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Die Bankenkrise und die Weltwirtschaft
Wirtschaftskrise

Die Bankenkrise und die Weltwirtschaft

Foto: Pexels, Andrea De Santis
Der Kollaps der Silicon Valley Bank und das Desaster der Credit Suisse sind keine Überraschung. Vielmehr stehen dahinter Entwicklungen der Weltwirtschaft, die sich seit Jahren zuspitzen. Ob sie erneut unter Kontrolle gehalten werden können, ist fraglich.

Der wirkliche Zustand der Weltwirtschaft wurde in den letzten Jahren vor der großen Öffentlichkeit weitgehend verborgen. Schon der Wirtschaftseinbruch in den Jahren 2008 und 2009 war massiv. Die Industrieproduktion etwa ging in vielen Ländern zurück wie seit 1929 und den Jahren danach nicht mehr. Ein völliger Kollaps des Systems konnte aber verhindert werden, und in den zehn danach Jahren erholte sich die Weltökonomie wieder etwas.

Verwertungskrise

Ein wirklicher Aufschwung setzte allerdings auch nicht ein, und grundlegende Probleme wie die Überakkumulation — also übermäßige Anhäufung — von Kapital waren nicht gelöst. Das bedeutete eine andauernde Verwertungskrise des Kapitals, somit immer größere Schwierigkeiten, Kapital profitabel anzulegen. Die Produktionszahlen gingen schon ab 2018 erneut zurück. Und die Negativzinsen sprachen auch eine deutliche Sprache.

Bereits vor der Covid-19-Krise sagten nicht nur Marxisten, sondern auch etliche rechte Ökonomen — etwa Markus Krall, Max Otte, Thorsten Schulte — für 2020/21 den Beginn einer schweren Wirtschaftskrise voraus. Natürlich wussten das nicht nur Kritiker des Systems, sondern auch die Herrschenden in den Konzern- und Bankzentralen sowie die Regierungen. Und klarerweise haben sie sich auf die Krise vorbereitet und Strategien entwickelt.

Notwendig sind für sie und ihr System einerseits eine massive Marktbereinigung durch eine groß angelegte Vernichtung von Kapital und andererseits ein durchschlagender Angriff auf die Arbeiterklasse und eine Enteignung der Mittelschichten. Im 20. Jahrhundert wurden diese „Aufgaben“ durch Weltkriege mehr oder weniger „gelöst“. Die diesbezügliche Strategie des globalistischen Großkapitals lief beziehungsweise läuft zuletzt über drei Ebenen: a) über das Corona-Regime, seine Lockdowns und so weiter, b) Krieg und Sanktionen gegen Russland, c) Klima und Energiepolitik.

Ob Kapitalvernichtung und Massenverarmung auf diese Weise kontrolliert durchgeführt und ein neuer Akkumulationszyklus auf der Grundlage von Biotechnologie, künstlicher Intelligenz, Digitalisierung und so weiter eingeleitet werden kann, muss sich erst zeigen. Denn die Probleme der Weltwirtschaft sind tief, Konflikte in der herrschenden Klasse ebenso programmiert wie mit der Masse der Bevölkerung.

Diagnosen

Sowohl Vertreter der globalistischen Eliten als auch kritische Analysten haben in den vergangenen Wochen und Monaten eindeutige Befunde abgegeben. Kristalina Georgieva vom Internationalen Währungsfonds (IWF) sagte, die Weltwirtschaft stehe vor „der wohl schwierigsten Bewährungsprobe seit dem Zweiten Weltkrieg“. Der frühere BlackRock-Manager Edward Dowd meint, dass „der bevorstehende Finanzkollaps eine mathematische Gewissheit“ sei.

Der Ökonom und geopolitische Denker William Engdahl sieht vor uns „die schlimmste wirtschaftliche Depression der Geschichte“. Der Ökonom Michael Snyder beschreibt, dass im reichsten Land der Welt, „die Zahl der Amerikaner, die Sozialhilfe erhalten, die Zahl der Vollzeitbeschäftigten übertrifft, und 1,2 Millionen Kinder, die öffentliche Schulen besuchen, obdachlos sind“. Er stellt fest, dass „so ein wirtschaftlicher Zusammenbruch aussieht“.

