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Prigoschin, Medwedew und der „Tag des Sieges“
Russland

Prigoschin, Medwedew und der „Tag des Sieges“

Sowjetisches Ehrenmal im Treptower Park in Berlin (Detail).

Foto: Sophia-Maria Antonulas

Die Schlacht um Bachmut steht vor der Entscheidung. Die ukrainische Offensive wird jeden Tag erwartet. Am Vorabend des russischen „Tages des Sieges“ gaben sowohl der Chef der Wagner-Truppe als auch Vertreter des russischen Sicherheitsrates Statements ab.

Das rechte Ufer des Dnjepr im Gebiet Cherson und die östlichen Teile des Gebietes Charkow konnte die ukrainische Armee mit Leichtigkeit zurückerobern. Die russischen Truppen hatten sich aufgrund geringer Mannstärke und fehlender Verteidigungsstellungen weitgehend kampflos zurückgezogen.

Nun ist die Situation anders, die von der Nato kommandierten Ukrainer werden voraussichtlich auf massiven Widerstand stoßen. Einige Stimmen aus den USA und des ukrainischen Regimes haben zuletzt vor zu großen Erwartungen gewarnt – weil die ukrainische Armee zu schwach ist oder um bewusst tiefzustapeln?

Prigoschin gegen Militärführung

Erneut hatte Jewgeni Prigoschin, Chef der russischen Söldnereinheit Wagner, öffentlich kritisiert, dass seine Kämpfer nicht ausreichend Munition bekämen – und mit einem Abzug aus Bachmut gedroht. Er hatte dabei auch den Verteidigungsminister und den Armeechef beschimpft und das privilegierte Leben von ihnen und ihren Kindern angeprangert. Prigoschin hatte schließlich erneut Munition bekommen, die Wagners kämpfen weiter in Bachmut und kontrollieren angeblich bereits 95 Prozent der Stadt.

Interessant ist aber, dass in den westlichen Mainstreammedien die Kritik von Prigoschin an der russischen Militärführung verkürzt berichtet wurde. Nach seinen schwerwiegenden Anschuldigungen ist die russische Armee im Wesentlichen unorganisiert, unausgebildet, undiszipliniert und demoralisiert. Es gäbe keine wirkliche Führung und das Verteidigungsministerium lüge systematisch über die Geschehnisse auf dem Schlachtfeld.

Russland hätte alles, was es braucht, um schnell und entschlossen zu gewinnen, aber „die Führung“ halte die Ressourcen absichtlich von den Akteuren fern, die sie brauchen – weil die russischen Eliten immer noch auf einen Ausgleich mit dem Westen orientiert seien und geheime Verhandlungen führen würden. Prigoschin sprach wörtlich von „politischer Sabotage“ und „Verrat“ und warnte, dass Russlands Verteidigung nicht halte, wenn die Soldaten nicht mit Nachschub versorgt würden. Außerdem verhindere die Bürokratie, dass die Kommandeure an der Front sich schnell an die Notwendigkeiten anpassen könnten. Die mangelnde Entscheidungsfreiheit und das Warten auf Befehle von weit her können Hauptgründe dafür sein, dass die Kiewer Gegenoffensive eine Chance habe, dramatische Umwälzungen zu bewirken.

Die ukrainische Gegenoffensive sei unausweichlich und Prigoschin nannte als möglichen Zeitpunkt den 9. Mai – den russischen Tag des Sieges. Kiews Soldaten könnten, so Prigoschins Informanten, weit vorstoßen. Russland stehe am Rande einer Katastrophe. Es müsse schnell gehandelt werden. Die staatliche Propaganda müsse durchbrochen werden: „Das russische Volk muss es wissen, denn es wird dafür mit Blut bezahlen müssen. Die Bürokraten werden einfach in den Westen fliehen. Sie sind diejenigen, die Angst vor der Wahrheit haben.”

Medwedew zum Bandera-Nazismus

Ob Prigoschins Worte die Wahrheit, verantwortungslose Panikmache oder eine Maskirovka, also ein Täuschungsmanöver sind, wird unter russischen Militärbloggern unterschiedlich bewertet. Das offizielle Russland trat währenddessen angesichts des „Tages des Sieges“ optimistisch auf.

Während in Berlin, das 1945 durch sowjetische Truppen von den Nazis befreit wurde, zum Jahrestag das Zeigen russischer und sowjetischer Fahnen verboten wurde, schrieb Dmitri Medwedew, ehemaliger russischer Präsident und aktuell stellvertretender Vorsitzender des russischen Sicherheitsrates, am Vorabend des 9. Mai auf Twitter, Russland werde Europa vom Bandera-Neonazismus befreien: „Ich erinnere die Bürger der Länder, die sich jetzt im Krieg gegen Russland befinden, daran, dass mehr als eine Million sowjetische Soldaten ihr Leben für den Frieden und die Freiheit vom Faschismus in Europa gegeben haben. 600.000 Sowjetbürger starben bei der Befreiung Polens vom Faschismus; 380.000 gaben ihr Leben bei der Befreiung der Tschechischen Republik und Ungarns, über 100.000 befreiten Deutschland.“

Die aktuellen europäischen Staaten und ihre „erbärmlichen“ Staats- und Regierungschefs hätten ein kurzes Gedächtnis, aber Russland werde sich immer an die Helden des Zweiten Weltkriegs erinnern. Medwedew betonte: „Unser Land hat 1945 den Faschismus ausgerottet. Haben Sie keinen Zweifel: Im modernen Europa werden wir den abscheulichen Bandera-Neonazismus vernichten, den die Erben des Dritten Reiches in der EU so hochhalten. Im Namen der Erinnerung an unsere Väter und Großväter!“

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