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Nach dem Gerichtstag ist vor dem Gerichtstag
Der Fall Habig

Nach dem Gerichtstag ist vor dem Gerichtstag

Mahnwache für den Arzt Heinrich Habig vor dem Gerichtsgebäude.

Der Arzt Heinrich Habig steht wegen “Ausstellen falscher Gesundheitszeugnisse” vor Gericht. Der Prozess zieht sich in die Länge und birgt kaum Überraschungen. Am Freitag gab es jedoch eine Neuerung – allerdings außerhalb der Gerichtsräume.

Seit Anfang des Jahres wird am Landgericht Bochum zweimal die Woche dem Arzt Heinrich Habig der Prozess gemacht. Der Vorwurf: Ausstellen falscher Gesundheitszeugnisse in 589 Fällen. Insgesamt sind über 50 Verhandlungstage angesetzt, die jeweils von 9 bis 16 Uhr terminiert sind. Aktuell geht Rechtsanwalt Schmitz davon aus, dass sich der Prozess bis in den Spätherbst hinziehen wird. Am Freitag ging das Spektakel in die nächste Runde.

Neu ist, dass es nun an jedem Gerichtstag vor dem Landgericht Bochum eine Mahnwache geben wird. 50 bis 60 Menschen waren am Freitag gekommen, um zu zeigen, dass sie für Habig einstehen und seine sofortige Freilassung fordern. Mit Schildern, Bannern und T-Shirts wiesen sie friedlich auf dessen über ein Jahr dauernde Untersuchungshaft hin.

Das öffentliche Interesse steigt

Der Prozess startete mit vollbesetztem Haus. Die Menschen kommen mittlerweile aus ganz Deutschland, um zu schauen, was für eine Gerichtsshow sich am Bochumer Landgericht abspielt. An der zweiten Sicherheitsschleuse bildete sich eine lange Schlange. Die Menschen warteten bis zu 45 Minuten, um in den Gerichtssaal zu kommen.

In Erwartung eines von der Richterin Breywisch-Lepping in Aussicht gestellten Teilurteils war die Spannung groß. In Aussicht gestellt wurde, dass die Anwälte ihre Plädoyers halten und anschließend ein umstrittenes „Teilurteil“ erfolgt. Aber es kam ganz anders. Auf Antrag der Staatsanwältin Nina Linnenkamp las die vorsitzende Richterin zwei Stunden lang diverse Akteneinträge, bis der letzte im Saal mit dem Schlaf kämpfte. Die Aufmerksamkeit blieb trotzdem ungewollt hoch, da die Justizvollzugsbeamten das Publikum ermahnen wurde, sich äußerst ruhig zu verhalten.

Mitgefühl bei den Besuchern bleibt groß

Das Highlight war, dass die Prozessbeobachter beim Eintreten von Habig in den Gerichtsaal aufstanden und klatschten. Das machte einen der Beamten so wütend, dass er förmlich schrie: „Wir sind hier nicht im Zirkus“. Er vermittelte dabei einen äußerst rigiden und furchterregenden Eindruck. Auf Zwischenruf eines Besuchers, dass wir alle Menschen seien und uns menschlich verhielten, erwiderte er: „Doch wir sind im Zirkus, definitiv doch“.

Gegen Ende des Verhandlungstages lehnte die Richterin wieder drei Anträge des Rechtsanwalts Schmitz ab. Es sollten drei Sachverständige vorgeladen werden, die den Angeklagten entlasten. Darunter die Labormedizinerin Dr. Eberhardt, die zu der 100-prozentigen Genauigkeit des Antigen-Tests aussagen sollte. Auf ihr basiert die gesamte Anklagestrategie der Staatsanwältin Nina Linnenkamp. Die verlesenen Begründungen, warum kein Sachverständiger gehört werden darf, blieben sehr dürftig. Das Gericht ist der Ansicht, ca. 500 Zeugen anhören zu wollen, aber keinen einzigen Sachverständigen. Äußerst überraschend am Ende des Verhandlungstages war, dass der sonst eher durch pure Anwesenheit, aber nicht durch erkennbare Teilnahme am Gerichtsgeschehen glänzende Pflichtverteidiger Weyer einen Antrag stellte. Es wurde beantragt, Hendrik Streeck als Sachverständigen vorzuladen. Dieser könne über die Gefahr aussagen, die von Ungeimpften und Geimpften ausgehe, andere zu infizieren. Da es keinen Unterschied gebe, habe Habig in keiner Weise die Gesellschaft mit den ihm vorgeworfenen „Nicht-Impfungen“ gefährdet.

Vergessene Menschlichkeit

Rechtsanwalt Schmitz stellte nach Schluss der Verhandlung fest, dass er den Eindruck habe, die Menschlichkeit ginge vielen Beteiligten in diesem Verfahren verloren. Habig habe den Menschen, die sich in großer Not an ihn wandten, geholfen. Im Gegenteil zu anderen Ärzten nehme der Arzt sein Berufsrecht wahr, keine Vorschriften zu befolgen, die im Gegensatz zu seinem Berufsethos und zur Menschlichkeit stehen. Er habe Habig als Arzt aus Berufung mit viel Herz kennengelernt.

Wie geht es weiter?

Am Montag, den 19. Juni, ist der nächste Termin am Landgericht Bochum. Erwartet wird das Plädoyer der Verteidigung von Rechtsanwalt Schmitz. Das Plädoyer der Pflichtverteidiger wird dann eine Woche später am 27. Juni 2023 gehalten.

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