ressorts.
Ärzte auf der Anklagebank – statt in der Praxis
Justiz

Ärzte auf der Anklagebank – statt in der Praxis

Statue der Justizia

Foto: Pixabay/Björn Bielesch

Länder wie Slowenien erstatten alle Strafen infolge der Corona-Maßnahmen. Nicht in Deutschland: Hierzulande wird eine Ärztin wegen Verstoßes gegen das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Freien angeklagt.

Nach dem Fall Heinrich Habig am Landgericht Bochum gab es am Mittwoch im Amtsgericht Münster einen weiteren Gerichtsfall, der viele Fragezeichen hinterlässt. Die 58-jährige Tierärztin Claudia Schoene musste sich vor dem Amtsgericht wegen vier Ordnungswidrigkeiten verantworten. Der Vorwurf ist immer derselbe: vierfacher Verstoß gegen die Maskenpflicht im Freien.

Das Besondere dabei ist, dass Schoene eine gültige Maskenbefreiung eines Augenarztes stets bei sich geführt hat. Diese wurde auf Verlangen der Ordnungskräfte auch vorgezeigt. Die Männer des Ordnungsamtes machten unterschiedliche Aussagen, warum sie dieses ärztliche Attest nicht anerkannt hatten. Einer sagte, ein Augenarzt dürfe keine Maskenatteste ausstellen. Ein anderer behauptete, Augenärzte hätten keine Approbation, und ein weiterer war der Ansicht, dass nur Lungenfachärzte Maskenatteste ausstellen dürfen.

Solche Ordnungswidrigkeiten schaffen es noch heute in die Gerichte, obwohl selbst Gesundheitsminister Karl Lauterbach bei Markus Lanz am 9. Februar 2023 wörtlich sagte: „Was Schwachsinn gewesen ist, wenn ich so frei sprechen darf, sind diese Regeln draußen.“

Die Angeklagte

Die studierte (Tropen-)Veterinärmedizinerin und Epidemiologin setzt sich seit Jahrzehnten weltweit für das Tierwohl ein. Eines ihrer Schwerpunktthemen ist die Verbreitung von Viren und Krankheiten unter den Tieren Afrikas, speziell bei den großen Herden. Zwischenzeitlich arbeitete sie beim Robert Koch-Institut (RKI) und war dort unter anderem für die Sicherheit des Papstes beim Besuch in Deutschland mitverantwortlich.

Die Verhandlung im Amtsgericht Münster begann pünktlich um 9 Uhr. Erschienen waren sieben Zeugen vom Ordnungsamt sowie der Augenarzt und Lebensgefährte der Angeklagten, Dr. med. Gerald Kienecker, der sich zu dem Attest äußerte. Zu Beginn fragte der Richter, ob der Anwalt noch kommen würde. Claudia Schoene äußerte sich irritiert, da sie eine siebenseitige Verteidigungsschrift verfasst hatte, in der auch explizit steht, dass sie ohne Anwalt zum Termin erscheinen werde. Diesen Schriftsatz hatte die Tierärztin persönlich am 07. Juni bei Gericht abgegeben und sich den Eingang schriftlich bestätigen lassen.

Der Richter gab bekannt, dass er dieses Schreiben nicht erhalten habe, und setzte die Verhandlung fort, mit der Bemerkung, die Angeklagte könne sich ja gleich mündlich dazu äußern. Anschließend verlas der Richter die Anklage: Claudia Schoene habe in vier Fällen gegen die Schutzverordnung zum Tragen einer Maske verstoßen. „Die Stadt“ gehe davon aus, dass ihr Attest ungültig sei. Die Nachfrage der Angeklagten, wie die Stadt zu dieser Erkenntnis komme, wurde nicht beantwortet. Dann fragte Richter, ob die Angeklagte eine Maske getragen habe.

