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Kritiker der Corona-Maßnahmen – Extremisten mit niedrigem Bildungsniveau
Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung

Kritiker der Corona-Maßnahmen – Extremisten mit niedrigem Bildungsniveau

Eine Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung stellt den Sozialdemokraten für ihre Haltung während der Corona-Krise ein gutes Zeugnis aus. Kritiker der Corona-Maßnahmenpolitik seien hingegen tendenziell politisch rechts, zynisch und systemfeindlich.

Die Friedrich-Ebert-Stiftung setzt sich nach ihrem Selbstverständnis für eine Stärkung der Zivilgesellschaft und für die Grundwerte einer sozialen Demokratie ein. Gerade hat sie die Ergebnisse eines Projekts mit dem Titel “Die COVID-19 Krise – Folgen und Lehren für die europäische Sozialdemokratie” vorgestellt. Ziel der Arbeit war es, ein Stimmungsbild der Bevölkerung während der Corona-Krise zu ermitteln. Über einen Zeitraum von zwei Jahren wurden dafür insgesamt 12.000 Personen in sechs EU-Ländern befragt. Wer eine differenzierte oder gar kritische Auseinandersetzung mit politischen Entscheidungen erwartet, dürfte bei der Lektüre der Studie allerdings enttäuscht werden.

Methodisch fragwürdige Studie

Die Teilnehmer der Befragung, die nach Merkmalen wie Geschlecht, Alter, Bildungsstand, wirtschaftlichem Wohlstand eingeteilt worden waren, sollten insgesamt 68 Fragen beantworten, um ihre Einstellung zu politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Themen zu erfassen. Unterschiedliche Wählergruppen wurden dabei anhand ihrer aktuellen Wahlabsichten ermittelt. Das ist sicher die einfachste Methode, um unangenehme Ergebnisse für sozialdemokratische Parteien zu vermeiden: Es ergibt sich zwangsläufig eine hohe Zufriedenheit des eigenen Klientels, wenn die frustrierten ehemaligen Wähler einfach nicht mehr zur linken Mitte gezählt werden. Natürlich geht der Erkenntnisgewinn einer solchen Analyse dann gegen Null und bietet für die sozialdemokratischen Parteien wenig Ansatzpunkte für eine selbstkritische Analyse der eigenen Arbeit.

Die vorgestellte Untersuchung kommt erwartungsgemäß ohne große Überraschungen aus. So erfahren wir, dass „sozialdemokratische Wählerinnen und Wähler zu denjenigen gehören, die das größte Vertrauen in die Politikund die Impfung am stärksten befürwortet haben. Auch war unter Sozialdemokraten die „Mehrheit der Befragten damit einverstanden, dass die Impfung eine Vorbedingung für den Zugang zu öffentlichen und sozialen Aktivitäten sein sollte.

Sozialdemokratische Wähler: hoher Lebensstandard, wirtschaftlich abgesichert

Die Studie vermittelt dennoch einige interessante Einblicke. So zeigten die Umfrageergebnisse nicht nur, „dass die Sozialdemokratie von Wählergruppen unterstützt wird, die wirtschaftlich abgesichert sind und einen höheren Lebensstandard haben“, sondern auch, dass gerade diese Gruppen am wenigsten unter den Corona-Maßnahmen gelitten hätten. Aus den Daten ergäbe sich vielmehr, dass die am härtesten Betroffenen wirtschaftlich schwächer gestellte Personen mit niedrigerem Bildungsniveau gewesen seien. Aber diese Gruppe fühlt sich von sozialdemokratischen Parteien offenbar nicht mehr vertreten. Nach den Umfrageergebnissen gehören nämlich sozialdemokratische Wählerinnen und Wähler in allen Ländern mit Ausnahme von Schweden zu den Menschen mit dem höchsten Lebensstandard. Ob die Ausnahme Schwedens vielleicht auch etwas damit zu tun haben könnte, dass die dort regierende sozialdemokratische Partei auf die massiven Corona-Maßnahmen verzichtete, die vor allem Menschen in prekären Verhältnissen geschadet hätten? Dieser Frage gehen die Autoren der Studie nicht nach.

