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Yann Song King: „Corona war eine Blamage für die Machtelite“
Widerstandsmusiker

Yann Song King: „Corona war eine Blamage für die Machtelite“

Yann Song King bei einem Autritt

Foto: Yann Song King

Der Dresdener Musiker Yann Song King tritt seit Beginn der Proteste gegen die Corona-Politik auf Demonstrationen und Kundgebungen auf, um auf künstlerische Weise die politisch-gesellschaftlichen Missstände zu kommentieren. Mit seinen satirisch-kritischen Liedern hat er sich schnell einen Namen gemacht. Nach und nach wurde der Gitarrist und Sänger zu immer mehr Protest-Veranstaltungen eingeladen, wo er mit humorvollen, aber tiefsinnigen Stücken die Stimmung auflockerte. Mit der Zeit ist ein stattliches Oeuvre entstanden. Kürzlich erschien sein neues Album „Vergessen? Nö!“, das die Corona- und Demokratiekrise aus unterschiedlichen Perspektiven verarbeitet. Warum es Yann Song King schwerfällt, bestimmte Ereignisse und Entscheidungen zu vergessen, erläutert er im Interview.

Yann Song King, du hast vor kurzem dein neues Album veröffentlicht, in dem die Corona-Krise und deren Folgen verarbeitet wurden. Es trägt den Titel „Vergessen? Nö!“ Kannst du das ein bisschen ausführen – was kannst du nicht vergessen? Und warum kannst du es nicht?

Das Virus hat die Machteliten in Politik, Wissenschaft und Medien peinlich vorgeführt. Die Verantwortlichen spielten sich sonst wie auf, nannten Kritiker Idioten und Arschlöcher, behandelten sie auch so, und nun wird festgestellt, dass schädlicher Unsinn getrieben wurde. Nicht nur dass man diese historische Bloßstellung vergessen machen will, welche sinnhafter Weise wohl auch noch beim Gottspielen im Labor ausgelöst wurde, nein – man macht bei den nun drängenden Krisenthemen genauso weiter. Ich will nicht vergessen, wie alle gegen totalitäre Machtergreifung vorgesehenen Schutzmechanismen reihenweise versagt haben. Und schließlich will ich nicht vergessen, dass unter dem Strich ein Minusbetrag aus seelischem, körperlichem und materiellem Schaden steht. Jetzt muss Aufarbeitung, Einsicht und Schadenersatz folgen.

In dem titelgebenden Song arbeitest du mit einer schönen dreiteiligen Alliteration, die ein Frage-Antwort-Schema enthält: „Verstehen? Ja. / Vergeben? Vielleicht. / Vergessen? Nö.“ Damit gibst du zu verstehen, dass du bestimmte Ereignisse und Entscheidungen verstehen kannst. Welche sind das?

Ich glaube zu verstehen, wie Massenhysterie und blinder Aktionismus entstanden sind. Die Fraktion der Seuchenbekämpfer scheint mir vier Charakterfärbungen zu haben. Der Ängstliche will jede mögliche Unbill vermeiden, er verlangt nach Sicherheit und Kontrolle. Der Gutmensch hat eine Gut-Böse-Erzählung im Kopf, und im Kampf für das Gute opfert er alles und jeden, auch mal die Menschlichkeit oder sich selbst. Der Mitläufer macht alles mit, Hauptsache, er ist im Gleichklang mit der mehrheitlichen Stimmung. Und die Krämerseele weiß jede Situation für das eigene Fortkommen auszunutzen. Alles menschlich, allzumenschlich. Jeder hat seine Macken. Nur sollte er anderen damit nicht auf die Nerven gehen oder ihnen schaden. Dafür sind im Laufe der Jahrhunderte Gesetze entstanden, die bekanntlich bei Corona hierzulande durch ein nicht legitimiertes Seuchen-Politbüro derart abgeändert wurden, dass besagte Macken eben doch wieder rücksichtslos ausgelebt werden konnten. Ich verstehe sogar die Politiker und Wissenschaftler, die die Sache anfangs ja richtig eingeschätzt haben und plötzlich angesichts der Bilder und Meldungen kalte Füße bekamen.

