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Die Krux des Bürgergeldes
Soziales

Die Krux des Bürgergeldes

Gebäude der Bundesagentur für Arbeit – der Ort, an dem Anträge für Bürgergeld bearbeitet werden.

Foto: Bundesagentur für Arbeit (BA)
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Manche Personen wollen das Sozialsystem ausnutzen und möglichst viele Gelder kassieren. Lohnt es sich aber wirklich, nicht arbeiten zu gehen? Auch vier Monate nach der Einführung des Bürgergeldes stellen sich einige Bürger diese Frage.

Marleen öffnet den Briefumschlag und legt einen Stapel Papier auf ihrem Schoß ab. „Das ist der Antrag zum Bürgergeld“, sagt sie und seufzt. Seit 11 Monaten ist sie zu Hause und bekommt Arbeitslosengeld 1 (ALG 1). Ende Mai ist ein Jahr vergangen und sie rutsch in das Bürgergeld. Sie arbeitete im Einzelhandel. Mal in Modegeschäften, mal in Möbelhäusern. Dann wurde sie gekündigt und bekam keinen neuen Job.

Auch Eddie muss Sozialleistungen beziehen. Er ist auf Grund eines Arbeitsunfalls 2019 arbeitsunfähig und auf Sozialleistungen angewiesen.

Das brisante an Eddies Fall: Er bekommt kein Geld zum Wohnen. Er wohnt bei seiner Oma und sollte beim Arbeitsamt einen Mietvertrag und die Überweisung der Miete nachweisen. Der Forderung kam er nach, das Amt sah allerdings immer noch nicht die Notwendigkeit, seine Miete zu übernehmen. Der Grund: Es gebe keine Gefahr der Kündigung oder des Verlustes der Wohnung.

Mittlerweile hat seine Oma ihm gekündigt. Durch den fehlenden Wohnsitz bekommt er nun keine Sozialleistung mehr. Es gebe keine Adresse, bei der er gemeldet ist, so die Begründung.

Der Rechtsanwalt Gordon Pankalla bestätigt, dass Eddie den Anspruch auf Bürgergeld verliere, wenn er keinen Wohnsitz hat. Außerdem sei nicht sicher, dass das Amt seine Kosten fürs Wohnen übernehmen müsse, wenn er bei seiner Oma wohnt. Womöglich erhalte sie bereits Gelder, um die Mietkosten zu deckeln. „Das Arbeitsamt vermeidet, dass er sich das Geld in die Tasche steckt“, so die Vermutung des Rechtsanwaltes.

Grundsicherung zu niedrig

Über Eddies Fall hinaus meint Pankalla aber, dass der Regelsatz der Sozialleistung zu niedrig sei.

„Die Umstellung von Harz-IV auf Bürgergeld und die damit einhergehende Erhöhung der Leistung ist nicht mal ein Inflationsausgleich“, meint Pankalla. Bezieher des Bürgergeldes würden mit der Leistung nicht auskommen. „Der Bundeshaushalt muss weiter angehoben werden.“

Fast vier Millionen erwerbsfähige Menschen beziehen 2023 Bürgergeld, dazu kommen rund 1,6 Millionen nicht erwerbsfähige Menschen. Die Ausgaben des Bundeshaushaltes für das Bürgergeld belaufen sich nun auf 23,76 Milliarden Euro. Für die Beteiligung des Bundes an den Leistungen für Unterkunft und Heizung sind weitere 10,4 Mrd. Euro veranschlagt.

Lohnt sich arbeiten?

Es gibt jetzt schon Menschen, die sich auf Grund der Höhe des Bürgergeldes genau überlegen, ob sie wieder ins Arbeitsleben einsteigen oder arbeitslos bleiben. Das Argument: Arbeiten lohne sich bei einem Mindestlohn von 12 Euro nicht.

Daher die zweite Forderung des Rechtsanwaltes: Die Löhne in Deutschland müssen steigen. Diesbezüglich stellt der Bundesarbeitsminister Hubertus Heil eine deutliche Erhöhung des Mindestlohns zu Beginn des nächsten Jahres in Aussicht. „Im Sommer wird mir die Mindestlohnkommission einen Vorschlag machen. Ich rechne mit einer deutlichen Steigerung“, so Heil. Das Ziel sind eine Erhöhung auf bis zu 14 Euro.

Noch liegt der Mindestlohn aber bei 12 Euro die Stunde und die Frage, ob sich arbeiten lohnt, bleibt. Bürgergeldempfänger bekommen als Single 502 Euro, die Mietkosten, Heizkosten und Rundfunk-Gebühr werden übernommen. In München können Bürgergeldempfänger so im Höchstfall auf bis zu 1358,36 Euro kommen:

Bei den Mietkosten handelt es sich um Werte, die von der Stadt München als Obergrenzen für eine angemessene Bruttokaltmiete von Hartz-IV-Emfängern angegeben werden. Die Heizkosten stammen von den günstigsten Gasanbietern für den Durchschnittsverbrauch der jeweiligen Personenzahl (Stand: 21. Oktober 2022).

Würde die Person in Vollzeit arbeiten gehen, wäre das Netto-Einkommen allerdings höher und läge bei etwa 1.500 Euro. Bei einer Arbeit in Vollzeit kann also klar beantwortet werden: Arbeiten lohnt sich. Zum einen durch einen höheren Lohn im Vergleich zu Bürgergeld, aber auch durch die Einzahlung in die Rentenversicherung.

Mehr freie Zeit gewünscht – lohnt sich Bürgergeld dann doch?

Im Fall von Marleen sieht die Rechnung etwas anders aus. „Bisher habe ich immer 32 Stunden gearbeitet. Das möchte ich auch in Zukunft. Am Ende des Monats hatte ich 1.100 bis 1.200 Euro netto“, sagt sie. Die freie Zeit sei ihr wichtiger als das Geld, deswegen wolle sie nicht in Vollzeit arbeiten.

Von dem Staat würde sie mit dem Bürgergeld eine Summe von insgesamt rund 1.050 Euro erhalten. Würde sie in Vollzeit arbeiten, hätte sie brutto 500 Euro mehr als mit dem Bürgergeld. Da sie aber nur 32 Stunden beschäftigt sein wolle, verändert sich die Rechnung: Mit dem Bürgergeld hätte sie 50 Euro weniger als durchs Arbeiten. Daher warte sie auf Jobangebote und wäge dann ab, was sie mache.

Wohngeld unterstützt Berufstätige

Merleen nennt aber wichtige Aspekte, die für das Arbeiten sprechen: Erstens zahle sie dann in die Rentenkasse ein und zweitens werde sie mit Wohngeld finanziell unterstützt, das neben dem Bürgergeld stark erhöht wurde.

Und: Nach einem Jahr Arbeitslosigkeit würde sie sich wieder über einen geregelten Tagesablauf freuen. Eddie geht es ähnlich – er fängt im Sommer eine Ausbildung als Web-Designer an. So glaubt auch der Rechtsanwalt Pankalla nicht, dass Menschen überwiegend in das Sozialsystem gehen werden. Manche Personen würden seiner Erfahrung nach das Sozialsystem zwar ausnutzen, das sei aber die Minderheit. „Die Meisten Menschen freuen sich über Arbeit“, ist sein Fazit.

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