ressorts.
Ex-General erinnert an deutsches Friedensgebot
Ukraine-Krieg

Ex-General erinnert an deutsches Friedensgebot

Foto: Pexels, Artem Podrez
Warning: Undefined array key 1 in /home/httpd/vhosts/paulbrandenburg.com/pbschwarzaufweiss.de_2023-07-24/wp-content/plugins/elementor/includes/widgets/audio.php on line 325 Warning: Undefined array key 1 in /home/httpd/vhosts/paulbrandenburg.com/pbschwarzaufweiss.de_2023-07-24/wp-content/plugins/elementor/includes/widgets/audio.php on line 329

Mit Harald Kujat spricht sich erneut ein ehemaliger Bundeswehrgeneral für eine Verhandlungslösung in der Ukraine aus. In einem aktuellen Interview warnt er vor den Folgen der Eskalation des Krieges. Zugleich fordert er eine eigenständigere Politik der EU.

„Je länger der Ukrainekrieg dauert, umso klarer wird sich auch erweisen, dass es gravierende Interessensunterschiede zwischen den Vereinigten Staaten und Europa gibt.“ Das sagt Harald Kujat im Interview mit der Schweizer Zeitung Zeitgeschehen im Fokus (ZiF). Kujat ist ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr und war Vorsitzender des Nato-Militärausschusses. Bereits als sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz in Moskau und Kiew darum bemühten, den Krieg zu verhindern, hätten ihnen die Vereinigten Staaten die Unterstützung versagt, so der Militärexperte in der ZiF-Ausgabe vom 25. April.

Am Ende des Krieges müsse eine europäische Sicherheits- und Friedensordnung entstehen, erklärt Kujat, in der alle Staaten des europäischen Kontinents einschließlich der Ukraine und Russlands ihren Platz hätten. Dagegen würden die USA das Ziel verfolgen, „Russland politisch, wirtschaftlich und militärisch so weit zu schwächen, dass sie sich dem geopolitischen Rivalen zuwenden“. Bei diesem handele es sich um China, das die US-Vormachtstellung als Weltmacht gefährden könne.

Europas Selbstbehauptung

Der General a.D. bezeichnet im Interview Macrons Idee von der „strategischen Autonomie“ Europas als eine „überzeugende Schlussfolgerung aus der gegenwärtigen geopolitischen Lage“. Allerdings spreche er selbst lieber von der „Selbstbehauptung Europas“. Dies bedeute: „Die Fähigkeit Europas, sich in der neuen Weltordnung der rivalisierenden großen Mächte gegenüber China, Russland und den Vereinigten Staaten aus eigener Kraft zu behaupten“.

Der Ukrainekrieg führt uns aus Sicht von Kujat täglich vor Augen, dass die europäische Politik weder bereit noch in der Lage ist, europäische Interessen durchzusetzen. „Dass es Fälle gibt, in denen die europäischen und amerikanischen Interessen nicht übereinstimmen, ist evident.“ Ein Beispiel dafür sei die einseitige Kündigung 2019 des für die europäische Sicherheit so wichtigen INF-Vertrages durch die US-amerikanische Regierung.

Als einziger europäischer Politiker habe Macron kritisiert, dass der Austritt der USA aus dem Vertrag der Sicherheit Europas erheblich schade. Denn damit sei Russland in der Lage, ohne irgendwelche vertragliche Begrenzungen erneut ein Nuklearpotential aufzubauen, das Europa, aber nicht die USA bedrohe. Als Konsequenz der US-amerikanischen Entscheidung forderte Macron, über eine europäische nukleare Abschreckung nachzudenken, damit sich Europa selbst verteidigen könne.

Russische Motive

Für die Vorbereitung eines Angriffskrieges Russlands gegen Europa, was ein Krieg gegen die Nato wäre, sieht Kujat allerdings aktuell keinen Beleg. Russland habe die Nato-Erweiterung von Anfang an unter strategischen Gesichtspunkten gesehen, so der ehemalige General, „bezogen auf die geostrategische Lage und das Verteidigungspotential eines Landes“. Deshalb sei Russland bereit, einen hohen Preis zu zahlen, um eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine zu verhindern. Denn der könnte auch die Stationierung amerikanischer Streitkräfte in der Ukraine folgen.

„Im Kern geht es vor allem darum, strategische Vorteile des geopolitischen Rivalen USA zu verhindern, nicht zuletzt auch solche, die das nuklearstrategische Gleichgewicht der beiden nuklearen Supermächte gefährden könnten.“ Für die beiden Hauptakteure im Ukrainekrieg, Russland und die Vereinigten Staaten, stehe viel auf dem Spiel. Deshalb bleibt nach Kujats Meinung das Risiko bestehen, dass aus dem Krieg in der Ukraine ein Krieg um die Ukraine werden könnte.

