus ersetzen. Ich denke, das würde funktionieren.

Was passiert hier in der Region, wenn das PCK zumachen muss?

Dann wird hier wieder Wüste. Schwedt ist ja eigentlich um das PCK herum gebaut worden. Das war wohl im Zweiten Weltkrieg ganz schön zerbombt. Hier gab es, soweit ich weiß, nur Tabakanbau. Also hier existierte weit und breit nicht viel. Dann hat man hier das PCK hingebaut und es wurden die ganzen Plattenbauten aus dem Boden gestampft. Wir hatten zu unseren besten Zeiten 50.000 Einwohner. Jetzt sind wir knapp 30.000, haben aber die ganzen Dörfer und die ganzen Gemeinden im Umfeld eingemeindet, damit wir überhaupt auf diese Summe kommen. So hat Schwedt auch ein Theater und ein großes Einkaufscenter. Das haben ja sonst nur Kreisstädte gekriegt. Aber wir hatten das Privileg, dass wir eben hier das PCK hatten.

In weiterer Folge werden die jungen Menschen mit Familie wegziehen und wir bräuchten auch keine Schulen mehr, dann würden die Lehrer wegfallen. Das Theater wird mitfinanziert vom PCK, das kann sich alleine nicht halten. Das gilt auch für die Sportvereine. Also dann ist das alles weg. Dann ist hier Wald und Wiese und die Rentner vielleicht noch. Man sagt jetzt schon: „Wir sind eine Rentnerstadt.“ Die können nicht mehr weg. Die sind hier verwurzelt. Aber der Rest wird sich verdrücken. Die Kaufkraft fällt weg und PCK ist mit seinen 1.000 Mitarbeitern plus circa 3.500 Mitarbeitern von Fremdfirmen, die auf unserem Gelände angesiedelt sind, der kaufkraftstärkste Trupp hier. Aber wenn die wegbrechen …

Bei uns ist es ja auch so, dass unser Kraftwerk uns mit Strom versorgt, weil wir die ganz schweren Sachen aus dem Rohöl verbrennen und dadurch Dampf und Strom erzeugen und noch ins Landesnetz einspeisen. In Schwedt wird auch sehr viel mit dieser Fernwärme geheizt, die ganzen Plattenbauten. Also so schnell können die nicht umrüsten. Wie soll denn das funktionieren?

Wie gehen die PCK-Beschäftigten damit um? Sie sind ja Mitglied des Betriebsrates. Wie ist die Lage?

Leider muss ich Ihnen sagen: Zu ruhig. Die nehmen das so hin. Am liebsten würde ich mal mit einem Psychologen sprechen, um herauszufinden, was da nicht in Ordnung ist mit den Leuten, warum die alles so hinnehmen.

Haben Sie eine Erklärung dafür?

Angst. Dann verfallen ja viele Leute in so eine Schockstarre. Und dann eben diese irre Hoffnung. Einige glauben tatsächlich unserer Regierung: „Die werden sich schon kümmern, die werden das schon machen. Die haben uns das ja versprochen. Jetzt warte doch mal ab“, sagen sie mir dann, „jetzt sei doch nicht immer gleich so negativ.“ Ich sage, in zwei Jahren brauchen wir nicht mehr auf die Straße gehen, wenn das Ding hier tot ist, wir müssen jetzt was machen. Aber die glauben diesen Versprechungen. Gut, jetzt haben sie auch schon mitgekriegt, dass die Leitung nicht kam, jetzt kommt das Öl nicht und wir kriegen keine Fördergelder. Jetzt dämmert es einigen: „Okay, vielleicht wurden wir doch ein bisschen verscheißert. Vielleicht ist da doch ein anderer Plan dahinter.“ Aber im Grunde glauben die immer noch, irgendwie wird es schon gehen. Irgendeiner wird sie schon retten, einer kommt uns erlösen.

Was haben Sie mit den Medien erlebt im Zusammenhang mit den PCK-Problemen? Ein Blick in die Berichte zum PCK zeigt, dass meistens nur die Sicht der Regierung wiedergegeben wird, viele Zitate von Habeck, kaum welche von den Beschäftigten. Wie haben Sie das selber erlebt?

Sobald wir uns irgendwie anders äußern sind wir sofort die „Russen-Freunde“, die „Russen-Versteher“ und „Putin-Versteher“. Und wir verstünden eben nicht diesen Krieg. Da muss ich aber sagen, wenn man so ein bisschen in die Geschichte guckt, dann hat der Krieg ja eben nicht erst jetzt angefangen. Der läuft ja schon eine ganze Weile, und er wurde sehr stark provoziert. 2014 wurde darüber ganz offen im Bundestag debattiert. Da hatte auch noch Gregor Gysi gesagt, was für ein faschistischer Staat die Ukraine ist. Aber das haben die alle vergessen. Jetzt fängt es noch mal von vorne an, und jetzt ist der Russe der Feind. Das passt eben so schön ins Bild. Und man muss eigentlich immer nur sehen, wem nutzt es, wem nutzt gerade die Situation. Mehr muss man nicht machen.

Selbstständiges Denken wurde uns aber abtrainiert. Viele haben da auch keine Lust drauf. Ich habe das ja selber gemerkt. Die wollen das gar nicht wissen. Und es war ja bei Corona schon so. Ich wollte da auch noch ein paar Leute „retten“, oder zumindest ein bisschen so weit kriegen, dass sie sich mal die andere Seite anhören, um sich wirklich eine eigene Meinung zu bilden. Wenn sie sich dann immer noch so entschieden hätten, na gut, dann hatten sie aber die Chance, sich noch mal anders zu informieren. Aber selbst das haben sie nicht. Es hieß nur, ich soll aufhören, ich sei die Irre.

