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Datenleck und ukrainische Offensive
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Datenleck und ukrainische Offensive

Foto: Pexels, Cottonbro Studio

Ein 21-Jähriger soll die US-Geheimdienstdaten veröffentlicht haben. Große Schwächen der ukrainischen Armee sind darin dokumentiert. Das offizielle Bild gibt dennoch Anlass zur Skepsis.

Anfänglich haben die US-Regierung und die ihr hörigen Medien suggeriert, dass es sich bei den öffentlich gewordenen Geheimdienstdokumenten zumindest teilweise um Fälschungen handle – hinter denen womöglich die finsteren Russen stünden. Nun wurde der 21-jährige US-Nationalgardist Jack Teixeira verhaftet, der die Papiere aus Prahlerei verbreitet haben soll. Damit wird eingestanden, dass die Dokumente echt sind.

Was sind aber die wesentlichsten Informationen, wie realistisch ist die offizielle Version und was sollte dabei bedacht werden?

Waffen und Munition

Laut den veröffentlichten Dokumenten des amerikanischen Geheimdienstes steckt die ukrainische Armee in massiven Schwierigkeiten. Sie hat auf Druck aus Washington für Ende April oder Mai eine große Offensive angekündigt – siehe auch: https://pbschwarzaufweiss.de/analyse/bevorstehende-militaerische-entscheidung/. Die Pentagon-Papiere enthüllten nun, dass in Wahrheit Waffen, Munition und Soldaten fehlen.

Ohne einen massiven Zufluss von Munition könnte das gesamte Luftverteidigungsnetz der Ukraine, das durch wiederholte Angriffe russischer Drohnen und Raketen geschwächt wurde, zusammenbrechen, heißt es in den Dokumenten. Das Pentagon prognostiziert, dass der Raketenvorrat für die Luftverteidigungssysteme S-300 und Buk aus der Sowjetzeit, die 89 Prozent des Schutzes der Ukraine gegen die meisten Kampfflugzeuge und einige Bomber ausmachen, bis zum 3. Mai vollständig erschöpft sein wird.

Das gleiche Dokument schätzt, dass die ukrainische Luftverteidigung zum Schutz der Truppen an der Front, wo der größte Teil der russischen Luftstreitkräfte konzentriert ist, bis zum 23. Mai „vollständig reduziert“ wird, was zu einer Belastung des Luftverteidigungsnetzes tiefer in das ukrainische Territorium führen würde. Wenn das passiert, so das Dokument, könnten die russischen Militärs entscheiden, dass es für seine Kampfflugzeuge endlich sicher ist, in den Kampf am Boden einzusteigen.

Um die Luftverteidigung der Ukraine zu stärken, kündigte die Biden-Regierung Anfang April an, dass sie zusätzliche Flugabwehr-Abfangjäger und Munition als Teil eines Hilfspakets in Höhe von 2,6 Milliarden US-Dollar entsenden werde, von dem ein Teil dazu verwendet werden soll, Kiew bei der Vorbereitung auf eine geplante Frühjahrsoffensive zu unterstützen.

Zusammenbruch der ukrainischen Gegenoffensive?

Der zweite Stapel der veröffentlichten Dokumente stammt aus dem Februar und März 2023. Sie bestätigen, dass Nato-Soldaten in der Ukraine aktiv sind. Und sie weisen auf die Schwächen der ukrainischen Frühjahrsoffensive hin. Die Dokumente heben auch Probleme mit der russischen Militäroffensive hervor und sagen voraus, dass das Ergebnis auf absehbare Zeit eine Pattsituation zwischen den beiden Seiten sein wird.

Der US-Geheimdienst soll bereits im Februar gewarnt haben, dass die Ukraine möglicherweise nicht in der Lage sei, genügend Truppen und Waffen für eine geplante Offensive im Frühjahr aufzubringen und Kiews Ziel, von Russland kontrolliertes Territorium zu erobern, „weit verfehlen“ könne. In dem als „streng geheim“ gekennzeichneten und von der Washington Post zitierten Dokument heißt es, Kiew stehe vor erheblichen „Defiziten beim Aufbau und Erhalt von Streitkräften“ und werde daher wahrscheinlich nur „bescheidene territoriale Gewinne“ erzielen.

