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Neue Mitmachpartei mit unkonventionellem Konzept
Ehemalige Bürgerbewegung

Neue Mitmachpartei mit unkonventionellem Konzept

Anton Strucki im Büro

Vor den Toren Berlins konstituiert sich eine Partei, die eigentlich keine Partei sein möchte. Dafür wartet sie mit einem neuen Gesellschaftsmodell auf. Jeder kann mitarbeiten.

Am 30. April 2023 haben die Mitglieder des Bundes für Freiheit und Humanität auf ihrer Bundesversammlung im brandenburgischen Gräben den Weg dafür freigemacht, dass aus ihrer Bürgerbewegung eine Partei werden kann. Vorsitzender der neuen Partei ist der Schweizer Anton Stucki (62). Der gebürtige Züricher lebt seit 40 Jahren in Deutschland, dem Herkunftsland seiner Mutter. Stuckis wichtigstes Anliegen ist es, Menschen in ihrem Selbstheilungsprozess zu begleiten, und das zuallererst im Bereich des Hörens. Diesem Anliegen ist der gelernte Kaufmann und Autor von „besser hören – leichter leben“ mit dem Naturschallwandler® seiner Firma MUNDUS auch geschäftlich verpflichtet.

Den Anlass, eine Partei zu gründen, gab Corona. Die Ideen dazu trug Stucki, der viele Jahre in Gemeinschaften und im intensiven Austausch mit unterschiedlichsten Menschen gelebt hat, aber schon lange in sich. Anfang 2020 begann er, der sich selbst als neugierig und lernfähig bezeichnet, diese zu Papier zu bringen. Sein Wunsch war und ist es, dazu beizutragen, Spaltung und Apathie zu überwinden, um ein friedliches Miteinander aufzubauen.

Im März 2021 stellte er seine Grundgedanken den Mitstreitern seiner Akademie für Selbstheilung vor, die mittlerweile im Bund für Freiheit und Humanität aufgegangen ist. Auch nach der offiziellen Gründung des Bundes am 21. Juni 2021 wurde die Frage, ob man eine Partei sein möchte oder nicht, kontrovers diskutiert. Am Ende entschied man sich dafür, obwohl eigentlich alle dagegen waren und es bis zum heutigen Tag sind. Aber man sah ein, dass es keine wirkliche Alternative zu einer Partei gibt, wenn man etwas bewirken will und bereit ist, die Konsequenzen des eigenen Handelns zu tragen. Diese Entscheidung war auch gelebtes Sowohl-als-auch anstelle des sonst üblichen Entweder-oder, das die neugegründete Partei überwinden möchte.

Verantwortung übernehmen

Die vorbereitenden Treffen von Stucki und seinen Mitstreitern fanden auch während der Pandemie statt, selbst zu Zeiten des Lockdowns. Von Anfang an war man bereit, auch selbst Verantwortung zu übernehmen. Also auch, wenn es zu einer Anzeige oder gar Strafe gekommen wäre, wie es der Partei Team Freiheit bei ihrer Gründung Anfang 2021 in Berlin-Prenzlauer Berg ergangen ist. Dazu kam es aber nicht.

Auch wollte man aus der Vergangenheit lernen. Beispielsweise vom Neuen Forum, der wohl bekanntesten Bürgerbewegung der DDR. Ein Teil des Neuen Forums ging später im Bündnis 90 und schließlich in der Partei Bündnis 90/Die Grünen auf. Auch von neuen Parteien wie Die Basis, der es an konkreten Inhalten fehle, aber vor allem an einem neuen Gesellschaftsmodell. Es fehle an einer entwickelten Antwort auf die Frage, wie unsere Gesellschaft leben und sich zusammenfinden soll und welchen Werten sie verpflichtet ist. Dazu gehören nach Stucki konkrete Konzepte für die Wirtschaft, Friedenssicherung, Ökologie, einen menschlichen Gesundheitsschutz und die Existenzsicherung der Menschen, wenn sie in Not geraten jenseits von Ideologie und nur allgemeinen Wunschformulierungen.