Wie sieht aus Ihrer Sicht die Perspektive angesichts der Entwicklung aus?

Ich hoffe immer noch auf ein Wunder: dass die „Druschba“-Leitung wieder aufgemacht wird. Aber ich sehe leider, dass Deutschland deindustrialisiert werden soll. Das habe ich ja auch dem Herrn Scholz vorgeworfen, als er im September 2022 hier war, dass die ganzen Firmen durch seine Sanktionspolitik abwandern. Und Strom und Gas nicht mehr bezahlbar sind. Die gehen ja klammheimlich, anstatt zu kämpfen. Deswegen werfe ich allen Unternehmern vor: Jetzt bleibt doch hier und kämpft, macht doch mal den Mund auf und sagt, dass es so nicht weitergehen kann! Aber die gehen einfach. Andererseits nehmen die auch die ganzen Steuern mit, die sie hier gezahlt haben. Das PCK zahlt Unmengen an Steuern, das sind Millionen, die brechen dann auch weg. Wie denkt Scholz sich das? Will er wirklich hier einen Agrarstaat schaffen? Was soll das werden? Aber da eiert er ja auch bloß rum.

Das Ganze wird mit dem Ukraine-Krieg begründet. Wie sehen Sie das? Wie sieht die Belegschaft das? Spielt das eine Rolle?

Ja, da kann ich Ihnen sagen, da haben wir wirklich Mitarbeiter, die haben da vollstes Verständnis dafür und die würden auch eher das Öl kappen, als den Putin zu unterstützen. Das ist unbegreiflich. Das sind halt eben auch die, die sich nicht wirklich informieren, die nur das, was sie in den Nachrichten hören, nachplappern.

Ein polnischer Ölkonzern, Orlen, hat Interesse an PCK, wurde berichtet. Macht die Bundesregierung das, was sie nicht machen müsste nach EU-Regeln, weil sie dem polnischem Druck nachgibt?

Ich weiß, dass Orlen Interesse hat. Ich kenne einige, die sagen, das kann uns nicht schaden. Polen ist ja auch von uns abhängig. Wir liefern viel Sprit nach Polen – viel Sprit. Ich persönlich habe da Bauchschmerzen. Jetzt wollten sie uns über Danzig beliefern und dabei haben sie so viele Bedingungen daran geknüpft, bis zum Ausschluss von Rosneft. Ich denke, wir haben noch gar nicht miteinander gearbeitet und jetzt werden tausend Bedingungen gestellt. Die Russen haben uns nicht eine gestellt und haben uns 60 Jahre lang beliefert, ohne mit der Wimper zu zucken, egal, wie die geopolitische Situation war. Und die war ja zwischendurch katastrophal. Und trotzdem haben die immer weiter geliefert. Die Polen sind noch gar nicht drin und stellen schon Bedingungen.

Diese Situation, dieser Untergang von PCK, der da droht und sich abzeichnet, wenn nicht ein Wunder geschieht, wie Sie sagten, erinnert mich an die Folgen der Deindustrialisierung der DDR ab 1990. Was hatte Schwedt damals erlebt? Haben Sie das schon mitbekommen?

Also so persönlich nicht. Da war ich noch ein bisschen jung, da war ich zehn oder elf Jahre. Später, als ich im PCK gelernt habe, haben viele erzählt, wie es war, weil das ja ein einschneidendes Erlebnis darstellt. Den Leuten wurde damals Angst gemacht und viele haben freiwillig gekündigt, weil sie dachten, sie suchen sich lieber gleich was Neues, bevor nachher alle auf der Straße sitzen und alle einen neuen Job suchen. Die haben das aber teilweise auch bereut, weil sie dann nie wieder die Chance hatten, einen Fuß ins PCK zu setzen. Ja, das war schlimm. Es war auch so, dass durch die Angst dieses Konkurrenzdenken untereinander sehr stark war. Die haben sich dann gegenseitig angeschwärzt beim Chef und haben dafür gesorgt, dass die Leute entlassen wurden. Hauptsache, sie haben selbst ihren Job behalten. Das war eine Katstrophe.

Wenn das Wunder, auf das auch Sie hoffen, nicht kommt, welche Perspektive haben Sie? Was machen Sie dann?

Ich persönlich gehe in die Politik. Ich mische hier ein bisschen das Land auf. Ich habe gar keine andere Wahl. Also das mache ich so oder so, weil ich hier Handlungsbedarf sehe.

Bei welcher Partei?

Bei der AfD. Das Volk hat die Macht. Davon bin ich überzeugt. Die Macht geht vom Volke aus. Aber dieses Volk ist lahm geworden und müde und politikverdrossen. Das war ich auch noch vor ein paar Jahren, muss ich ehrlich gestehen. Das hat sich geändert.

Durch was?

Durch die Corona-Krise.

Viele gehen ja weg, aus der Stadt, aus dem Land.

Da hätte ich tatsächlich auch Ambitionen. Aber da ich drei Kinder habe und die ja auch noch einen Papa haben, wäre das wohl nicht so einfach. Wenn die mal auf eigenen Füßen stehen, könnte ich es mir vorstellen.

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