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Roger Waters begeistert Publikum in Berlin
Konzert

Roger Waters begeistert Publikum in Berlin

Bühnenbild beim Konzert von Roger Waters

Foto: Eugen Zentner

Es war kein gewöhnliches Konzert: In Berlin sorgte Pink-Floyd-Gründer Roger Waters für spektakuläres Infotainment – mit emotional-energischer Musik und kritischen Politbotschaften.

Was wurde im Vorfeld nicht alles geschrieben über Roger Waters’ „This is Not a Drill“-Tour: Er nutze die Bühne für Propaganda und antisemitistische Äußerungen, verbreite Hetze und Verschwörungstheorien. Wer sich davon beeinflussen ließ, verpasste in der Berliner Mercedes-Benz Arena eine grandiose Show. Der Pink-Floyd-Gründer hat bewiesen, dass er mit knapp 80 Jahren noch immer ein begnadeter Musiker und Entertainer ist. Waters wechselte von der Gitarre zum Klavier, sang mal mit Körpereinsatz, mal in ruhiger Tonlage. Er ließ sich feiern und flirtete mit dem Publikum, durchstreifte die Bühne in alle Richtungen und erzählte Anekdoten zwischen den Stücken.

Musikalisch war eine gewisse Dramaturgie zu erkennen. Dominierten im ersten Teil eher energische Songs, wurden sie nach der für Rock-Konzerte ungewöhnlichen Pause immer sanfter – und Waters immer emotionaler. Nicht fehlen durften Klassiker wie „Another Brick in the Wall“ oder „Wish You Were Here“. Der Rock-Veteran spielte aber auch frische Songs, Stücke, die er unter anderem in der Corona-Zeit schrieb. Beinahe wichtiger als die Musik war jedoch die Bühnenshow, die das Konzert zu einem Gesamtkunstwerk machte, zu einem Infotainment der Superlative. Als die riesige Leinwand in Kreuzform sich erhob, erleuchtete die Mercedes-Benz Arena in allen Farben. Um die Bühne bildeten sich immer neue Lichtfiguren, während auf dem gigantischen Bildschirm Videoaus- und -zusammenschnitte abliefen. Hinzukamen die vielen Erklärungen oder Botschaften in schriftlicher Form, die teilweise wie bei einem Newsticker Runden drehten.

Die Leinwand diente als Projektionsfläche für Waters’ Kritik, die erahnen lässt, warum er medial so unter Beschuss geraten ist. Was ihm missfällt, ist der Machtmissbrauch herrschender Eliten, die für Ungerechtigkeit sorgen. Auf sie wiesen die vielen Videos und Botschaften hin. Erwähnt wurde unter anderem die Inhaftierung Julian Assanges, der Kriegsverbrechen der USA aufgedeckt hatte. In einer anderen Sequenz erschienen auf dem Bildschirm die Porträts von Opfern sozialer, politischer oder rassistischer Diskriminierung, von Sophie Scholl bis George Floyd. Wer Waters vorher nicht gut gekannt hatte, musste feststellen, dass der Musiker das Herz auf dem rechten Fleck hat. In seinen Botschaften war nichts Antisemitisches, wie oft behauptet wird, nichts Verschwörungstheoretisches oder Propagandistisches. Was er macht, ist nichts anderes, als den Finger in die Wunde zu legen und auf die Missstände hinzuweisen. Er ist genauso gegen Militarismus und Krieg wie gegen Faschismus und Kapitalismus. All dem solle man sich widersetzen, hieß eine der Botschaften.

Waters steht zu seiner Haltung, selbst wenn ihm heftiger Gegenwind entgegenbläst. Wenige Minuten vor Show-Beginn erklang seine Stimme, um ein klares Statement zu setzen: „Solltet ihr zu den Leuten gehören, die zwar Pink Floyds Musik gut finden, aber Roger Waters politische Einstellung ablehnen, dann “fuck off and go to the bar”. Also: Verpisst euch und geht zur Bar. Die Bar fungierte auf dem Konzert als eine Art Leitmotiv. Immer wieder kam sie zur Sprache, vor allem in dem gleichnamigen Song, der 2021 entstand. Darin wird das Gefühl der Scham beschrieben, das Besucher beschleicht, wenn sie in einer Bar alleine trinken und frustriert darüber sind, in einer zooartigen Welt zu leben. Waters hat das kommentiert: Die Bar könne als ein Ort betrachtet werden, in der Menschen komfortabel ihre Ansichten austauschen können. Die Mercedes-Benz Arena sollte diesen Ort darstellen, weshalb sich Waters zum Schluss mit seinen Background-Musikern auf der Bühne demonstrativ einen Shot genehmigte.

Das Publikum applaudierte und bedankte sich bei Waters immer wieder mit Zurufen für dessen politisch-gesellschaftliches Engagement. Dafür, dass die Konzerte des Pink-Floyd-Gründers seit Monaten medial madig gemacht werden, fiel das Interesse an seinem Auftritt gewaltig aus. Es sind gar nicht so wenige Menschen, die seine Ansichten teilen. Vor der Arena fand sogar eine Aktion der Initiative „Artists Welcome to Germany“ statt. Das Motto lautete „Kunst- und Meinungsfreiheit“. Ausgestellt wurden nicht nur Bilder von Roger Waters, sondern auch Texte von und über ihn. Dessen Kritiker protestierten dieses Mal nicht vor der Arena.

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