Echte Dezentralisierung als Lösung

Es herrsche große Unzufriedenheit im Land, so Stucki. Davon zeugen ganz aktuell die knapp zehn Prozent für die Bürger in Wut in Bremen. Wut sei aber keine Antwort, sagt Stucki weiter. Es gelte diese berechtigte Frustration in etwas Positives umzuwandeln. Die Lösung sieht Stucki in einer echten Dezentralisierung und zwar durch sogenannte 10er-Gruppen. Aus Erfahrung ist man zu der Überzeugung gekommen, dass zehn eine gute Größe sei. Denn zehn Menschen können sich mit der Zeit gut kennenlernen. Gleichzeitig bringen sie genug Vielfalt mit, um zu Lösungen für ihre Fragen zu kommen.

Im Land gibt es bereits 17 aus bis zu zehn Personen bestehende Gruppen, die sich über wichtige Themen austauschen – unter anderem zu den Themen Bildung, Gesundheit und Selbstversorgung. Alleine im Süden Brandenburgs, wo auch Stucki zu Hause ist, existieren elf dieser Zehnergruppen. Darüber hinaus gibt es Zehnergruppen im bayrischen Landau zu Themen wie Bildung, Gesundheit und Wirtschaft, in Solingen zu Energieversorgung und in Hohenlockstedt in Schleswig-Holstein zu Finanz- und Wirtschaftspolitik.

Niemand ist alleine

Am Anfang jeder Veränderung steht der einzelne Mensch, Frauen und Männer, die ihr Zukunftsbild formulieren, so die Grundidee. Allein indem man mit anderen Menschen darüber spricht, was man entwickeln, stärken und aufbauen möchte, kann etwas Wertvolles entstehen. Nämlich eine gemeinsame Kraft, eine Präzisierung der Gedanken und Gefühle. Darüber hinaus die Gewissheit, dass man nicht alleine ist – vielleicht das Wichtigste.

Wenn Menschen merken, dass ihre Meinung zählt und dass sie etwas bewirken können, kommen sie aus ihrer Apathie heraus und werden aktiv, so die Devise. Die Realität ist aber eine andere – noch. Das musste auch Stucki erfahren. So wurde unweit seines Wohnsitzes ein Kreisverkehr eingerichtet, den niemand wirklich braucht, der aber 100.000 Euro gekostet hat. Viel Geld für einen aufgemalten Kreisverkehr. Stucki geht davon aus, dass das Geld für Wichtigeres verwendet worden wäre, hätte man die Anwohner zuvor nach ihren Ideen gefragt.

Menschen entscheiden selbst

Ziel des Bundes für Freiheit und Humanität ist es, Menschen selbst entscheiden zu lassen. Das dafür entwickelte Modell der Zehnergruppe biete dazu ein enormes Maß an Freiheit und bilde gleichzeitig in der Zusammenführung der Gruppen eine große gemeinsame Kraft. Denn das zentrale Problem sei nicht, dass es Solche und Solche gibt, sondern dass einzelne mit ihren Ideen und Bestrebungen nicht akzeptiert werden, dass sie keinen Raum bekommen.

Jeder kann mitarbeiten und auch eine eigene Gruppe ins Leben rufen. Man muss dazu nicht zwingend Mitglied der Partei sein. Jeder soll seine Vorstellungen einbringen und andere dafür gewinnen. Dann beginnt sofort ein Gespräch und ein Austausch, und bald darauf setzt die Erfahrung der eigenen Selbstwirksamkeit ein. Also die Fähigkeit einer Person, auch in schwierigen Situationen den Gang der Dinge mitgestalten zu können, und das nicht nur lokal. Denn jede Gruppe kann einen Delegierten wählen, der sich mit Vertretern anderer Gruppen zum selben Thema austauscht. So will die Partei auch landesweit wirksam werden.

Zeigen, dass es geht

„Trennung und Abgrenzung führen in den Abgrund“, so Stucki. „Deswegen braucht es das freie Zusammenkommen der Menschen, und zwar im Sinne der Humanität, und nicht im Sinne der Zerstörung. Dies geht nur über Dezentralisierung und die Übernahme von Verantwortung.“ Stucki ist sich sicher, dass viele Menschen mitmachen und sich für ihre Themen engagieren werden. Dadurch würde schnell eine große Vernetzung stattfinden, so dass man rasch beginnen kann, erste praktische Projekte aufzubauen. „Es geht immer auch darum zu zeigen, dass es geht. Nur dann wird man nicht weiter an Modellen festhalten, die nicht funktionieren.“

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