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Ist die Verfolgung von Kritikern mittlerweile Normalität?
Staatsterror

Ist die Verfolgung von Kritikern mittlerweile Normalität?

Das deutsche Grundgesetz

Hausdurchsuchungen, übermäßig viele Straßenkontrollen und teure Verurteilungen von Kritikern sind im „besten Deutschland aller Zeiten“ immer häufiger. Das Vorgehen von Polizei und Staatsanwaltschaft grenzt an Willkür.

Im Dezember fuhr Wirtschaftsjurist Janko Williams auf die Autobahn. Wenig später zog ihn die Polizei aus dem Verkehr, auf Grund einer „allgemeinen Verkehrskontrolle“. Über vier Stunden saß er fest, zweimal wollten sie das Auto durchsuchen. Williams Presseausweis beschlagnahmte die Polizei mit der Begründung, dass er gefälscht sei. Außerdem schrieben die Beamten einen Vermerk in die Akte, dass er ein „angeblich gewaltbereiter Reichsbürger“ sei. „Die Polizisten sahen in meinem Auto mehrere Grundgesetz-Bücher. Deswegen sagten sie, ich würde Reichsbürgerpropaganda verteilen“, so Williams. „Was ist an dem Grundgesetz Reichsbürgerpropaganda?“, fragt er.

Nahezu jede längere Autofahrt sei Williams bisher von der Polizei angehalten worden. Seine Vermutung ist, dass bei der Polizei eine Fahndung nach ihm hinterlegt ist. Das wurde ihm von der Polizei in München wie auch in Passau bestätigt. Löschen könnte es aber nur die Polizei, die den Vermerk hinzugefügt hat. „Ich kann es aber nicht nachweisen, mein Anwalt bekommt keine Akteneinsicht“, erklärt Williams. „Aber es ist sehr komisch, dass die Polizei mich so oft rauszieht. Meine Vermutung ist, dass sie entweder mein Handy orten. Oder: Sie verwenden Videofahndung. Offiziell ist diese verboten, aus inoffiziell Informationen weiß ich aber, dass sie benutzt wird.“

Was sind die Hintergründe?

Vor drei Jahren geriet Williams das erste Mal in den Fokus der Polizei. 2020 trug er während einer Friedensdemonstration eine Warnweste mit der Aufschrift „Rechtsanwalt/Lawyer“. „Die Weste war dem Einsatzleiter der Polizei ein Dorn im Auge. Laut dessen Behauptung hätte ich mich durch das Tragen dieser Weste als Wirtschaftsjurist des Titels ‚Rechtsanwalt‘ bemächtigt. Das habe ich allerdings nie behauptet – und auch vor Ort gleich richtiggestellt“, erklärt Williams. Diesem Vorfall folgten allerdings drei Verfahren wegen „Missbrauchs von Titeln“, die bis heute nicht beendet sind.

Wenig später, im Januar 2021, gab es eine Hausdurchsuchung bei dem Wirtschaftsjuristen, bei der auch Sprengstoffhunde eingesetzt wurden. Vier Tage später habe Williams von der Polizei erfahren, dass es einen anonymen Hinweise gegeben habe, laut dem er einen Anschlag auf Markus Söder plane. Aufgrund dieser diversen Vorfälle hat Williams im Februar diesen Jahres Strafanzeige gegen die Polizei in Lindau erstattet, die den Vermerk in der Akte und den Presseausweis beschlagnahmt hat. Bisher wurde nicht entschieden.

Wirtschaftsjurist und Publizist im Fokus

Williams ist kein Einzelfall. Auch der Publizist „Aktivist Mann“ Matthäus Westfal ist häufig unter Beschuss gekommen: Es gab bereits eine Hausdurchsuchung und zahlreiche Gerichtsprozesse. Mit dem kommenden Prozess im Sommer 2023 wird er seit Anfang 2022 neunmal vor Gericht gewesen sein. Ähnlich wie Williams hat auch Westfal das Problem, häufig von Polizisten aus dem Straßenverkehr gezogen zu werden; er ist sich ebenfalls sicher, dass die Polizisten Kennzeichen auslesen und nach ihm fahnden. Innerhalb eines Jahres sei es bei ihm bisher sechsmal vorgefallen.

„Volksverhetzung“

Die hintergründigen Prozesse sind auch bei Westfal vielfältig. Im Juni 2022 wurde er wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 3.000 Euro verurteilt, weil er auf einem Telegram-Kanal zwei Links zu dem Film „Die Rothschilds“ verbreitet hatte. Damit habe er billigend in Kauf genommen, dass der Film als nationalsozialistischer Propagandafilm aus dem Jahr 1940 zum Hass gegen die Bankiersfamilie Rotschild und gegen Menschen jüdischen Glaubens aufstachelt, so die Staatsanwaltschaft.