Die durch die Corona-Pandemie verursachte höhere Belastung wirtschaftlich schwächeren Bevölkerungsgruppe ist nach der Einschätzung der Autoren letztlich die Folge ihres generell niedrigeren Bildungsniveaus, welches größere wirtschaftliche Vulnerabilität, größere Gesundheitsrisiken am Arbeitsplatz und schlechtere Wohnverhältnisse zur Folge habe. Wenn sich diese Abgehängten von der Politik nicht unterstützt fühlten, wäre das jedoch keinesfalls den etablierten Parteien anzulasten. Die Autoren stellen fest: Trotz äußerst wirksamer staatlicher Interventionen und Unterstützung prekärer Gruppen der Gesellschaft während der Pandemie, haben extremistische und populistische Kräfte die Ängste und Befürchtungen dieser benachteiligten Gruppen erfolgreich ausgenutzt.

Kritik der Corona-Maßnahmen wegen niedrigerem Bildungsniveau?

Die extreme Rechte verbreitete demnach zahlreiche Verschwörungstheorien und wissenschaftsfeindliche Propaganda, auf die besonders Menschen mit niedrigerem Bildungsniveau hereingefallen seien. Die Pandemie habe „die ‘kognitive’ Kluft zwischen den hoch gebildeten und den weniger gebildeten Gruppen vertieft, erklären uns die Autoren der Studie. Hinter diesem Hinweis, dass die Informationsverarbeitung bei gebildeten und weniger gebildeten Menschen nach ihrer Ansicht unterschiedlich ablaufe, offenbart sich allerdings auch eine bequeme Arroganz, die davon ausgeht, kritische Menschen wären durch die Komplexität aktueller Probleme überfordert. Dadurch würden sie zu leichten Opfern von Populisten, weil es den etablierten Parteien nicht gelingt, ihnen die Alternativlosigkeit der eigenen politischen Entscheidungen zu vermitteln.

Befürchtungen, dass die Impfstoffe keine Herdenimmunität bringen werden, dass eine Impfpflicht geplant sei oder dass das SARS-CoV-2 Virus möglicherweise aus einem Labor stamme, sind heute längst keine Verschwörungstheorien mehr. Einen Bezug auf aktuelle Erkenntnisse der Wissenschaft oder auf gebrochene Versprechen der Politik suchen wir in der Studie dennoch vergeblich. Stattdessen wird, wie in den letzten drei Jahren, jede Kritik an Massenimpfungen oder am Regierungskurs während der Corona-Jahre als wissenschaftsfeindliche Propaganda diskreditiert. Darauf seien vor allem ungebildete Menschen in prekären Lebenssituationen hereingefallen, während „Wählerinnen und Wähler sozialdemokratischer Parteien am wenigsten an der Qualität wissenschaftlicher Forschung zweifelten“, und daher zu den Impfbereitesten in Europa gehörten und den Maßnahmen der Regierungsparteien zustimmten.

Die Verfasser der Studie stellen schließlich fest: „Das ‘politische Getöse’ während der Pandemie scheint überwiegend von einer kleinen, nicht repräsentativen Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern mit extremistischen politischen Orientierungen ausgegangen zu sein“. Damit erklären sie eine selbstkritische Auseinandersetzung der Parteien mit den eigenen politischen Entscheidungen für unnötig. Da sie außerdem vielen Kritikern der Corona-Maßnahmen, neben einem Mangel an Bildung, ausgeprägten Zynismus und Systemfeindlichkeit unterstellen, werden wohl wenige Anhänger etablierter Parteien eine inhaltliche Debatte mit diesen Menschen in Erwägung ziehen. Anstatt also Ursachen für die Spaltung unserer Gesellschaft zu untersuchen und Möglichkeiten ihrer Überwindung aufzuzeigen, finden wir in der Arbeit des Friedrich-Ebert-Instituts erneut das gewohnte Muster von Ausgrenzung und pauschaler Diffamierung von Kritikern. Eine weitere Chance für eine sachliche Aufarbeitung der Corona-Krise wurde vertan.

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