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Kunstfreiheit: Wieviel ist übrig?
Nachlese: Paul Brandenburg live

Kunstfreiheit: Wieviel ist übrig?

Schauspieler Urs Rechn als Gast im Studio

Foto: Screenshot, Quelle: Paul Brandenburg live Nr. 40

Kritische Künstler werden verleumdet, ihnen wird die Bühne genommen oder sie zensieren sich zur Abwendung dieser Folgen gleich selbst. Warum lehnen sich so wenige Künstler gegen diese Drohkulisse auf? Darüber sprach Urs Rechn im Kontrafunk-Podcast mit Paul Brandenburg.

Urs Rechn ist ein Schauspieler, der im oscarprämierten „Saul fia“ mitspielte. Die Zensurkultur erlebte er, als eine von ihm geplante Lesung von Texten des umstrittenen Autoren Ernst Jünger abgesagt wurde. Der Veranstalter gab als Grund mangelnde Vorverkaufszahlen an. Dies kam Rechn „spanisch vor“, zumal ihn daraufhin „150 bis 160 Anrufe von wildfremden Leuten“ erreicht hätten. Alternativ findet die Lesung nun am 3. Juni um 18 Uhr in Schönhagen statt (Am Flugplatz 1, Trebbin). Warum so viele in der Künstlerszene „sang- und klanglos“ mitmachten, fragte Brandenburg. Als Beispiele für kritische Künstler nannte er die von Zensur berichtende Autorin Donna Leon, den verstoßenen Komiker Nikolai Binner und den Musiker Jens Fischer Rodrian, dessen Auftritte zu 80 Prozent abgesagt würden. Rechn entgegnete, auch seine offene Kritik an den Corona-Maßnahmen habe ihren Preis: „Die letzten drei Jahren waren die reinste Salzsäure, da hat sich alles aufgelöst, was ich mir vorher aufgebaut hatte.“ Es gebe durchaus Regisseure, die ihn „gern etwas prominenter besetzen wollen“, jedoch seien teilweise die „größten Geldgeber öffentlich-rechtliche, und dann fall ich in einigen Fällen einfach raus“. Rechn resümiert: „Wenn du die Macht hast, etwas zu verbieten, dann hast du Macht über andere Menschen.“

Immer noch 1G in der Kulturbranche

Die anrufende Künstleragentin Sabine sagte: „Wir haben eigentlich noch immer 1G in vielen Bereichen der Kulturbranche.“ Künstler seien noch heute laut Corona-Klauseln in den Arbeitsverträgen verpflichtet, „vollständig immunisiert“ zu sein. Daran hänge der Zugang zum Arbeitsmarkt für Künstler, um überhaupt vorsprechen zu können. Rechn sagte, diese Verordnungen seien von Verbänden organisiert. Solange nicht genügend Leute ihren Unmut darüber offen äußerten, werde sich nichts ändern. Ginge eine kleine Produktion mit den Klauseln nicht konform, würde einfach eine andere beauftragt. Auch die Künstler seien in einem Abhängigkeitsverhältnis und würden „einen Teufel tun“, sich kritisch zu äußern. „Die müssen alle ihre Miete zahlen und haben Familie“, so die Künstleragentin Sabine.

#allesdichtmachen

Die anrufende Schauspielerin Anna begründete die Konformität vieler Künstler damit, diese wollten schon vor der Corona-Zeit „gut sein, nicht anecken und gefallen“. Sie schloss: „Was wirklich fehlt, ist Mut.“ In diesem Zusammenhang erwähnte Brandenburg lobend die Aktion #allesdichtmachen, in der namhafte deutsche Schauspieler die damals noch geltenden Corona-Maßnahmen kritisierten. Rechn erklärte: „Die Reaktion darauf war extrem.“ Was er von Schauspielerkollegen über andere Kollegen gehört habe, sei „strafwürdig“ gewesen. Dies habe eine abschreckende Wirkung und konditioniere Künstler auf Konformität mit den Verordnungen.

Shadowbans als Beschränkung der Kunstfreiheit

Künstler seien oft Einzelkämpfer, erklärte der letzte Anrufer, selbst bildender Künstler. Sie hätten keine Chance bekommen, Gehör zu finden, und seien Opfer von „Shadowbanning“ geworden. Als kritischer Künstler bekomme man „ja nirgends einen Artikel oder ein Interview“. Rechn sieht auch darin den Versuch der Beschränkung der Kunstfreiheit. Der Schauspieler erklärte: „Alle meine Vorbilder hatten ihr Herz auf der Zunge. Wenn etwas nicht wahr ist, dann spreche ich das eben aus und versuche, der Unwahrheit entgegenzutreten.“

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