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Mit Lügen und Propaganda: Ukraine auf dem Weg in die EU
Mediengesetz

Mit Lügen und Propaganda: Ukraine auf dem Weg in die EU

Ostinstitut Wisamar - Tagung in Berlin

Foto: Endre Pápai

In Kiew wird von der EU geträumt und alles getan, um dazuzugehören. Doch das meiste davon scheint nur auf dem Papier zu stehen und eher Propaganda für den guten Eindruck zu sein.

Die Ukraine wurde im Juni 2022 von der Europäischen Union (EU) als Antwort auf den russischen Einmarsch zum „Beitrittskandidaten“ erklärt. Das habe in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht „die Tür nach Westen noch weiter auf- und die Tür nach Osten noch weiter zugemacht“. So sieht es Stefan Kägebein vom Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft, der sich darüber bei den „12. Wirtschaftspolitischen Gesprächen“ des Ostinstituts Wismar am Donnerstag in Berlin äußerte. Das Thema der Tagung war: „Die Ukraine auf dem Weg in die Europäische Union – und die Bedeutung Zentralasiens“.

Doch für die tatsächliche Mitgliedschaft gibt es noch allerhand zu tun, wie EU-Diplomat Dirk Schübel erklärte. Die Ukraine bekomme keine Sonderbehandlung und müsse ihre rechtlichen Normen und Gesetze vollständig an die Standards der EU anpassen und die „Kopenhagener Kriterien“ erfüllen.  Dazu gehören im politischen Bereich institutionelle Stabilität, demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, Wahrung der Menschenrechte sowie Achtung und Schutz von Minderheiten. Konkret heißt das laut Schübel, dass das die Ukraine 20.000 Gesetze und Vorschriften von der EU in ihre nationale Gesetzgebung umsetzen muss – 150.000 Seiten. Scheint eine unmögliche Aufgabe für ein Land im Krieg zu sein.

Rückschritt statt Fortschritt

Doch die Professorinnen und Professoren ukrainischer Universitäten und Vertreter der Politik wollten auf der Tagung die Gäste davon überzeugen, dass ihr Land auf dem besten Weg zur EU-Mitgliedschaft sei. Über das umfangreiche neue ukrainische Mediengesetz – seit März in Kraft – und die Vorgaben der EU zur Freiheit der Presse sprach Yuliia Zabuha, Professorin der Nationalen juristischen Jaroslaw-Mudry-Unniveristät Chariw. Sie stellte Veränderungen im Gesetz vor, die den negativen Einfluss der Russischen Föderation – die einen hybriden Krieg gegen die Ukraine führe – auf die Bürger der Ukraine verhindern sollen. Einige Medien würden nämlich Informationen verbreiten, in denen „die Ereignisse in der Ukraine nicht wahrhaftig beleuchtet werden“.

Es gebe im Medienbereich große Fortschritte beim Anpassen an die „Werte“ der EU, behauptete Zabuha. Das Gesetz wurde schon 2020 ins Parlament eingebracht. Auf dessen Grundlage wurde eine angeblich unabhängige Medienaufsichtsbehörde geschaffen, der Nationale Fernseh- und Rundfunkrat. Er soll unter anderem den Einfluss von Oligarchen beschränken. Dank der De-Oligarchisierung gebe es keine Einmischung der Oligarchen in die Arbeit der Medien mehr, so Zabuha.

Was für Kiew „ein großer Schritt in Richtung EU“ ist, ist aber selbst für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) „eher ein Rückschritt“. Für den Europäischen Jour­nalistenverband enthalte das Gesetz „viele Bestimmungen, die den europäischen Werten zuwiderlaufen“, so das Blatt. Ricardo Gutierrez, der Generalsekretär des Ver­bandes, habe es sogar als „der schlimmsten autoritären Regime würdig“ bezeichnet. Auch der Nationale Journalistenverband der Ukraine hält das Gesetz für „die größte Bedrohung für die Meinungsfreiheit in der unabhängigen Geschichte der Ukraine“ und meinte, es werfe „den Schatten eines Diktators“ auf Präsident Wolodymyr Selenskyj.

Gefahr für die Pressefreiheit

Das Gesetz weitet laut Medienberichten die Befugnisse des Nationalen Fernseh- und Rundfunkrats auch auf sämtliche Print- und Onlinemedien aus. Der Rat hat das Recht, Medien zu verwarnen, Strafen gegen sie zu verhängen oder sie sogar zu schließen. Ein Gerichtsurteil ist dazu nicht nötig. Als Maßstab soll ein Ethikkodex genutzt werden. Das Gremium ist offiziell unabhängig, faktisch aber nicht: Die Hälfte seiner Mitglieder wird vom Präsidenten ernannt, die andere Hälfte vom Parlament, in dem wiederum Selenskyjs Partei „Diener des Volkes“ die Mehrheit hat.