2022 hatten die USA eine Staatsverschuldung von über 30.000 Milliarden US-Dollar – das sind 122 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Zinsen auf diese Schulden werden genauso gezahlt wie Sozialversicherung oder medizinische Versorgung oder „Verteidigung“. Das hat lange funktioniert, weil der Dollar die weltweite Reservewährung war. Allen Greenspan, der langjährige Vorsitzende der Bundesbank FED, hatte 2011 schamlos gesagt: „Die Vereinigten Staaten können jede Schuld bezahlen, weil wir immer Geld drucken können, um sie zu bezahlen.“ Dass Russland, China, Indien, Saudi-Arabien und andere Staaten nun beginnen, Erdöl in anderen Währungen zu handeln, könnte das Ende dieses Zustandes einläuten.

Die Verschuldung ist aber nicht nur in den USA extrem hoch, sondern weltweit. 2007 machten die globalen Schulden von Regierungen, Nicht-Finanzunternehmen und privaten Haushalten 195 Prozent des Weltsozialprodukts aus, 2021 waren es bereits 247 Prozent. Der deutsche Professor für Volkswirtschaftslehre Christian Kreiß dazu: „Man hat das Schuldenproblem von 2007, die seinerzeit zu hohen Schulden, also in den letzten 14 Jahren mit noch mehr Schulden ‚gelöst‘.“ Und durch so genanntes Shadow Banking dürften die Schulden tatsächlich noch höher sein.

Perspektiven

Die zahlreichen Zombie-Unternehmen, deren Zinsverpflichtungen höher sind als ihre Gewinne, haben zuletzt jahrelang von den niedrigen Zinsen profitiert und konnten so am Leben bleiben. Durch die steigenden Zinsen im vergangenen Jahr stehen diese Unternehmen nun mit dem Rücken zur Wand, können nicht mehr zahlen – was wiederum Probleme für die Banken bedeuten wird. Für Staaten mit sehr hohen Schulden, etwa Italien, Griechenland oder die Türkei, gilt dasselbe. Wenn man als Gegenmaßnahme aber, wie nach der Krise 2008/09, weiter den Geldhahn aufdreht, wird die Inflation weiter explodieren.

Die Prognose von Kreiß: „Es dürften weitere Bankprobleme und Finanzturbulenzen auf uns zukommen. Die Schuldenlast muss in irgendeiner Form reduziert werden. Wenn das Problem nicht an der Wurzel angepackt wird und entweder ein Schuldenschnitt kommt oder die Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen reduziert wird, dann könnte eine Marktbereinigung kommen in Form eines starken Kapitalmarktsturzes mit anschließender Wirtschaftskrise oder eine hohe Inflation mit anschließender Wirtschaftskrise. Oder Krieg.“

Ähnlich sieht das Michal Hudson, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Missouri. In dem kürzlich veröffentlichten Text „Why the Bank Crisis isn’t Over“ geht er davon aus, dass die Krise deutlich heftiger wird als 2008/09. Die Zusammenbrüche von Silvergate, Silicon Valley Bank und Signature Bank seien schlimmer als damals, weil es sich diesmal nicht um betrügerische Banken handeln würde, die schlechte Hypothekenkredite vergeben hatten. Das Problem sei diesmal das Finanzsystem selbst. „Kurz gesagt, die Lösung der Illiquiditätskrise von 2009, die die Banken vor Geldverlusten bewahrte (um den Preis, dass die Wirtschaft mit enormen Schulden belastet wurde), ebnete den Weg für die tiefgreifende systemische Illiquiditätskrise, die erst jetzt deutlich wird.“

Wenn die US-Notenbank die Zinssätze auf ein normales Niveau hebe, müsse es „zu einem Finanzcrash kommen“. Und Hudson weiter: „Das zugrundeliegende Problem ist, dass die zinstragenden Schulden exponentiell wachsen, die Wirtschaft aber einer S-Kurve folgt und dann abfällt. Und wenn sich die Wirtschaft abschwächt – oder absichtlich gebremst wird, wenn die Löhne und Gehälter dazu neigen, mit der Preisinflation gleichzuziehen, die durch Monopolpreise und die antirussischen US-Sanktionen verursacht wird, die die Energie- und Lebensmittelpreise in die Höhe treiben, übersteigt der Umfang der finanziellen Forderungen an die Wirtschaft die Zahlungsfähigkeit.“ Das sei die eigentliche Finanzkrise, mit der die Wirtschaft konfrontiert sei. Sie gehe über das Bankwesen hinaus.

Eric Angerer ist Historiker, Journalist und Sportlehrer. Er unterstützte lange Zeit betriebliche Selbstorganisation von Beschäftigten in Industrie und Gesundheitswesen und war zuletzt im Widerstand gegen das Corona-Regime aktiv.

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