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Panikmache statt Krankheitsprävention – Das RKI modelliert Hitzetote
Gesundheit

Panikmache statt Krankheitsprävention – Das RKI modelliert Hitzetote

Sonnenuntergang

Hitze ist die neue Gefahr. Mit einem wöchentlichen Bericht über Hitzetote beteiligt sich nun auch das RKI an der alarmistischen Stimmungsmache. Offenbar sollen medizinische Rechtfertigungen für geplante restriktive „Hitzeschutzmaßnahmen“ geliefert werden.

Medien und Politik stimmen uns auf die neue Gefahr ein: Tausende Tote durch Hitzewellen. Im Jahr 2021 starben fast 2.000 Menschen in Deutschland an den Folgen von Hitze. Im gleichen Jahr starben übrigens auch 340.000 Menschen an Kreislauferkrankungen. Was unterscheidet die beiden Zahlen, mal abgesehen von ihrer Größe? Bei den Kreislauferkrankungen handelt es sich um feststellbare Todesursachen, die von Ärzten auf Totenscheinen eingetragen werden können. Die Toten durch Hitze sind eine Schätzung. Sie beruhen auf Modellrechnungen, die eine erhöhte Mortalität in den heißen Wochen des Jahres einfach der Hitze zuschlägt. Wie viele Menschen aber tatsächlich direkt an den Folgen von Hitze verstorben sind, ist in der Realität schwer zu ermitteln, gerade weil die Betroffenen meistens alt und in aller Regel vorerkrankt waren.

Das Robert Koch-Institut (RKI), die zentrale Behörde zur Krankheitsüberwachung und -prävention, erklärt: Um die Grundlage für eine Hitzevorsorge zu schaffen, spiele ein gutes Monitoring eine wesentliche Rolle. Daher veröffentlicht das RKI ab jetzt regelmäßig einen Wochenbericht zur hitzebedingten Mortalität. Der erste Bericht erschien am vergangenen Donnerstag und weist insgesamt bereits 30 Hitzetote für diesen Sommer aus. Davon waren 20 Verstorbene über 85 Jahre alt. Die restlichen zehn Toten sind überraschenderweise in keiner der anderen Altersgruppen zu finden.

Hitzetote werden nur geschätzt und nicht erfasst

Warum die Summe der Toten in den Altersgruppen nicht mit dem Gesamtwert der Hitzetoten übereinstimmt, erklärt das RKI so: „Um den Schätzcharakter zu betonen, wird die geschätzte Anzahl hitzebedingter Sterbefälle auf die Zehner­stelle gerundet angegeben.“ Bei diesem „Monitoring“ handelt es sich also nicht um Beobachtungen, sondern nur um Schätzungen. Ausgehend von Modellrechnungen werden in Hitzewochen, in denen die mittlere Temperatur bei mindestens 20°C liegt, Hitzetote modelliert statt erfasst.

Wie akkurat die Modellierungen des RKI sind, soll uns die Abbildung eines Vergleichs der modellierten mit den realen Sterbedaten im Sommer 2022 verdeutlichen, die im Wochenbericht zu finden ist. Tatsächlich fallen hier die Kurven der modellierten und der beobachteten Toten im Sommer zusammen. Aber wie viele der Toten tatsächlich an Hitzefolgen verstorben sind, können wir daraus nicht ableiten. Das RKI schreibt selbst, dass im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie die Mortalität im Sommer 2022 ungewöhnlich hoch war. Daher wurde das Jahr 2022 bei der Bestimmung des langfristigen Trends der Mortalität ausgeschlossen.

Man kennt sich nicht mehr aus. Die besonders hohe Mortalität des Jahres 2022 wird also durch eine Modellierung von Hitzetoten hervorragend abgebildet, obwohl viele dieser Menschen gar nicht an Hitze verstorben sind? Offenbar glauben die Mitarbeiter am RKI, wenn man mit den Corona-Inzidenzen zwei Jahre lang durchgekommen ist, wird auch hier niemand mehr Fragen stellen.

Modellierungen auf schwacher Datengrundlage

Der Sinn von Beobachtungen besteht darin, verschiedene Parameter zu messen, um einen möglichen Zusammenhang der beobachteten Werte zu klären. Um verlässliche Aussagen über die Mortalität in den Sommermonaten zu treffen, wäre eine Messung der Temperatur und eine gleichzeitige Erfassung der hitzebedingt Verstorbenen ein praktikabler Ansatz, damit sich zumindest vorläufige Schlussfolgerungen ziehen lassen.

Aber selbst dann wäre es erforderlich andere Faktoren mit einzubeziehen. Die Gründe für eine erhöhte Sterblichkeit im Sommer sind heterogen. Die Lebens- und gegebenenfalls die Pflegesituationen von alten und kranken Menschen spielen eine entscheidende Rolle für das individuelle Risiko. Aber auch der Zugang zu medizinischer Versorgung, die Erreichbarkeit und die Qualität von Gesundheitseinrichtungen sind wichtige Aspekte für eine realistische Einschätzung der Risiken.

Das RKI beobachtet allerdings nur die wöchentlichen Temperaturdaten und errechnet alleine auf dieser Basis Zahlen, die uns die Gefährlichkeit der Sommerhitze verdeutlichen soll. Da diese Daten dann auch noch kumulativ dargestellt werden, ist zu erwarten, dass der regelmäßige Wochenbericht des RKI in absehbarer Zeit die gewünschte Schockwirkung entfalten dürfte. Dieses Vorgehen hat weder etwas mit Krankheitsprävention oder Bevölkerungsschutz noch mit Wissenschaft zu tun.

Wir wissen nicht, wie viele Menschen wirklich an Hitze sterben werden oder in der Vergangenheit verstorben sind. Wir wissen aber, dass von einem medizinischen Standpunkt aus gesehen, hohe Temperaturen besonders für alte und vorerkrankte Menschen eine Gefahr sein können. Diese Gruppen gezielt zu schützen, wäre sicher ein wichtiges Ziel. Dabei hilft es nicht, mit fragwürdigen Methoden Daten zu produzieren, die als Rechtfertigung für die Einführung von allgemeinen und restriktiven Maßnahmen herangezogen werden sollen, aber letztlich keiner kritischen Prüfung standhalten können.

Dr. Kay Klapproth ist Biologe mit Schwerpunkt Immunologie. Er hat viele Jahre in Forschung und Lehre gearbeitet, zuletzt als akademischer Rat der Universität Heidelberg.

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