„Es war Halloween 2022 und da schauen einige gerne Filme. Da die Rothschilds heute noch eine große Rolle spielen und den meisten Privatbesitz weltweit beanspruchen, war der historische Hintergrund ihrer Machtausdehnung vielleicht für den einen oder anderen interessant“, erklärt Westfal. Er habe aber den Hinweis „auf eigene Verantwortung anschauen“ hinzugefügt. Dass der Film ein „Vorbehaltsfilm“ ist, wie die Staatsanwaltschaft in ihrem Urteil feststellte, habe er nicht gewusst. Außerdem habe sie bei ihm kein antisemitisches Motiv gefunden. Daher versteht er das Urteil bis heute nicht.

„Beleidigung“

Außerdem wurde Westfal im Januar 2023 zu einer Geldstrafe von 7.200 Euro verurteilt. Der Grund war zum einen die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Schließlich teilte er im Dezember 2021 auf seinem Telegram-Kanal ein Video von einer Demonstration, in welchem hintergründig der Refrain des Liedes „Ein junges Volk steht auf“ zu hören war. Die Staatsanwaltschaft stellte in ihrem Urteil fest, dass das Lied ein offizielles Propagandalied der NSDAP sei. Westfal entgegnet: „Das Lied kannte ich bis dato nicht. Außerdem handelt der Refrain über Soldaten im ersten Weltkrieg, es gibt keinerlei Anspielung auf die NSDAP – sonst hätte ich das Video nicht in meinen Kanal weitergeleitet.“

Zum anderen habe Westfal Markus Söder und Jens Spahn beleidigt. Über Söder er schrieb in seinem Telegram-Kanal:

„Söder ist für mich ein dreckiger Satanist, der die Welt am liebsten komplett totgespritzt hätte – Er hasst deutsches Blut wie die Pest und geilt sich an jeder einzelnen Giftspritze, die verteilt wird, auf wie ein Köter der Blut geleckt hat und mehr will.

CDU steht für ‚Chaotische Diktatur Union‘

Alles Satire“

Spahn thematisierte der „Aktivist Mann“ folgendermaßen:

„5-11-Jährige wollen sie mit über 2 Millionen Covitus ImpfTODosen im Dezember ver-impfen! Im Frühjahr 2022 geht´s dann weiter, weil es über 4 Millionen solcher Kinder in dem Alter gibt. Laut dem Jasmina Spahnferkel

Zur Hölle mit Ihnen !!!!!

Satire“

„Die beiden Posts waren Satire, wie so vieles auf meinem Kanal. Sie sind also durch die Kunstfreiheit gedeckt. Ich hatte es sogar extra gekennzeichnet, da der eine oder andere die Ironie vielleicht nicht feststellen kann.“ Satire sei schließlich Geschmackssache. „Die Aussagen würde ich heute trotzdem nicht wiederholen“, ergänzt Westfal. Für ihn ist das Urteil deutlich überzogen und eine Ungleichbehandlung durch die Staatsanwaltschaft zu erkennen. Schließlich dürfe Böhmermann „vom Volk durch die GEZ-Gelder gestützt, Erdogan einen ,Ziegenficker‘ nennen. Kinder nannte er ,Ratten‘, die Großmutter eine ,Umweltsau‘.“

Insgesamt muss Westfal für das Teilen der Links zum Film „Die Rothschilds“ und die Beleidigung von Söder und Spahn 9.000 Euro plus Gerichts- und Anwaltskosten zahlen. Kürzlich wurde er außerdem wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 3.600 Euro verurteilt, weil er über die Transfrau und Abgeordnete im Bundestag, Tessa Ganserer (Grüne), sagte: „Es fühlt sich als Frau“. Gegen dieses Urteilt geht er in Berufung.

Gründe für die Verfolgung

Williams glaubt, dass die Polizei und Staatsanwaltschaft mit ihren Durchsuchungen den angeblich „richtigen Weg“ beschützen wollen. Zusätzlich müssten sie sich ihre Schuld eingestehen, wenn sie jetzt aufhören würden. Sein Anwalt hat bereits eine Löschanfrage bezüglich des Eintrags „gewaltbereiter Reichsbürger“ gestellt. „Die Polizei lässt sich aber immer wieder etwas Neues einfallen, warum sie den Eintrag nicht rausnehmen kann. Zuletzt hieß es, dass sie keine Vollmacht im Original vorliegen habe und den Eintrag deswegen nicht löschen könne. Die Vollmacht liegt der Polizei aber schon monatelang vor. Deren Verhalten grenzt meiner Meinung nach an Willkür“, so Williams.

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