Nachdem Schoene erklärte, wegen einer Befreiung in keinem der Fälle eine Maske getragen zu haben, wurden alle sieben Zeugen des Ordnungsamtes hereinzitiert. Ihnen wurde mitgeteilt, dass sie als Zeugen entlassen seien. Die Vorgehensweise des Amtsgerichts Münster wirkt irritierend: Obwohl das „Nicht-Tragen“ einer Maske von der Medizinerin nie vorher bestritten worden war, lud es sieben Männer vom Ordnungsamt als Zeugen vor, damit sie bezeugen, dass Schoene keine Maske getragen hatte.  Wäre der abgegebene Schriftsatz gelesen worden, hätte sich das Gericht die Vorladung sparen können.

Die erfahrene Ärztin hatte dann Gelegenheit, ihre Ansicht zum Maskentragen zu erläutern. Unter anderem erklärte sie, dass sich Viren und Pilze in dem warm-feuchten Milieu der Maske stark ausbreiteten. Der Co2-Anteil erhöhe sich drastisch bis hin zu einer gefährlichen Konzentration. Durch das Tragen der Maske könnten Kopfschmerzen ausgelöst werden, während Plastikpartikel durch die FFP2-Masken in die Lunge gelangten, so Schoene. Nach ihrer Erklärung wurde der Augenarzt Dr. Gerald Kienecker als Zeuge aufgerufen. Er begründete auf Nachfrage des Richters, warum Schoene seiner Einschätzung nach keine Maske tragen könne.                                                                                                                                                     

Hören, ohne hinzuhören

Der kürzlich in Rente gegangene Augenarzt schilderte detailliert, dass seine Lebensgefährtin auf einem Auge fast blind sei und auf dem anderen Auge minus 11 Dioptrien habe. Das Tragen einer Maske führe bei Brillenträgern zu häufigem Beschlagen der Gläser. Wenn bei der einäugigen Frau das Brillenglas auf dem sehenden Auge beschlägt, sei sie hilflos und eine Gefahr für sich und andere, so Kienecker weiter. Bürgersteige oder Treppen könnten in dem Zustand nicht erfasst werden. Es bestünde eine erhöhte Sturzgefahr mangels Orientierung. Es folgten detaillierte fachwissenschaftliche Aussagen mit dem Fazit: Aus ärztlicher Sicht sei es unverantwortlich, Schoene zum Tragen einer Maske zu raten. Insgesamt führte Dr. Kienecker fünfzehn Minuten sachlich aus, warum seine Lebensgefährtin keine Masken tragen dürfe. Darauf nahm der Richter in der Urteilsverkündung jedoch keinen Bezug.

Masken schaden, Nutzen nicht erkennbar.

In ihrem Schlussplädoyer erklärte die Angeklagte dem Richter, wie sich die Pandemievorschriften 2020 verändert haben. Sie wies noch einmal auf die Schädlichkeit der Masken hin, mit Verweis auf entsprechende Aussagen des Tierarztes und RKI-Chefs Lothar Wiehler sowie des Virologen Christian Drosten. Der Richter unterbrach die Ausführungen und schien an ihnen nicht interessiert zu sein.

Der Richter verurteilte Schoene zu einer Gesamtstrafe von 600 Euro und der Übernahme der Gerichtskosten. Begründung: Das Tragen einer Maske sei als verhältnismäßig angesehen worden und deshalb auch zu befolgen gewesen. Die Aussage Kieneckers fand in der Urteilsverkündung keine Erwähnung. Aufgrund der Geldstrafe von unter 200 Euro pro Fall kann nur ein Antrag auf Berufung gestellt werden.

Diesen Artikel teilen:

Facebook
Twitter
LinkedIn
Telegram

schwarz auf weiß unterstützen

Freiwilliges Zeitungs-Abo oder Einzelspende an:

IBAN: DE83 1005 0000 0191 2112 65
(BIC: BELADEBE)

Kontoinhaber: Flugwerk UG (haftungsbeschränkt)

oder hier PayPal –

Ein Abo ist freiwillig. Alle Inhalte sind ohne Bezahlung verfügbar.

ODER
alles von Paul Brandenburg

Spenden an Paul Brandenburg persönlich werden für alle seine Projekte verwendet: