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Und täglich grüßt Erdoğan
Türkei

Und täglich grüßt Erdoğan

Foto: Pixabay/LoggaWiggler

Nach einer nervenaufreibenden Stichwahl um das türkische Präsidentenamt steht Erdoğan vor seiner dritten Amtszeit.

In der ersten Runde der Präsidentschaftswahl hatten weder der bisherige Amtsinhaber Recep Tayyip Erdoğan noch der Oppositionsführer Kemal Kılıçdaroğlu die absolute Stimmenmehrheit erreicht. Darum kam es am 28. Mai zur ersten Stichwahl in der Geschichte der Türkei. Erdoğan geht mit rund 52 Prozent erneut als Sieger hervor. Das Zünglein an der Waage könnten die Stimmen des Drittkandidaten Sinan Organ gewesen sein, der sich nach dem ersten Wahlgang am 14. Mai für Erdoğan ausgesprochen hatte.

Hupend und Fahnen schwingend feiern Erdoğans Anhänger am Wahlabend in den Straßen von Ankara. Eine Mehrheit steht nach wie vor hinter dem konservativ-religiösen Kurs des AKP-Vorsitzenden. In Deutschland kam er sogar auf 67 Prozent der Stimmen. Derweil sind die Befürworter des sozialdemokratischen Oppositionskandidaten Kemal Kılıçdaroğlu schwer enttäuscht. Zum ersten Mal seit zwei Jahrzehnten schien ein politischer Kurswechsel realistisch. Große Hoffnungen waren damit verbunden. Nicht zuletzt ein Ende der ökonomischen Rezession in der Türkei. Die Inflationsrate liegt derzeit bei rund 43 Prozent und in den vergangenen fünf Jahren hat die türkische Lira gegenüber dem Dollar ganze 80 Prozent an Wert verloren. Die steigenden Inflationszahlen haben die Menschen ausgelaugt und die sozialen Gräben vertieft. Vor allem junge Wähler klagen über fehlende Lebensperspektiven in der Türkei und wollen auswandern.

Auf weitere Distanz zu den USA?

Stand Erdoğan einmal für Fortschritt und Wachstum, ist er heute in den Augen vieler nur mehr ein Autokrat, der seine Bürger wirtschaftlich ausbluten lässt, während er sich mit antidemokratischen Mitteln an der Macht hält. Seine Gegner werfen ihm vor, sich mit Einführung des Präsidialsystems 2018 die politische Vorrangstellung gesichert zu haben, in dem die Gewaltenteilung praktisch ausgehebelt wurde. Sie sind empört über den aggressiven Umgang mit Regierungskritikerin und darüber, wie Erdoğans Diskurs die Medien dominiert. Auch wird kritisiert, zu wenig für Bildung und Umwelt getan und stattdessen die Islamisierung vorangetrieben zu haben.

Doch wäre ein Schwarz-Weiß-Denken zu einfach. Ob Kılıçdaroğlu ein Retter von Demokratie und Freiheitsrechten gewesen wäre, wie deutsche Leitmedien propagieren, ist fraglich. Er steht für eine WEF-nahe und westlicher ausgerichtete Außenpolitik als Erdoğan, der auf gute Beziehungen zu den BRICS-Staaten setzt. Kılıçdaroğlus Wahlsieg hätte vielmehr bedeutet, vom Regen in die Traufe zu kommen, sagen unabhängige Beobachter. Mit Erdoğan erneut an der Macht ist eine weitere Distanzierung zu den USA anzunehmen. Kurz vor dem ersten Wahlgang sagte der amtierende Präsident auf einer Kundgebung in Ankara laut Medienberichten: „Biden hat den Befehl gegeben, Erdoğan zu stürzen, das weiß ich. Alle meine Leute wissen das.“

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