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Wirbelfront 2: Links gerichtete Intellektscheißer
Lew Schütz

Wirbelfront 2: Links gerichtete Intellektscheißer

Foto: Pexels, Johannes Plenio

Wie es eben so geht: Als der Maler Rudolf Schlichter 1929 eine der mondänsten Damen Berlins heiratete, taumelte er damit unversehens an den rechten Rand. Auf der neuen Position innehaltend, rieb er sich die Augen und musste zugeben: “…das sind erstaunlich anständige Menschen; ich habe links nie diese unzweideutige Gradheit menschlicher Gesinnung gefunden wie dort. Mit Ausnahme bei den KPD-Arbeitern, aber nicht bei den halb links gerichteten Intellektscheißern.“

Kaum einmal zehn Jahre davor wurde er zusammen mit George Grosz und den Brüdern Herzfelde wegen Beleidigung der Reichswehr angeklagt. Zu einer dadaistischen Ausstellung hatten sie eine Soldatenpuppe mit Schweinskopf als „Preußischen Erzengel“ unter der Decke schweben lassen.

Schlichter wollte „den Phillistern das Genießen unmöglich machen.“ Mitglied der KPD war er bereits in deren Gründungsjahr geworden. Er trat dann 1927 wieder aus, um mit Typen abzuhängen, denen Hitler nicht radikal genug war, wie den Brüdern Jünger, Arnolt Bronnen, Ernst von Salomon oder Ernst Niekisch.

Schlichter legt den Finger auf den wunden Punkt. Denn die Linken sind so verlogen, wie die Rechten schäbig sind. Das kommt bei diesen, zumal bei den Rechtsliberalen, von einem Zuviel an Materialismus, der zum Ideal wird, und bei jenen von zu viel verkorkstem Idealismus, der sich gleichwohl von seinem materialistischen Bezugspunkt nicht loszureißen vermag. Ihre Heuchelei ist eine Erbschaft ihres Kulturprotestantismus. Ihr Karl Marx sieht ja schon aus, wie der Gottvater in einem Bilderkatechismus von Vorschulkindern.

Die linken Gewissensschleicher keimen aus der dumpfen Luft der Gemeindehäuser. Um sie weht Arbeitsgruppenstimmung. Grünen und linken Parteitage ist die gleiche freudlose Betriebsamkeit wie Kirchentagen eigen. Zuweilen werden die erklärten Weltverbesserer zu chiliastischen Blutsadisten und ihre wahnhaften Orgien als Revolutionen verharmlost. Doch Revolution geschieht, dass lernt man im Erdkundeunterricht, wenn die Erde sich um die Sonne dreht.

Die Relevanz der Linken hatte sich in den Jahren zwischen 1916 und 1936 endgültig erledigt. Sie verdampften an der frischen Luft. Wie die Kirchen, die kein Mensch mehr braucht – dass heißt die herrlichen Bauten schon, aber nicht jene, die sie gekapert haben –, wurde die entleerte Hülle der Sozialdemokratie nach der Kapitulation der kämpfenden Einheiten, wider besseres Wissen noch einmal zum staatstragenden Popanz aufgeblasen. Im Osten wie im Westen gleichermaßen, wenn auch unter verschiedenen Feldzeichen.

Aber sobald der in den Feuerstürmen unserer Städte ausgebackene Brandteig von Kirchenchristentum und Linksfühligkeit nicht länger mit der Schlagsahne des Sozialstaates ausgekleidet wird, fällt er zu dem elenden Plinsen zusammen, zu dem ihn der Abgang der Monarchie ausgewalzt hat. Denn der Sozialismus wie der Kapitalismus benötigen die Monarchie, um gestaltend zu wirken. Sie werden von ihr gezähmt und zähmen sie. Sie gibt den Rahmen. Der König ist der größte Unternehmer und der wichtigste Gewerkschafter. Ohne einen Bismarck kann es keinen Bebel geben. Und ohne Bebels Drängen erlässt Bismarck keine Sozialgesetze.

Vielleicht aber ist das explizite Verlangen nach Gerechtigkeit überhaupt ein Anzeichen gesellschaftlichen Niedergangs. Was Goethe im Juli 1793 bei der Belagerung von Mainz beobachtet, stärkt seine Überzeugung, dass „sich der reine, wahre Despotismus aus dem Freiheitssinne entwickelt“. Als einer der flüchtenden Mainzer Taliban vor dem Quartier, das er für den Herzog sondiert, von einem wütenden Mob vom Pferd gezerrt wird, gebietet er Einhalt. Gefragt, warum er den Halunken nicht seinem Schicksal überlässt antwortet Goethe: „Es liegt nun einmal in meiner Natur, ich will lieber eine Ungerechtigkeit begehen als Unordnung ertragen.“  Auch wenn das nur eine nachträgliche Selbststilisierung sein sollte, dann ist es eine sehr gute und bedenkenswerte. Sehr schade für die Wirklichkeit, wenn sie dahinter zurückgeblieben ist.

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