Das Album enthält auch einige Songs, die als Hommage an die „Freigeister und Selbstdenker“ daherkommen. In dem Lied „Menschen wie ihr“ singst du etwa, dass es guttue, unter ihnen zu sein. Da sprichst du sicherlich aus der eigenen Erfahrung. Kannst du sie ein wenig beschreiben – welche Kraft haben dir diese Menschen gegeben?

Ich habe in den letzten drei Jahren so viele Menschen kennen gelernt wie in den zwanzig Jahren zuvor nicht. Man fühlt sich verbunden durch den Weg, den man miteinander ging. Die meisten Corona-Skeptiker haben Lebenserfahrung, leisten was und stehen mit beiden Beinen auf der Erde. Sie lassen sich ihr geistiges Futter nicht mehr zubereiten, sondern kochen selbst. Das macht der eine besser, der andere schlechter. Aber immer ist es frischer und nahrhafter als der vorgekaute Einheitsbrei.

Ich finde folgende Eigenschaften an Menschen gut: Originalität, Authentizität, Warmherzigkeit. Solche Menschen gibt es viele bei den Spaziergängern. Ich empfinde einen Sympathie-Bonus für jeden, der beim Corona-Wahn nicht mitgemacht hat. Logisch ist, dass auch Spinner oder Extreme nicht mitgemacht haben. Abgesehen davon, dass die auch ganz schnell wieder ihr eigenes Ding gemacht haben, ist dieser Kontakt die einzige Möglichkeit für den Gegner gewesen, das schnelle Anwachsen der Bewegung durch mediales Niedermachen zu begrenzen. Es durfte nicht der Eindruck entstehen, dass wir eigentlich normale, nette Leute sind, und dass etwas dran sein könnte an dem, was wir sagen.

Du warst schon 1989 bei den Demonstrationen kurz vor dem Mauerfall dabei. Welche Parallelen zur Gegenwart siehst du? Gibt es da Muster?

In der DDR gab es seit dem 17. Juni 1953 keine nennenswerten oppositionellen Demonstrationen mehr. Umso unglaublicher waren meine Gefühle, als ich Anfang Oktober ’89 mit tausenden Dresdnern durch die Straßen lief. Wir riefen “Gorbi, Gorbi” oder “Wir bleiben hier, Reformen wollen wir”. Das war wie in Filmen über riesige Tierherden in Afrika. Eine Masse findet sich und bahnt sich ihren Weg. Man spürt, wie man Teil einer großen Kraft ist, und man ist euphorisiert. Man denkt, dass hier was ganz Großes passiert. Die DDR-Staatsmacht hat die Kraft der Straße offenbar stark verunsichert und sie wich zurück.

Ich habe so etwas in den letzten 30 Jahren nicht mehr erlebt, aber in der Corona-Zeit gab es dann Déjà-vus. Zum Beispiel am 13. März 2021 in Dresden, als wieder alle einfach losliefen und die im Vergleich zur damaligen DDR-Polizei hochgerüstete Bereitschaftspolizei zunächst machtlos schien. Oder im Sommer ’21 in Berlin, als sich wie von Geisterhand ein riesiger Zug durch die Stadt  bildete, den die Polizei erst nach Stunden aufhalten konnte. Im Vorfeld des Aufzuges wurden verdächtige Menschen wie damals in der DDR gejagt und „zugeführt“.

