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Jahrestagung Ethikrat: Mehr politisches Handeln gefordert
Klimawandel

Jahrestagung Ethikrat: Mehr politisches Handeln gefordert

Tagungsmappe der Jahrestagung Deutscher Ethikrat 2023

Foto: Thorsten Probst

Die Experten auf der Jahrestagung des Ethikrates sind sich einig: Es braucht einen politischen Wandel, um die Gesundheit von Mensch, Tier und Ökosystem zu garantieren. Dabei werden auch Themen wie ziviler Ungehorsam und Hitzetote diskutiert.

Eine Welt, in der Menschen, Tiere und Ökosystem gesund sind und in der es „eine Gesundheit“ aller Wesen und Organismen gibt: Dieses Ziel möchte das Konzept „One Health“ erreichen. Dabei handelt es sich keineswegs um eine utopische, schöne neue Welt, sondern um Pläne, über die Experten diskutierten. So ist der Wunsch nach „der einen Gesundheit für alle“ Thema bei der Jahrestagung des Ethikrates. Im Vorfeld teilte der Ethikrat in seiner Tagungsmappe mit, dass die Corona-Pandemie die Bedeutung globaler Vernetzung verdeutlicht habe und ergänzt: „Die Auswirkungen der Umwelt auf die Gesundheit droht derweil der Klimawandel dramatisch zu verschärfen“.

Ausgewählte Experten, Mitglieder des Ethikrates und Zuschauer versammelten sich am Mittwoch in Berlin, um über „One Health“ zu debattieren. Unter den Experten waren unter anderem Soziologin Gesa Lindemann, Umweltethiker Christian Baatz, Tierethiker Johann S. Ach und der Vorsitzende von der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V, Martin Herrmann. Die Tagung war per Livestream zu verfolgen.

„Politische Ordnung mit Gewalt verteidigen“

Wie wird die „eine“ Gesundheit hergestellt? Laut Soziologin Gesa Lindemann seien das Problem hierzulande zu viele Menschen, Kühe, die zu viel Treibhausgase ausstoßen, sowie Wölfe und Rehe. Die Lösung wären eine Umweltregulierung, Haltungsbedingungen für Nutztiere, Rückzugsräume für Wildtiere und eine Umgestaltung der Landschaft. Wie das genau aussehen soll, führte die Soziologin nicht aus. Sie betonte aber: „Ohne funktionierenden Staat wird der ‚One Health‘-Ansatz nicht funktionieren“, es müsse eine einheitliche politische Ordnung geschaffen werden.

Zum Ende des Vortrages gab Lindemann ein politisches Statement und forderte, dass die Ordnung auch mit Gewalt verteidigt werden dürfe. Es brauche eine Politik, die in der Lage ist, die wirtschaftlichen Profitinteressen ausreichend Grenzen zu setzen, um die Gesundheit von Mensch und Tier zu garantieren. China, Europa, die USA und asiatisch-demokratische Staaten wie Taiwan nannte Lindemann als Länder, in denen die politische Ordnung erfolgreich reguliert werde. Zu erkennen sei das am Umgang mit der Corona-Pandemie dieser Länder. Auch wenn es einiges an der Zeit zu kritisieren gebe, habe sie gezeigt, dass eine Zusammenarbeit unterschiedlicher Institutionen möglich sei.

Derzeit befindet sich Deutschland laut der Soziologin in einer „Zwischenpandemie“. Genau bedeute das: „Wir werden noch mehr Pandemien erleben“. Eine einheitliche Verwaltung, Kooperation der Behörden und eine einheitliche Staatsgewalt seien nötig, um Krisen zu überwinden und eine einheitliche Gesundheit zu erreichen. Der „One Health“-Ansatz helfe dabei.

Aufruf zu zivilem Ungehorsam

Mehrere Diskussionsrunden auf der Jahrestagung des Ethikrates sollten eine gemeinsame kritische Reflexion und Diskussion ermöglichen. Wirklich kritische Nachfragen gab es dabei eher selten; unterschiedliche Meinungen vertraten die Diskussionspartner nicht. So sind sich die Experten verschiedener Bereiche wie Sozial-, Tier, Umwelt und Medizin-Ethik einig: Es müsse einen politischen Wandel geben.

Aus dem Universitätsalltag erzählte der Umweltethiker Christian Baatz, dass es bereits umfassende Debatten darüber gebe, wie fossile Energien zurückgebaut und nicht weiter ausgebaut werden können. Auch zivilen Ungehorsam würden die Studenten zunehmend thematisieren. „Die Debatte geht von ‚Ich gehe zur Demo‘ bis zu ‚How to blow up a pipeline‘“. Baatz selber befürwortet solche Debatten.

Eine Frau aus dem Publikum unterstützte Baatz´ Äußerung und wünscht sich einen radikalen Umbruch: „Die Krankheitsursache wird nicht behandelt, wenn wir das System nicht verändern.“ So meint auch der Tierethiker Johann S. Ach, dass das zentrale Problem von „One Health“ vor allem massive Interessenkonflikte seien, für die es eine Lösung geben müsse.

Hitzetote: „Kritik von ‚ganz rechts‘“

Von großem Interesse sind für den Vorsitzenden für die Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V., Martin Hermann, sowie die Zuschauer vor Ort das Thema „Hitzetote“. „Hunderttausende Hitzetote haben wir im Jahr“, erzählte er. Darauf sei Deutschland schlecht vorbereitet. Die Situation bezeichnet er als einen Skandal. Dementsprechend forderte auch er eine politische Regulierung: „Es ist wunderbar, dass wir Sommer haben. Wir müssen aber lernen, wann es gefährlich wird. Wenn wir Hitze haben, müssen wir lernen, wie wir uns schützen können, und wir müssen lernen, andere zu schützen, die es selber nicht können. Das muss politisch verankert werden.“

Ein Zuschauer war derselben Meinung, fragte aber, ob die Thematisierung von Hitzetoten das geeignete Mittel sei, Menschen aufzurütteln und sensibel dafür zu machen, dass die Katastrophe schon begonnen habe. Laut Hermann würde die Argumentation viele Menschen erreichen – bis auf die von „ganz rechts“. Das müsse man aber in Kauf nehmen, wenn man die Wahrheit sage und den Mund aufmache, so Hermann.

Hin und wieder betonten die Referenten, dass Natur und Tiere gesund sein müssten, damit der Mensch gesund sein könne. Sie sind sich darin einig, dass er in das politische Geschehen eingreifen müsse, damit er seine Aufgabe auf der Erde erfülle.

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