Ein weiteres Dokument vom 23. Februar, das dem Guardian zur Verfügung gestellt wurde, beschreibt die Fortschritte beim Aufbau von zwölf „kampftauglichen“ neuen Offensivbrigaden, die mit 253 Panzern und etwa 1.500 anderen gepanzerten Fahrzeugen verschiedener Typen ausgestattet sein sollen. Drei dieser Brigaden sollten von den Ukrainern selbst ausgebildet werden, während die restlichen neun mit Hilfe der USA und ihren Verbündeten kampftauglich gemacht werden sollten. Die geplanten Brigaden waren zum Zeitpunkt der Erstellung der Dokumente noch lange nicht einsatzfähig, fünf hatten noch nicht einmal mit der Ausbildung begonnen. Sechs Brigaden hatten die Hälfte oder weniger der Ausrüstung, die sie brauchten.

Kritische Bewertung

Wenn die Dokumente tatsächlich echt sind, würden sie bestätigen, was Kritiker wie die ehemaligen US-Militärs Douglas Macgregor und Scott Ritter seit Monaten sagen und wofür sie als prorussische Propagandisten diffamiert werden. Es würde auch bestätigen, dass die US-Regierung die Bevölkerung hinsichtlich der Lage in der Ukraine belogen hat.

Dass ein 21-jähriger Nationalgardist, also ein Angehöriger einer Miliz-Truppe, Zugang zu vertraulichen Dokumenten der US-Geheimdienste hatte, wirkt einigermaßen seltsam. Wenn er keinen legalen Zugang hatte, ihn sich aber so einfach verschaffen konnte, würde das bedeuten, dass das Pentagon und die US-Geheimdienste ein Haufen von Dilettanten sind – wovon nicht auszugehen ist.

Larry C. Johnson, ehemaliger Analyst des CIA, der mit dieser Art von Dokumenten lange zu tun hatte, hält es für unmöglich, dass solche Unterlagen in die Hände eines jungen Nationalgardisten kommen und geht von einer „gezielten Weitergabe“ aus (https://sonar21.com/a-controlled-leak-and-a-21-year-old-scape-goat/). Wenn Teixeira auf irgendeine Weise benutzt wurde, gäbe es zumindest zwei Möglichkeiten:

Erstens wäre es möglich, dass Kräfte in einem Geheimdienst die Dokumente absichtlich an die Öffentlichkeit gespielt haben, um die irrsinnige Ukraine-Politik der Biden-Administration auszubremsen. Immerhin hat der legendäre US-Journalist Seymour Hersh kürzlich darauf hingewiesen, dass „zwischen der Führung des Weißen Hauses und den Geheimdiensten ein völliger Bruch“ bestehe (https://www.anti-spiegel.ru/2023/neuer-hersh-artikel-korruption-in-kiew-und-konzeptlosigkeit-in-den-usa/). Insbesondere vom ideologischen Extremismus der Neocons in der Regierung, also von Jake Sullivan, Victoria Nuland und Antony Blinken, dürften rationalere Geheimdienstler und Militärs genug haben.

Zweitens könnte es sich bei den Leaks um eine Kriegslist der USA handeln. Etliche russische Analysten vermuten, dass es sich in Wahrheit um ein „kontrolliertes Leck“ handle, um die russische Militärführung falsch zu informieren und auf falsche Fährten zu locken.

Und schließlich sollte nicht übersehen werden: Die geleakten Dokumente sind eine Momentaufnahme der Situation im Februar. Seitdem kann die Nato die Armee des ukrainischen Regimes weiter aufgerüstet und tausende weitere Soldaten und Söldner einsatzbereit gemacht haben.

Eric Angerer ist Historiker, Journalist und Sportlehrer. Er unterstützte lange Zeit betriebliche Selbstorganisation von Beschäftigten in Industrie und Gesundheitswesen und war zuletzt im Widerstand gegen das Corona-Regime aktiv.

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