Rivalen USA und China

Ein weiteres Schwerpunktthema des Interviews ist das Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und China, dass sich in letzter Zeit deutlich verschlechtert habe. Peking sei überzeugt, dass die globalen Risiken seit dem Ukrainekrieg gestiegen sind und die westlichen Länder – im Wesentlichen die USA – dafür die Hauptverantwortung tragen. Die Folge sei eine engere Zusammenarbeit zwischen China und Russland, die beide das Ziel einer multipolaren Welt verfolgten. Aus US-amerikanischer Sicht habe China sowohl die Absicht als auch zunehmend die wirtschaftliche, diplomatische, militärische und technologische Macht, die führende Weltmacht zu werden.

Mit der gleichen Geschlossenheit wie gegen Russland wollen die USA deshalb die europäischen Staaten gemeinsam mit den regionalen Partnern Australien, Japan, Südkorea, Neuseeland und künftig auch den Philippinen in ein indo-pazifisches Netzwerk gegen China einbinden. Für den Schulterschluss mit Europa in einem künftigen Konflikt mit China bilde die Nato eine wichtige Brücke. Deshalb sei Macrons Warnung berechtig, so Kujat, dass der europäische Kontinent sich nicht in die Konflikte anderer hineinziehen lassen darf.

Neue geopolitische Blöcke

Der Krieg in der Ukraine habe die Bildung geopolitischer Blöcke gefördert, erklärt der Militärexperte. Während die USA, die EU und die Nato näher zusammenrücken, sei um China und Russland ein zweiter geopolitischer Block entstanden. Den beschreibt Kujat so: Den Kern bilden die BRICS-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika sowie die Schanghai Kooperation (SCO) mit China, Indien, Iran, Kasachstan, Kirgistan, Pakistan, Russland, Tadschikistan und Usbekistan. Die BRICS-Staaten repräsentieren 40 Prozent, die westlichen G7-Staaten nur 12,5 Prozent der Weltbevölkerung. Inzwischen ist das Bruttoninlandsprodukt der BRICS-Staaten höher als jenes der westlichen G7-Staaten.

Neben Saudi-Arabien, mit dem China auf dem globalen Ölmarkt und bei der Nutzung der Kernenergie zusammenarbeite, hätten auch andere Staaten Interesse an einem BRICS-Beitritt bekundet: Argentinien, Ägypten, Kasachstan, Nigeria, die Vereinigten Arabischen Emirate, Senegal sowie Thailand. Die Sichtweise des Westens, dass er der Mittelpunkt der Erde sei, gehe an der Realität vorbei, so Kujat.

Deutsche Friedensverpflichtung

Er erinnert an zwei Uno-Resolutionen, die die sofortige friedliche Beilegung des Ukraine-Konflikts durch politischen Dialog, Verhandlungen, Vermittlung und andere friedliche Mittel fordern. Den Resolutionen am 2. Mai 2022 und im Februar 2023 habe Deutschland verpflichtend zugestimmt. Außerdem sei die Bundesrepublik durch das Friedensgebot des Grundgesetzes im besonderen Maße verpflichtet, sich für ein Ende des Krieges einzusetzen. „Was soll man davon halten, wenn dies alles missachtet und selbst ein Waffenstillstand vom amerikanischen Außenminister als ‚keine gute Idee‘ bezeichnet wird?“, fragt Kujat.

Er weist auf den chinesischen Präsidenten Xi Jinping und den brasilianischen Präsidenten Lula de Silva hin. Beide würden Verhandlungen als den einzigen möglichen Weg sehen, um diese Krise zu lösen. Es handele sich um zwei Staatsmänner, so Kujat, hinter denen Organisationen stehen, die 40 Prozent der Weltbevölkerung repräsentieren. Allerdings: Russland und die Ukraine hätten in letzter Zeit die Bedingungen für einen Verhandlungsfrieden höhergeschraubt und Vorbedingungen für die Aufnahmen von Verhandlungen gestellt. Kujat hat den Eindruck, dass beide Kriegsgegner darauf setzen, die eigene Verhandlungsposition durch eine erfolgreiche militärische Offensive zu verbessern. Das könnte sich jedoch sehr schnell als Trugschluss erweisen, warnt der einstige General.

Diesen Artikel teilen:

Facebook
Twitter
LinkedIn
Telegram

schwarz auf weiß unterstützen

Freiwilliges Zeitungs-Abo oder Einzelspende an:

IBAN: DE83 1005 0000 0191 2112 65
(BIC: BELADEBE)

Kontoinhaber: Flugwerk UG (haftungsbeschränkt)

oder hier PayPal –

Ein Abo ist freiwillig. Alle Inhalte sind ohne Bezahlung verfügbar.

ODER
alles von Paul Brandenburg

Spenden an Paul Brandenburg persönlich werden für alle seine Projekte verwendet: