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„Piano ist ein gefährliches Werkzeug“
Justiz

„Piano ist ein gefährliches Werkzeug“

Arne Schmitt nach der Verhandlung in Berlin.

Foto: Sophia-Maria Antonulas

Am Donnerstag, dem 27. April, fand am Amtsgericht Berlin die öffentliche Verhandlung gegen den „Klavierspieler“ statt. Ihm war von der Staatsanwaltschaft Berlin „schwerer Landfriedensbruch“ vorgeworfen worden.

Arne Schmitt ist vielen einfach bekannt als „der Klavierspieler“, weil er Demonstrationen gegen die Grundrechtseinschränkungen oft mit seinem Piano begleitete. So hatte er am 21. April 2021 bei einer Kundgebung im Berliner Tiergarten, auf der Straße des 17. Juni, ebenfalls sein Instrument dabei und damit musiziert. Die Veranstaltung fand im Zuge der Proteste gegen eine weitere Änderung des Infektionsschutzgesetzes statt, dem der Bundestag am selben Tag noch zustimmen sollte.

„Das Piano ist ein gefährliches Werkzeug,“ erklärte der junge Staatsanwalt in seinem Plädoyer. Er wurde zweimal von Zuhörern aufgefordert, lauter zu sprechen, da er so leise redete. Rund 60 Bürger waren im Saal anwesend und weitere 20 mussten draußen warten, weil der Raum für die vielen Interessierten zu klein war.

Gleich zu Beginn der Verhandlung wurden mehrere Videos gezeigt, in denen zu sehen war, dass sich der Flügel auf einer niedrigen Plattform befand, die bewegt werden konnte. Im Laufe der Protestveranstaltung hatten Polizeibeamte eine Polizeikette gebildet, um die Teilnehmer daran zu hindern, die Demonstrationsfreiheit wahrzunehmen. Und in den Aufzeichnungen war auch zu sehen, dass das Klavier sich langsam Richtung Siegessäule auf die Polizeibeamten zubewegte, die das Piano danach umringten und zur Seite schoben. Dabei zeigten die Videoaufnahmen ein äußerst brutales Vorgehen der Beamten der Einsatzhundertschaft gegenüber Dr. Heinrich Fichtner, ehemaliger Landtagsabgeordneter in Baden-Württemberg.

„Und wie es seit Ausrufung der Pandemie in Deutschland üblich war, ließ die Polizei Berlin auch damals den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit links liegen“, kommentiert Rechtsanwalt Gordon Pankalla das damalige Geschehen. Der Anwalt, der mit dem Fall vertraut ist, meint zu dem ursprünglichen Vorwurf des Staatsanwalts und der Entscheidung der Richterin: „Anstatt jetzt sein Fehlverhalten zuzugeben, hält sich der Staat weiterhin nicht ans Gesetz“.

Die Richterin selbst sprach zu Beginn der Verhandlung von einer „Corona-Leugner-Demo“.  Und wenn sie dem Vorwurf des schweren Landfriedensbruchs auch nicht übernahm, verurteilte sie Arne Schmitt doch wegen einfachen Landfriedensbruchs zu 70 Tagessätzen á 15 Euro und Zahlung der Gerichtskosten. Ihre Begründung: Die Grundstimmung auf der Demonstration sei „nicht nett“ und „aufgeheizt gewesen“ und Schmitt habe mit der Menge „lasst uns durch” skandiert, die Leute „aufgewiegelt“ und „dabei den Flügel als exponierte Stellung genutzt“.

„Es scheint, dass der Staat das überharte Eingreifen der Polizeikräfte während Corona nachträglich rechtfertigen will“, erklärt Pankalla, „indem er eine friedliche Protestaktion mit einem Flügel zum Landfriedensbruch hochstilisiert“. Das sei „lächerlich“ und seiner Rechtsauffassung nach „eine juristische Fehleinschätzung“. Und zu den Worten „Lasst uns durch“ meint Pankalla: „Wo ist denn da der Aufruf zur Gewalt? Wo ist die Bedrohungshandlung? Es war doch die Polizei, die die ganze Zeit eskaliert hat.“

Die Richterin immerhin sah im Gegensatz zum Staatsanwalt im Flügel „kein Tatmittel“ und hat der Forderung des Staatsanwalts, dass das Klavier, das sich seit mehr als zwei Jahren in Händen der Polizei Berlin befindet, beschlagnahmt bleiben solle, nicht nachgegeben. Arne Schmitt, der sich bei der Verhandlung selbst verteidigte und Freispruch beantragte, will „bis in die höchste Instanz“ gehen.

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