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Kiew spaltet EU – Budapest gegen neue Waffenlieferungen
Ukraine-Krieg

Kiew spaltet EU – Budapest gegen neue Waffenlieferungen

Budapester Parlament

Foto: Endre Pápai

„Ukraine über alles“ – das scheint das Motto der westlichen Politik und vor allem der EU zu sein. Doch aus den eigenen Reihen gibt es Widerspruch, vor allem aus Ungarn, das eigene Interessen bedroht sieht.

Mit einer schwarzen Liste von Unternehmen, die angeblich die russische Seite im Konflikt um die Ukraine unterstützen, sorgt Kiew für Unmut in der Europäischen Union (EU). Auch große US-amerikanische, französische und deutsche Firmen sind Berichten zufolge auf der Liste. Doch während deren Regierungen anscheinend schweigen, reagiert Ungarn und blockiert EU-Gelder für die Ukraine. Laut Berichten weigerte sich Budapest am Montag, dem Plan der EU-Kommission zuzustimmen, weitere 500 Millionen Euro Militärhilfe an Kiew zu zahlen. Ebenso hat es kürzlich weitere antirussische Sanktionen blockiert.

Anlass ist unter anderem, dass die ukrainische Regierung Anfang Februar eine Liste von „internationalen Unterstützern des Krieges“ veröffentlichte. Auf der sind inzwischen 26 vor allem westliche Unternehmen zu finden, darunter „Yves Rocher“ aus Frankreich, „Procter & Gamble“ aus den USA sowie die deutsche Metro-Gruppe. Ihr „Vergehen“ aus Kiewer Sicht: Sie sind weiterhin in Russland aktiv und zahlen dort Steuern.

Unverständnis auch aus Wien und Athen

Zu den betroffenen Unternehmen gehört die ungarische Bank OTP. Das führte laut Medienberichten dazu, dass Budapest vorerst jegliche EU-Beschlüsse mit Ukraine-Bezug blockieren will. Unverständnis gegenüber dem Vorgehen Kiews kommt auch aus Österreich. Laut Frankfurter Allgemeiner Zeitung (FAZ) hat Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg beklagt, dass die „Schwarze Liste“ willkürlich einzelne Unternehmen ins Visier nehme und andere verschone. So tauche zum Beispiel die österreichische Raiffeisen Bank International auf, während die Bank of America oder die Crédit Agricole aus Frankreich trotz weiterer Russlandgeschäfte nicht betroffen seien.

Proteste kommen laut den Berichten auch aus Athen, weil Kiew fünf griechische Schifffahrtsunternehmen ins Visier genommen hat. Deshalb erklärte der griechische EU-Botschafter in der vergangenen Woche bei den EU-Gesprächen über das elfte Sanktionspaket gegen Russland ebenso wie sein ungarischer Kollege, zuerst müssten die betroffenen Unternehmen von der Liste genommen werden. Budapest weigere sich zudem, die sogenannte Europäische Friedensfazilität um 3,5 Milliarden Euro aufzustocken. Aus dieser werden die Waffenlieferungen von EU-Staaten an die Ukraine bezahlt.

Deutscher Vorschlag gegen Einstimmigkeitsprinzip

In der EU gilt bisher das Einstimmigkeitsprinzip bei allen gemeinsamen Entscheidungen. Deshalb können einzelne Staaten Beschlüsse blockieren. Deutschland will erreichen, dass dieses Prinzip aufgeweicht wird und außenpolitische Entscheidungen auch mit sogenannter qualifizierter Mehrheit möglich sind. Der Grund sei, die „Effizienz und das internationale Gewicht“ der EU zu erhöhen. Doch damit würden im Prinzip kritische Stimmen einzelner Mitgliedsländer ausgehebelt, die dann Entscheidungen mittragen müssten, die sich gegen ihre Interessen richten.

Für die ungarische Regierung geht es beim Nein zu weiteren Millionen für Waffen an Kiew nicht nur um eine ungarische Bank. Darauf macht Thomas Röper in einem Beitrag auf seiner Webseite aufmerksam. Er erinnert daran, dass die ukrainische Regierung die Lage der ungarischen Minderheit verschlechtert. Kiew und Brüssel seien jedoch taub für die ungarischen Beschwerden. Außerdem ist Ungarn auf russisches Erdöl angewiesen, dass über die Druschba-Trasse kommt – durch ukrainisches Gebiet.

Kiew immer feindseliger

Vor kurzem wurden Pläne aus Kiew bekannt, die Pipeline eventuell zu sabotieren und zu sprengen. In Ungarn sorgten Informationen für Aufsehen, laut denen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen der ukrainischen Führung empfohlen habe, den Öl-Transit zu stoppen. Ungarns Außenminister Péter Szijjártó hatte vor einigen Tagen erklärt, dass Budapest angesichts der „Schwarzen Liste“ aus Kiew nicht in der Lage sei, an den Entscheidungen über weitere Waffenlieferungen an die Ukraine und über weitere Sanktionen gegen Russland teilzunehmen. Er warf der ukrainischen Führung vor, Ungarn gegenüber immer feindseliger aufzutreten.

Meldungen nach haben ungarische EU-Abgeordnete der Regierungspartei Fidesz vor wenigen Tagen der EU-Kommission eine Liste von Fragen zum Verhalten Kiews und Brüssels gegenüber Budapest übermittelt. Danach wird unter anderem der Ukraine Erpressung vorgeworfen und nach der Rolle der EU gefragt. Es habe aber bisher keine Antwort gegeben. Der Fraktionschef der FIDESZ-Ungarische Bürgerunion im EU-Parlament, Tamás Deutsch, habe gewarnt, dass die bekanntgewordenen Aktionen als „Bedrohung der Souveränität des Landes“ angesehen werden können.

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