Es gibt aber einen Unterschied. In der Montags-Spaziergangs-Phase 2021/22 gab es viele gleichzeitige Stadtteildemonstrationen, wie es sie zum Beispiel in Dresden noch nie gegeben hat. Das muss ein gespenstisches Gefühl für jeden Polizisten gewesen sein, wenn sich gleichzeitig an vielen Orten in der Stadt Menschen ansammeln. Ohne Plakate. Still. Dunkel. An einem Montag im Januar 2022 waren in Deutschland gleichzeitig mehr als eine Million Menschen auf der Straße, meist direkt in Wohnnähe. Das hat es noch nie gegeben. Es wird wohl die größte spontane Bürgerbewegung der Geschichte Deutschlands gewesen sein – größer und flächendeckender als während der Wende in der DDR. Den Verantwortlichen muss der kalte Schweiß auf der Stirn gestanden haben. Die Polizei war ohnmächtig. Auch das soll schnell vergessen gemacht werden. 

In der Freiheits- und Demokratiebewegung bist du vor allem mit satirisch-witzigen Liedern bekannt geworden. Was reizt dich an Satire? Warum setzt du auf Humor – in Zeiten, die alles andere als lustig sind?

Ich bin zu der ganzen Sache gekommen wie die Jungfrau zum Kinde. Da war und ist nichts geplant. Es fehlte im Frühjahr 2020 bei den Maßnahmenkritikern in Dresden jemand, der  mit Musik und Unterhaltung mal bisschen Abwechslung schafft. Da habe ich mir ein Herz gefasst. Ich hatte immer paar Ideen, und dann habe ich sie umgesetzt. Kann sein, dass ich bisschen schwarz-trockenen Humor habe, der ein gutes Gegengift zur überbordenden Pietät in der Corona-Zeit war. Vielen Leuten, mich eingeschlossen, hat das geholfen, über Wasser zu bleiben. Unsere Seite hatte zwar keine Angst vorm Virus, aber eben vor der Hygiene-Diktatur. Humor und Lachen scheinen von der Evolution für den Stressabbau und die Verbundenheit in der Gruppe geschaffen worden zu sein.

Albumcover von “Vergessen? Nö!” / Foto: Yann Song King

Stilistisch bist du jedoch nicht festgelegt und changierst gerne zwischen Genres? Deine Lieder sind mal Schlager, mal Rock-Stücke und mal poppig. Woher rührt dieses Faible, musikalisch einen so weiten Bogen zu schlagen?

Das ergibt sich aus der Sache. Erstens kann die Musik ruhig variieren, wenn das Thema – zumindest am Anfang – mit Corona immer das Gleiche war. Zweitens ist der Stil und der Sound bei mir ein Element der Aussage. Die Kommerzialisierung hat populäre Musik allgemein immer runder und glitschiger gemacht. Man will nicht anecken, sondern gefallen. Aber Corona und alle anderen Spalter-Themen haben jetzt die Karten neu gemischt. Musik kann wieder provozieren, sie kann gefährlich oder gar verboten werden. Ein neues Feld tut sich auf, das zum Experimentieren einlädt. Und es kommt vielleicht noch hinzu, dass ich live nur mit Gitarre spiele, da muss es abwechslungsreich sein, damit die Leute dranbleiben. 

Thematisch beschäftigst du dich auf dem Album aber nicht nur mit der Corona-Krise, sondern auch mit zukünftigen Gefahren – mit der Abschaffung des Bargelds etwa.  Wie schätzt du dieses Szenario ein?

Die Leute haben ein Bequemlichkeitsempfinden. Der Staat will den gläsernen Bürger, und das Finanzsystem kränkelt. Der Trend ist klar, und dann heißt es irgendwann: „Wozu noch Bargeld, haben doch eh alle ein Smartphone?“ Aber die Leute machen ihre Bequemlichkeitsrechnung falsch. Für die paar Sekunden, die sie vielleicht beim Bezahlen sparen, zahlen sie verdeckte Gebühren, zahlen für ihr Gerät, zahlen für ihre Datenverbindung, und sie benötigen Zeit für die Organisation ihrer Zahlungen. Sie verlieren obendrein an Macht über ihr Eigentum und an Autonomie ihres Handelns.

