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Preis für Menschlichkeit als Alternative zum kriegerischen Karlspreis
Friedensbewegung

Preis für Menschlichkeit als Alternative zum kriegerischen Karlspreis

Eugen Drewermann am 22. Mai 2022 beim Friedenskongress in der Humboldt-Universität zu Berlin

Der Karlspreis der Stadt Aachen soll in diesem Jahr an den Kiewer Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gehen. Dagegen regt sich Protest. Alternativ wird erstmals der „Aachener Preis für Menschlichkeit“ an Eugen Drewermann vergeben.

Am 14. Mai 2023 soll der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj den Internationalen Karlspreis der Stadt Aachen verliehen bekommen. Es wird damit gerechnet, dass er ihn persönlich entgegennehmen wird, auch wenn die Bundesregierung den Aufenthalt Selenskyjs bisher nicht offiziell bestätigt hat.

Der Preis soll dem Kiewer Präsidenten und dem ukrainischen Volk verliehen werden, so die offizielle Mitteilung. „Das ukrainische Volk verteidigt unter der Führung seines Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nicht nur die Souveränität seines Landes und das Leben seiner Bürger, sondern auch Europa und die europäischen Werte“, heißt es in der Begründung. Und weiter: „Selenskyj ist Diplomat, Aufrüttler und, wenn es nach seiner Auffassung sein soll, auch wortstarker Kritiker.“

Nicht erwähnt wird, dass Selenskyj 2019 von einer Mehrheit der ukrainischen Wähler zum Präsidenten gemacht wurde, auch weil er dem Land versprochen hatte, für Frieden in der Ostukraine zu sorgen. Doch in der Folgezeit führte auch seine Politik zu einer Zuspitzung des Konflikts um den Donbass und somit auch zum russischen Einmarsch am 24. Februar 2022. Die anfängliche Bereitschaft des Kiewer Präsidenten zu einer Verhandlungslösung soll Berichten zufolge vor allem nach westlichem Druck zurückgenommen worden sein.

Kriegerischer Namensgeber und Nazi-Seilschaften

Der Karlspreis der Stadt Aachen wird seit 1950 an Persönlichkeiten verliehen, die sich angeblich um die Einheit Europas verdient gemacht haben. Impulsgeber für den Preis war am 19. Dezember 1949 der Aachener Textilunternehmer Kurt Pfeiffer. Offiziell wird „die grundlegende und anspruchsvollste Zielsetzung des Preises, die Verständigung zwischen den Völkern“, betont. Die Vergabe ist eindeutig politisch motiviert.

Der Publizist Wolfgang Effenberger macht in einem Beitrag auf der Plattform apolut auf die Geschichte des Preises aufmerksam: „Die Kritik am Karlspreis ist so alt wie die Auszeichnung selbst. Mit Bezug auf einen Bericht des US-Nachrichtenoffiziers Saul Kussiel Padover wurde die Idee des Karlspreises wegen der Mitgliedschaft Pfeiffers in der NSDAP und fünf weiteren NS-Organisationen sowie den ebenfalls NS-belasteten Mitgliedern des ersten Karlspreis-Direktoriums, Oberstadtdirektor und Bürgermeister Albert Servais und Hochschulprofessor Peter Mennicken, kritisch hinterfragt. Zusätzlich wurde der Preis als vermeintliche und nicht angebrachte Mystifizierung Karls des Großen, seiner Politik and seines Reichs interpretiert.“

Auch die Auswahl der Karlspreisträger wurde laut Effenberger kritisiert: Die Auszeichnung gehe fast nur an konservative Politiker. Zugleich seien die Verleihungen von Demonstrationen begleitet worden. „Die Kritik ist berechtigt“, so Effenberger, „denn sowohl bei der heutigen EU als auch beim Karlspreis handelt es sich um einen Etikettenschwindel“. 

Auch das Onlinemagazin NachDenkSeiten hat sich mit den politischen, ideologischen und historischen Hintergründen des Karlspreises beschäftigt. Autor Florian Warweg erinnert in seinem Beitrag unter anderem: „‚Sterben soll, wer Heide bleiben will‘ – unter diesem Leitmotiv überzog der Namensgeber des Preises, Karl der Große, vier Jahrzehnte lang einen Großteil Europas mit Krieg.“ Und: „Der Karlspreis war von Beginn an als ein gegen den sowjetischen Raum gerichtetes Propagandainstrument im beginnenden Kalten Krieg gedacht. An dieser Ausrichtung des Preises ließ der Initiator, das ehemalige NSDAP-Mitglied Pfeiffer, keinen Zweifel aufkommen.“ Insgesamt ist die Vergabe an den Kiewer Kriegspräsidenten Selenskyj demnach mehr als folgerichtig. Allerdings dürfte er ihn nicht bekommen, wäre das mit dem Ziel der Völkerverständigung ernst gemeint.

Alternativpreis für friedensbewegten Theologen

Robert De Lapuente macht in einem Beitrag für das Onlinemagazin Overton ebenfalls darauf aufmerksam. Er verweist darauf, dass in diesem Jahr in Aachen am 18. Mai erstmals eine Alternative zum Karlspreis verliehen wird: der erste „Aachener Preis für Menschlichkeit“, gestiftet vom Bündnis „Diplomatie statt Waffen und Sanktionen“, angeregt durch das seit Jahrzehnten in der Friedensbewegung aktive Würselener Ehepaar Klein. Diesen alternativen Preis soll der Theologe Eugen Drewermann erhalten, der sich seit Jahrzenten für Frieden einsetzt. Die Laudatio wird den Angaben nach der Dokumentarfilmer Dirk Pohlmann halten.

Das Aachener Bündnis ruft zudem gemeinsam mit anderen zu einer Protestkundgebung am 14. Mai gegen die Preisverleihung an Selenskyj auf. In dem Aufruf heißt es unter anderem: „Wir wollen diesen Krieg nicht! Wir wehren uns gegen das unablässige Anheizen dieses Krieges durch die Politik der NATO und der Mainstream-Medien in Deutschland.“ Gefordert werden diplomatische Lösungen, um den krieg so schnell wie möglich zu beenden. Die Organisatoren laden alle ein, „die mit ehrlichem Frieden im Herzen für Freund und Feind ein deutliches Zeichen für Frieden und Neutralität setzen und gemeinsam protestieren und feiern wollen“.

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