Heute werden Literaturklassiker um bestimmte Begriffe bereinigt. Die Bestseller-Autorin Donna Leon bezeichnet diese Praxis als Zensur – und zieht geschichtliche Parallelen.
Bestseller-Autorin Donna Leon hat die gegenwärtige Cancel Culture mit der Zeit des Kommunismus verglichen. „Wir leben jetzt in einer Welt, in der man nichts schreiben darf, was Leser kränkt, überrascht, verletzt, verstört oder in irgendeiner anderen Weise Empfindlichkeiten berührt“, sagte die 80-jährige US-amerikanisch-schweizerische Schriftstellerin der Neuen Osnabrücker Zeitung vom Freitag. „Das gefällt mir ganz und gar nicht. Das nennt man Zensur.“
Besonders bedenklich findet sie die Praxis, Literaturklassiker um Begriffe und Passagen zu bereinigen. „Im Namen von Werten und Moral redigieren die Leute die Vergangenheit um – genauso, wie es die Kommunisten in Russland gemacht haben.“ Die Cancel Culture bleibe jedoch nicht bei Literaturklassikern stehen, sondern weite sich auf alle gesellschaftlichen Bereiche aus. „Wer eben noch am Tag des Sieges mitmarschierte, wurde im nächsten Jahr schon wieder aus dem Foto retuschiert“, so Leon. Sie sprach sich dafür aus, die Sprache der Vergangenheit als Teil der Geschichte zu akzeptieren.
Donna Leon ist bekannt für ihre Kriminalromane, in denen der venezianische Polizist Commissario Brunetti als Protagonist auftritt. Zu Proteststürmen gegen ihre eigenen Bücher sei es noch nicht gekommen, sagte die Schriftstellerin. Sie habe lediglich in Briefen Kritik erhalten, weil in einem ihrer Krimis ein Hund sterben musste.