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Erste Anhörung zur Erhöhung des Mindestlohns
Bundestag

Erste Anhörung zur Erhöhung des Mindestlohns

Portemonnaie mit Münzen

Foto: Pixabay/Thomas Ulrich

Die Linke will den gesetzlichen Mindestlohn anheben. Die Ampel und die Union vertrauen auf die Mindestlohnkommission. Die AfD fordert Steuersenkungen.
 
Der Deutsche Bundestag beriet am Donnerstagabend erstmals über eine Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns. Konkret ging es um den Antrag „Gesetzlichen Mindestlohn gemäß EU-Mindestlohnrichtlinie erhöhen“, den die Linksfraktion eingebracht hatte. Die Linkspartei beruft sich darin auf eine Empfehlung der EU und fordert, den Mindestlohn auf 60 Prozent des Bruttomedianlohns anzuheben. Für Deutschland würde das eine Steigerung von gegenwärtig zwölf auf 13,53 Euro brutto pro Stunde bedeuten, so die Abgeordneten. Außerdem soll die Mindestlohnkommission nicht mehr alle zwei Jahre wie bisher, sondern jährlich eine Anpassung des Mindestlohns beschließen und ihre Stellungnahmen transparent veröffentlichen.

Eingeleitet wurde die Debatte von der Abgeordneten Susanne Ferschl (Die Linke), die zu Beginn ihrer Rede auf Arbeitsminister Hubertus Heil zu sprechen kam. Heil erwarte eine deutliche Steigerung des Mindestlohns. Das habe er jüngst in der Presse zum Ausdruck gebracht, erklärte die Abgeordnete. Doch anstatt Erwartungshaltungen zu äußern, solle der Minister lieber aktiv werden und das Mindestlohngesetz anpassen, fuhr Ferschl fort.

Sie verwies auf die EU-Empfehlung, 60 Prozent des mittleren Einkommens als Untergrenze für nationale Mindestlöhne festzulegen. So könne verhindert werden, dass der Mindestlohn erneut zum Armutslohn werde und in Zukunft wieder einer politischen Festlegung bedürfe. Insbesondere die über sechs Millionen Beschäftigten im Niedriglohnsektor würden unter den aktuellen Preissteigerungen leiden. Sie appellierte an das Parlament, die soziale Spaltung zu verhindern, und zitierte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, das erst kürzlich eine wachsende Ungleichheit bei den Arbeitseinkommen in Deutschland festgestellt habe. Zum Ende ihrer Rede ging Ferstl über die Mindestlohn-Erhöhung hinaus und forderte eine Stärkung der Tarifbindung. Mindestlöhne seien zwar notwendig und gut, Tarifverträge aber besser.

Als nächster trat Bernd Rützel von der SPD ans Rednerpult. Die gesetzliche Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro im vergangenen Oktober, betonte er, sei richtig gewesen. Dadurch seien die Löhne von 6,2 Millionen Beschäftigten um 22 Prozent gestiegen. Abzüglich der Inflation in Höhe von zehn Prozent sei im Geldbeutel der Menschen immer noch einiges übrig. Grundsätzlich sollten jedoch die Tarifvertragsparteien über die Anpassung des Mindestlohns entscheiden. Deshalb vertraue er auf die Mindestlohnkommission, die am kommenden Montag hoffentlich ein gutes Ergebnis vorlegen werde.

Gleichzeitig griff Rützel den letzten Punkt seiner Vorrednerin auf. Der Mindestlohn sei lediglich ein Mindeststandard. Goldstandard seien Tariflöhne und Tarifverträge. Das gehe auch aus der zitierten EU-Mindestlohnrichtlinie hervor. Wenn die Tarifbindung in einem Mitgliedsstaat auf unter 80 Prozent fällt, heiße es dort, muss die Regierung einen Aktionsplan aufstellen. Da die Quote in Deutschland bei lediglich 50 Prozent liege, bestehe Handlungsbedarf. Aus diesem Grund werde Arbeitsminister Heil in Kürze einen Gesetzesentwurf vorlegen, damit öffentliche Aufträge zukünftig an Unternehmen vergeben werden, die der Tarifbindung unterliegen.