Bereits nach der ersten Lesung des Gesetzes am 30. August hatte laut der Medienfachzeitschrift „M“ die in New York ansässige internationale Journalistenvereinigung Committee to Protect Journalists (CPJ) das ukrainische Parlament aufgefordert, von dem Gesetzentwurf Abstand zu nehmen. Das neue ukrainische Mediengesetz, so Gulnoza Said, beim CPJ für Asien und Europa zuständig, ermögliche der Regierung, den Informationsraum zu kontrollieren und gefährde so die Pressefreiheit. „Und dies just zu einem Zeitpunkt, an dem die Bürger in besonderem Maße auf Informationen angewiesen sind.“

Ähnlich sieht dies auch Tetjana Kotjuschinska, Chefin der nationalen Assoziation der ukrainischen Medien, auf der Plattform gordonua.com: „Die Hälfte des Gesetzentwurfs zielt auf Änderungen und Ergänzungen zur Regelung der journalistischen Arbeit ab. Woraus besteht diese Hälfte? Aus Verboten und Einschränkungen“, so Kotjuschinska, die in dem Gesetz keine Annäherung an europäische Standards erkennen kann.

Willkür gegen sprachliche Minderheiten

Doch das kümmerte vor allem die ukrainischen Teilnehmer der Veranstaltung in Berlin wenig, die immer wieder betonten, ihr Land kämpfe für europäische Werte und brauche weiter jede Unterstützung. Es geht eben vor allem gegen Russland und alles Russische, wie Jura-Professorin Zabuha bestätigte. Nach ihren Worten dürfen Personen aus dem „Aggressorland“ keine Medien oder entsprechende Lizenzen in der Ukraine mehr besitzen. Auch die Inhalte werden kontrolliert: Niemand dürfe mehr die Ereignisse in der Ostukraine als „Bürgerkrieg“ oder das, was der Staat macht, „falsch“ darstellen. Und natürlich nicht die „Sichtweise des Aggressorlandes“ wiedergeben.

Ein Paragraf im ukrainischen Mediengesetzt legt laut dem Kanal TV21 in Ungvár die Ukrainisierung der regionalen Kanäle fest. Ungvár ist der ungarische Name (auf Ukrainisch Uschhorod) der Hauptstadt der Oblast Transkarpatien mit einem hohen Anteil der ungarischen Minderheit. In der Ukraine müssen zurzeit 75 Prozent der Sendungen auf Ukrainisch gesendet werden. Ab 1. Januar 2024 sollen es 90 Prozent sein. Das ist ein besonders empfindliches Thema für die Vielvölkerregion Transkarpatien, sagte Zoltan Kulin, Direktor von TV 21 zu dem neuen Mediengesetz.

Es ist aus seiner Sicht verfassungswidrig. Kulin ist besorgt über die Sprachenquote. Eine solche sei für einen demokratischen Staat nicht „ganz akzeptabel“. Aber wenn das Gesetz so beschlossen ist, werde es befolgt. Der Fernsehdirektor betont allerdings, es widerspreche der Verfassung. Demnach darf ein neues Gesetz oder die Modifizierung eines bereits vorhandenen Gesetzes die bisher errungene Rechte nicht mindern. „Wenn es heute 25 Prozent ist, morgen 10 – dann verstehe ich es so, dass es eine Minderung ist.“

Klare Feindbilder für Propaganda

Die Brisanz dieses Gesetzes ist, dass es keine rein ukrainische Angelegenheit ist. Einerseits geht es hier um die Anpassung an die EU, andererseits arbeiten die westlichen Medien „ausschließlich auf der Grundlage ukrainischer Propaganda“. Darauf machte der Osteuropa- und Militär-Experte Jaques Baud im März in einem Interview mit der Schweizer Zeitung „Zeitgeschehen im Fokus“ aufmerksam. „Was man in unseren Medien liest oder was sie sagen, das ist mehr als Propaganda, das ist Desinformation.“ Das ist das, woran sich die ukrainischen Medien auf dem Weg Richtung EU anscheinend orientieren sollen.

„Klare Feindbilder erleichtern die Einteilung in Gut und Böse, eine wichtige Grundlage von Kriegspropaganda“, so die Propagandaforscherin Sabine Schiffer in einem Sammelband unter dem Titel: „Kriegsfolgen”. „In allen Ausführungen Selenskyjs erscheint die Ukraine als ein einheitliches Kollektiv von Menschen mit homogenen Ansichten über den laufenden Konflikt“, schreibt Olga Baysha, Professorin für Medien und Kommunikation aus Moskau in dem Buch. „Selenskyjs eindimensionale und mythische Darstellung hat kaum, wenn überhaupt, das Potenzial dazu, Frieden zu schaffen. Indem er feste Trennlinien zwischen den Konfliktparteien zieht, schließt seine vereinfachte Darstellung jede Möglichkeit eines symbolischen Raums aus, der für die Kommunikation notwendig ist. Um Frieden zu schaffen, muss dieser symbolische Raum wiederhergestellt werden.“ Er sei eine notwendige Voraussetzung für die Aushandlung von Differenzen und die Suche nach Kompromissen. So auch für eine EU-Mitgliedschaft.

Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ hat in ihrem jüngsten Bericht der Ukraine „massive“ Fortschritte in Sachen Pressefreiheit bescheinigt und sie in der Rangliste von Platz 106 auf Platz 79 hochgestuft. Das erscheint vielen Beobachtern eigenartig angesichts des Krieges in dem Land, aber auch angesichts der Lage der Medien: Bereits im Februar 2021 hatte Selenskyj alle kritischen TV-Sender sowie die meisten kritischen Onlineportale verboten. Was das mit der Pressefreiheit im Verständnis der EU zu tun hat, muss in Brüssel sicher noch geklärt werden.

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