Abgesehen davon noch zwei Dinge. Erstens: Jene, die aufgrund ihrer „Haltung“ großes Vertrauen in die derzeitigen Akteure haben, sollten bedenken, dass die von ihnen geschaffenen Monster auch ganz schnell in die Hände von ihnen missliebigen Mächten gelangen können und sie die Opfer ihrer eigenen Ideen werden. Zweitens. Jene, die ja nun neue böse Feinde auf der Welt ausgemacht haben, sollten bedenken, dass ein bargeldloses, digitalisiertes Land Gefahr läuft, mit wenigen Nadelstichen tödlich angegriffen zu werden. Man sollte buchstäblich nie alles auf eine Karte setzen.

Der Ukraine-Krieg kommt auf dem Album ebenfalls zur Sprache. In dem Titel „Ballade vom Friedenskuchen“ ziehst du die hiesigen Solidaritätsbeteuerungen durch den Kakao. Was stört dich an ihnen?

An Solidaritätsbekundungen und -handlungen stört mich nichts. Mich stören simple Erzählungen von Gut und Böse, in denen eine heile Welt versprochen wird, wenn erst das Böse besiegt ist. Deswegen habe ich mir eine Geschichte ausgedacht, die das ganze Verhängnis des Krieges aufzeigt und die sagt: „Die von Euch bezahlten Waffen schießen nicht auf unbemanntes gegnerisches Kriegsgerät. Sie schießen genauso auf Menschen – auf Familienväter, die vielleicht gar nicht in den Krieg wollten, oder auf Frauen und Kinder. Und davon erhofft ihr euch, dass der Krieg und der Hass aufhört?“ Wie auch bei Corona wurde die erste Intention der hiesigen Machthaber – also Verhandlungen – über den Haufen geworfen, und dann stürmte man los mit heiß gestrickten Plänen und großen Parolen. Nicht ansatzweise denkt man die Sache zu Ende, stattdessen begibt man sich in eine Sackgasse ohne Wendemöglichkeit. Gekämpft wird mit Moralkeulen. Bei Corona: Willst du etwa, dass Menschen sterben? Jetzt bei Ukraine: Willst du etwa, dass Putin seinen Willen kriegt? Bisher ist alles immer weiter eskaliert, bisher ist nur mehr Leid und Schaden entstanden. Und es sieht nicht danach aus, dass es aufhört.

Wir befinden uns wahrlich in einer Krisen-Zeit. Errungenschaften wie Demokratie, Freiheitsrechte und Rechtsstaat stehen auf dem Spiel. Wie lautet deine Prognose – in welche Richtung entwickelt sich Deutschland?

Nun, ich hatte es eingangs erwähnt. Corona war eine Blamage für die Machtelite, die Technokraten und die selbsternannten Weltenretter. Das wird nicht die einzige Blamage bleiben. Migration, Finanzen, Energie, Klima, Ukraine – nur Ärger, nichts gelingt. Die Realität wird eine Ohrfeige nach der anderen verteilen. Und das ergibt einen Trend: Vertrauensentzug und Gegenwind. Das wird den Herrschaften nicht gefallen, aber sie können die Abwanderung aus ihrem Lager nicht stoppen. Einer nach dem anderen geht weg, und keiner kommt zurück. Die jüngste „Diskussion des Bundeskanzlers mit dem Volk”, welches dann nur aus geladenen rot-grünen Parteifunktionären bestand, spricht doch Bände über die Situation. Klar kann man nun Angst bekommen, dass die Mächtigen aggressiv bzw. noch aggressiver werden. Aber ich sehe kaum Kapazitäten und Rückhalt für die Errichtung eines echten Unterdrückerstaates. Keine Leute, kein Geld, keine Ahnung. Die Behörden sind alle am Limit. Also: nur Mut, liebe Leute! Da ist was zu machen, vorausgesetzt man macht weiter.

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