Der CDU-Abgeordnete Axel Knoerig lehnte den Vorstoß der Linkspartei entschieden ab. Die Union setze auf die soziale Marktwirtschaft, betonte er. Faire Löhne gebe es dann, wenn sie von starken Sozialpartnern ausgehandelt würden. Deshalb trete seine Partei für eine breite Tarifbindung und gegen staatliche Eingriffe ein. Dieses Prinzip gelte auch für den Mindestlohn, über dessen Erhöhung nicht die Regierung, sondern die Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Rahmen der Mindestlohnkommission entscheiden sollten. Wenn den Bürgern immer weniger Netto vom Brutto bleibe, sei das auf eine verfehlte Regierungspolitik zurückzuführen. Ein diktierter Mindestlohn schaffe keine Abhilfe. Knoerig kritisierte die Ampelkoalition für die Einführung des Bürgergelds, das Arbeitsanreize verringere, und monierte das teure und unklar formulierte Heizungsgesetz. Ferner bemängelte er das Fehlen einer Eigenheimförderung.

Auch Wolfgang Strengmann-Kuhn (Grüne) wies den Antrag der Linksfraktion zurück und stellte die Bedeutung der Mindestlohnkommission heraus. Er rechne angesichts der Tarifentwicklung fest damit, dass die Kommission eine deutliche Erhöhung beschließen werde. Den politischen Eingriff im Oktober bezeichnete er als einmaligen Schritt. Darüber hinaus relativierte Strengmann-Kuhn die Behauptung, die EU würde einen Schwellenwert von 60 Prozent des Bruttomedianlohns empfehlen. Vielmehr würden die 60 Prozent als Marke genannt, an der sich die Mitgliedsländer orientieren könnten. Gegenwärtig habe Deutschland diesen Wert noch nicht erreicht.Mit der Erhöhung auf zwölf Euro habe man indes einen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Der Grünen-Abgeordnete begrüßte es ausdrücklich, dass die EU eine Richtlinie zum Mindestlohn geschaffen und damit den Weg für ein sozialeres Europa geebnet habe. Als nächste Schritte wünsche sich seine Partei eine Richtlinie zur Grundsicherung und als Fernziel eine europäische Arbeitslosenversicherung.

Genau das Gegenteil vertrat Gerrit Huy von der AfD-Fraktion. Huy wehrte sich gegen die Mindestlohnrichtlinie, die sich Brüssel angemaßt habe, und beharrte auf die Souveränität der Nationalstaaten. Eine Erhöhung des Mindestlohns lehne ihre Partei ab. Zum einen sei der Mindestlohn zuletzt schon stark gestiegen. Zum anderen würde eine erneute Anhebung die deutschen Betriebe, speziell im Osten, vor große Herausforderungen stellen, wovor jüngst auch das ifo-Institut in Dresden gewarnt habe. Bei steigenden Löhnen sei im Osten mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit zu rechnen, was auch mit den Nachwirkungen der Corona-Lockdowns und mit der Energiepolitik der Regierung zu tun habe. Um das Portemonnaie der Beschäftigten zu füllen, schlug Huy Steuererleichterungen vor. Insbesondere verwies sie auf die Forderung ihrer Partei nach einem höheren Steuergrundfreibetrag. Zudem kritisierte sie die Ampel für steigende CO2-Abgaben, die Erhöhung der Fleischpreise und das Heizungsgesetz.

Jens Teutrine von der FDP lehnte den Antrag der Linken ebenfalls ab und unterstrich den Wert der Mindestlohnkommission. Deren Rolle bestehe insbesondere darin, einen populistischen Überbietungswettbewerb zwischen den Parteien zu verhindern. Würde die Lohnfindung dem Parlament übertragen werden, schriebe jeder seine Lieblingszahl auf das Wahlplakat, so der FDP-Abgeordnete. Beim Mindestlohn gehe es einerseits um den Schutz der Arbeitnehmer, andererseits jedoch um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Deshalb sei es wichtig, dass auch die Arbeitnehmer über eine Anpassung des Mindestlohns entscheiden. Teutrine kritisierte den zunehmenden Einfluss der EU, deren Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sogar Rechtsinstrumente für einen gerechteren Mindestlohn in Europa angekündigt habe. Seine Partei halte das für eine Kompetenzüberschreitung und sehe die Tarifautonomie in Gefahr. Die FDP setze sich für eine möglichst hohe Tarifbindung ein. Die Politik solle sich nicht in die Lohnfindung einmischen, fasste er zusammen.   Nach der Debatte wurde der Antrag in den Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen, wo weitere Beratungen stattfinden werden. In den kommenden Monaten kommt es zu einer zweiten Lesung im Bundestag. Während dessen können etwaige Änderungsanträge vorgebracht werden. Im Anschluss an weitere Beratungen im Ausschuss kommt es dann zu einer dritten und letzten Lesung, in der das Parlament dem Antrag zustimmen oder ihn ablehnen wird.

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