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Langfristige Eskalation: F-16-Kampfjets an die Ukraine
Ukraine-Krieg

Langfristige Eskalation: F-16-Kampfjets an die Ukraine

Eine F-16 der US-Luftwaffe auf der ILA 2018 bei Berlin

Foto: Tilo Gräser

Westliche Staaten wollen Kampfflugzeuge vom Typ F-16 an die Ukraine liefern. Die US-Regierung hat dem ebenso wie der Ausbildung ukrainischer Piloten zugestimmt. Ex-Bundeswehroffiziere sprechen von Eskalation und sehen keinen schnellen Einsatz.

Es handele sich um eine weitere Eskalation, so der ehemalige Bundeswehr-Oberstleutnant Jochen Scholz zur angekündigten Lieferung von F-16-Kampfflugzeugen aus westlichen Beständen an die Ukraine. „Es zeigt, dass offensichtlich der Wille, diesen Krieg durch Verhandlungen hin zu einem Waffenstillstand und dann zu einem Friedensvertrag, mit dem beide Seiten leben können, zu beenden, zurzeit überhaupt nicht vorhanden ist.“ Das sagte der einstige Nato-Offizier gegenüber pb: schwarz auf weiß am Rande einer Veranstaltung am Freitag in Berlin.

Scholz verwies auch darauf, dass die fliegerische Ausbildung ukrainischer Piloten auf westlichen Kampfjets zwar innerhalb von Monaten möglich sei. Es würde aber viel mehr Zeit brauchen, ehe diese „combat ready“, also militärisch einsatzbereit seien. Er berichtete von Erfahrungen der Bundeswehr aus den frühen 1990er Jahren. Damals seien Piloten der DDR-Armee NVA vom sowjetischen Kampfflugzeug MiG 29 auf Bundeswehr-Jets vom Typ F-4 „Phantom“ aus US-Produktion umgeschult worden. „Und die waren tatsächlich nach fünf Monaten in der Lage, das Flugzeug auch bei schlechtem Wetter von A nach B zu fliegen. Aber ‚combat ready‘ waren sie erst Jahre später.“

Um das Flugzeug im Kampfgeschehen einzusetzen, dazu reiche die rein fliegerische Ausbildungszeit nicht aus, so Scholz. „Und so ist das hier natürlich ganz genauso. Das sind westliche Flugzeuge mit westlichen Systemen, die sind nicht vergleichbar mit den russischen.“

Zuvor hatte die US-Regierung erstmals eine Bereitschaft zur Ausbildung ukrainischer Piloten bekundet, die auch für F-16-Jets aus US-Produktion gelten solle. Auch eine Lieferung westlicher Kampfjets an Kiew gilt nicht mehr als ausgeschlossen. Dazu wollen unter anderem Großbritannien und die Niederlande eine „Kampfjet-Koalition“ bilden und unter anderem bei ihnen ausgemusterte F-16 an die Ukraine liefern. Eine Verlegung von F-16-Kampfjets in die Ukraine wirft nach den Worten des russischen Botschafters in den USA, Anatoli Antonow, die Frage nach der Nato-Beteiligung an dem Konflikt auf. „Es ist wichtig, dass die Vereinigten Staaten die russische Reaktion darauf genau kennen,“ so der Botschafter im Telegram-Kanal der russischen Vertretung in den USA.

„Langfrist-Signal an Russland“

Die F-16 ist ein vom US-Konzern Lockheed Martin produziertes Kampfflugzeug, das auch Atombomben tragen kann. Mit über 4500 Flugzeugen ist es der mit Abstand meistgebaute Kampfjet der letzten vier Jahrzehnte. Seinen Erstflug hatte er vor knapp 50 Jahren.

Ex-Bundeswehr-Oberst Wolfgang Richter hat gegenüber Welt online am Samstag die US-Zusage zur Ausbildung ukrainischer Piloten auf F-16 als „Kehrtwende“ bezeichnet. Richter ist heute für die regierungsfinanzierte Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) tätig. Er rechnet damit, dass es noch Monate dauert, bis die Kampfjets an die Ukraine geliefert werden. Richter warnte vor „übertriebenen Hoffnungen“, dass die Kampfflugzeuge der „Gamechanger“ im Krieg in der Ukraine sein könnten. Es würde „sehr, sehr lange“ dauern, bis die Maschinen in die Kiewer Streitkräfte integriert werden könnten.

Neben zu klärenden Fragen der Bewaffnung und der Logistik verwies der Ex-Oberst ebenfalls auf die lange Dauer der Ausbildung der Piloten. „Ich glaube nicht, dass es in diesem Jahr noch zu einem integrierten Einsatz der F-16 kommt“, so Richter gegenüber Welt online. Es handele sich aber um ein „Langfrist-Signal“ an die russische Seite, dass Kiew und seine westlichen Unterstützer nicht ans Aufgeben denken.

Als „gutes Zeichen“ hat unterdessen der Außenbeauftragte der EU-Kommission Josep Borrell die Bereitschaft der US-Regierung bezeichnet, ukrainische Piloten auf Kampfjets unter anderem vom Typ F-16 auszubilden. Das geht aus Agenturberichten hervor. Borell begrüßte danach am Montag in Brüssel, dass der G7-Gipfel in Japan am Wochenende den Weg dafür bereitet habe, „die Ukraine mit den nötigen Jets auszustatten“. Er hoffe, „dass wir der Ukraine bald solche Waffen zur Verfügung stellen können“, sagte Borrell vor dem EU-Außenministertreffen.

EU-Chefdiplomat Borrell hatte sich bereits kurz nach Beginn des russischen Militäreinsatzes in der Ukraine dafür ausgesprochen, Kampfjets an Kiew zu liefern. Das haben bisher vor allem osteuropäische Länder wie Polen unterstützt. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) äußerte sich Medienberichten zufolge in Japan eher zurückhaltend. Die Ausbildung ukrainischer Piloten an westlichen Kampfjets bezeichnete er als „längerfristiges Projekt“.

aktualisiert: 20:10 Uhr

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