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Bachmut ist gefallen
Ukraine

Bachmut ist gefallen

Wagner-Chef Prigoschin verkündet den Sieg

Nach neun Monaten blutiger Kämpfe haben die Kämpfer der russischen Privatmiliz Wagner die Stadt im Donbass vollständig erobert. Das Dementi aus Kiew ist wenig glaubwürdig.

224 Tage lang war um Bachmut gekämpft worden. Um 12 Uhr mittags am 20. Mai hat Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin nun, mit einer russischen Fahne in den Händen und umringt von seinen Kämpfern den Sieg verkündet. Das Regime in Kiew dementierte die Meldung umgehend. Das ist allerdings unglaubwürdig, denn einschlägige pro-ukrainische Berichterstatter bestätigten gleichzeitig auf Twitter Prigoschins Meldung. So schrieb der Kriegsreporter Illia Ponomarenko: „Halte durch Bachmut. Wir sehen uns wieder.“

Und WarFrontline mit ähnlichem Pathos: „Die Verteidigung der Stadt Bachmut wurde abgeschlossen. Ruhm allen ukrainischen Helden, die die Stadt neun Monate lang bis zum Ende verteidigt haben, unter schwierigen Bedingungen, gegen einen Feind, der personell und mit Munition überlegen war. Wir werden zurückkehren.“

„Fleischwolf“

Die Stadt, die von 1924 bis zur antikommunistischen Umbenennung 2016 Artjomowsk hieß, hatte 2019 noch 75.000 Einwohner. 2014 hatte sich die fast rein russischsprachige Stadt der Volksrepublik Donezk angeschlossen, war aber schließlich von ukrainischen Truppen erobert worden. Nach den letzten neun Monaten und der bisher vermutlich blutigsten Schlacht des 21. Jahrhunderts ist Bachmut nun ein Trümmerfeld.

Genauere Zahlen über die in Bachmut gefallenen Soldaten liegen nicht vor, aber es werden viele Tausend, wenn nicht Zehntausende sein. Nicht zufällig wurde die Schlacht von den „Musikern“, wie die Wagner-Kämpfer von den Bewohnern des Donbass meist genannt werden, als „Fleischwolf“ bezeichnet.

Bedeutung der Schlacht um Bachmut

Von westlichen Medien wurde das verbissene Ringen oftmals als militärisch sinnlose Prestigeangelegenheit hingestellt. Eine symbolische Bedeutung ist der Schlacht und nun dem russischen Sieg tatsächlich nicht abzusprechen. Es gibt aber durchaus auch handfeste Gründe für die Hartnäckigkeit in diesem Kampf.

Für die ukrainische Seite war Bachmut ein wichtiger Bestandteil der seit 2014 massiv befestigten Frontlinie zum Donbass, eine Festung aus Stahlbeton. Durch das lange Halten von Bachmut wollte man ein rasches russisches Vordringen in die weniger befestigten Gebiete Tschasssow Jar und Slawiansk-Kramatorsk verhindern. Das könnte auch partiell gelungen sein, denn in den letzten Monaten hat die Ukraine sicherlich auch bei diesen Städten Stellungen ausgebaut.

Für die russische Seite ging es anfänglich um zwei Dinge: erstens um das Durchbrechen der genannten ukrainischen Festungslinie und zweitens darum, die ukrainische Armee von der Millionenstadt Donezk wegzudrängen, die seit 2014 ständig mit Artillerie beschossen wurde und einen Blutzoll von tausenden Zivilisten hatte.

In den letzten Monaten kam für Russland ein zusätzliches Motiv hinzu. Man hatte zwar den Nachteil der angreifenden Seite auf starke Befestigungen, aber gleichzeitig eine deutliche Überlegenheit an Artillerie. Schließlich wurde die Stadt weitgehend eingekesselt. Und so hatten zwar auch die Wagners erhebliche Verluste, die auf ukrainischer Seite waren aber wohl dramatisch höher. Und da das Regime in Kiew immer neue Einheiten nach Bachmut schickte – und zwar sowohl frisch rekrutiertes „Kanonenfutter“ als auch Verbände mit hohem Kampfwert –, konnten die Wagners in Bachmut immer neue ukrainische Truppen zermalmen.

Bilanz und Perspektiven der Schlacht

Dieser Preis wurde für die Ukraine nun wohl zu hoch beziehungsweise der Kessel immer enger. Die um den 12. Mai gestartete ukrainische „Offensive“ in Bachmut, die von vielen westlichen Medien als „Wende“ im Kampf um die Stadt imaginiert wurde, war in der Realität ein begrenzter Angriffe auf die russischen Flanken, um den schmalen verbliebenen Zugang zur Stadt etwas zu weiten. So konnten die letzten ukrainischen Truppen Bachmut verlassen, ohne komplett zusammengeschossen zu werden.

Insgesamt hat die Ukraine in Bachmut sehr viele Soldaten verloren, die sie für ihre lang angekündigte große Gegenoffensive im Süden oder sonst wo gebraucht hätte. Gleichzeitig hat sie Zeit gewonnen, um sich hinter Bachmut neu einzugraben. Russland konnte die feindliche Festungslinie aufbrechen, der Ukraine schwere personelle Verluste zufügen – und schließlich einen symbolisch bedeutenden Sieg erringen.

Wie es nun um Bachmut weitergeht, hängt von etlichen Faktoren, unter anderem vom generellen Kriegsverlauf ab. Die Wagner-Truppe wird in der Stadt wohl von regulären Truppen abgelöst werden, die das Gebiet sichern werden. Ob den Wagners, die die Hauptlast des brutalen Kampfes getragen haben, eine Erholungspause gegönnt wird, bleibt abzuwarten.

Eine russische Option wäre, nun auf Slawiansk-Kramatorsk vorzustoßen, das schon 2014 eine Hochburg des Widerstands gegen den nationalistischen Putsch in Kiew war. Damit könnte man auch den letzten Ballungsraum des Donbass einnehmen.

Vielleicht wird die russische Armee aber auch Awdejewka und Marijnka als prioritär ansehen, zwei vom Kiewer Regime massiv befestigte Städte, die unmittelbar an Donezk angrenzen und von denen aus die Millionenstadt jahrelang von der ukrainischen Artillerie beschossen wurde. Dort hat die russische Armee bereits operative Kessel gebildet, die man nun zuziehen könnte, um den Beschuss von Donezk abzustellen.

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