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Ökonom Fritz Söllner: Die Rezession ist hausgemacht
Politischer Kurswechsel

Ökonom Fritz Söllner: Die Rezession ist hausgemacht

Politiker und Bürger folgen Machtstrukturen - Auflehnung gegen die Drahtzieher gibt es nur selten.

Foto: Pixabay/ Alex Yomare

In Deutschland folgte eine Krise der nächsten – und jetzt sind wir in einer Rezession. Das Ziel dahinter sei vor allem der politische Wunsch nach einem europäischen Zentralstaat, meint der Ökonom Fritz Söllner.

Vor Monaten haben es Experten noch bestritten, doch Deutschland geht es wirtschaftlich schlecht: Das Land ist in einer Rezession. Die Gründe dafür liegen nicht ausschließlich im Krieg in der Ukraine und gestiegenen Energiepreisen. Die seit vielen Jahren betriebene Krisenpolitik ist ein großer Faktor für die heutige Situation. Doch welche politischen Interessen stehen hinter der Krisenpolitik, was ist das Ziel?

Laut Ökonom Fritz Söllner ist es die Gründung eines europäischen Zentralstaates. Zu erkennen ist das an vielen Beispielen aus der Coronakrise, Klimakrise, Banken- und Finanzkrise, sowie der heutigen Geldentwertungskrise. 1996 schrieb Söllner seine Habilitation und lehrt seit 1998 an der Universität Ilmenau. Seine Forschungsschwerpunkte sind unter anderem Migrationspolitik, Umweltökonomie und die Geschichte des ökonomischen Denkens. Außerdem ist er Autor der Bücher „System statt Chaos: Ein Plädoyer für eine rationale Migrationspolitik“ (2019) und „Krisen als Mittel zur Macht“ (2022).

Herr Söllner, Deutschland befindet sich derzeit in einer Rezession. Was sind die Gründe dafür?

Zum einen sind es externe Faktoren. Das sind sowohl die Coronakrise und die damit verbundenen Lieferschwierigkeiten als auch der Ukraine-Konflikt und die daraus resultierenden Probleme auf dem Energiemarkt.

Es gibt aber auch interne Faktoren. Diese sind die Energie- und Klimapolitik der letzten Jahrzehnte und die zunehmende Überregulierung der Wirtschaft. Darunter fallen zum Beispiel die Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen und zahlreiche Vorschriften zu Energieeinsatz und Energieverbrauch.

Welche Konsequenzen hat die Rezession?

Einerseits erleben wir Einkommensverluste. Auf lange Sicht kann auch die Arbeitslosigkeit zunehmen. Auf politischer Ebene erleben wir andererseits einen Vertrauensverlust und eine Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der aktuellen Regierung.

In Ihrem Buch „Krisen als Mittel zur Macht“ schreiben Sie, dass Krisen für höhere politische Ziele instrumentalisiert werden. Was sind die Ziele der Krisenpolitik?

Meine These ist, dass die Krisen seit der Banken- und Finanzkrise 2007 instrumentalisiert werden, um einen europäischen Zentralstaat zu schaffen. Das Ziel ist, sukzessive mehr Macht und Kompetenzen nach Brüssel zu verlagern und eine Schwächung der nationalen Souveränität zu erreichen.

Wolfgang Schäuble gab beispielsweise während der Corona-Pandemie zu, dass die Wirtschafts- und Finanzunion ohne die Krise nicht entstanden wäre. Die Coronakrise bezeichnet er dementsprechend als eine große Chance für Europa. Beispielsweise nahm die EU in gemeinsamer Haftung den Schuldenfonds „Next Generation EU“ auf. Bisher waren sowohl die Verschuldung der EU als auch die gemeinsame Haftung der Mitgliedstaaten ausgeschlossen.

Auch in der Klimapolitik ist die Tendenz zum europäischen Zentralstaat zu erkennen. Wegen des Klimaschutzes wurde der Haushalt der EU massiv ausgeweitet, und im Rahmen des Green Deals greift Brüssel immer mehr in die Wirtschaftsstrukturen der Länder ein – zum Beispiel durch das Verbrenner-Verbot, den Vorgaben zur Energieeinsparung und vielen weiteren Maßnahmen.

Warum machen die Politiker dabei mit?

Die eigenen, nationalen Interessen werden gerade von Deutschland in Europa und international zu wenig vertreten. Deutschland hat allen Zentralisierungsbemühungen stets Vorschub geleistet und die Rolle als Zahlmeister Europas akzeptiert. Warum aber tolerieren deutsche Politiker den Anstieg der Staatsverschuldung und den Bruch der Haushaltsregeln? Sie wollen den Euro retten. Merkel sagte diesbezüglich einst: „Wenn der Euro scheitert, scheitert Europa“. Das ist zwar stark übertrieben, an der Aussage ist aber zu erkennen, dass Deutschland nicht die Schuld daran tragen möchte, wenn etwas schiefgeht.

Es stimmt, dass der Euro durch die höhere Staatsverschuldung kurzfristig gerettet werden kann. Auch eine Finanzkrise in den entsprechenden Ländern wird somit verhindert. Langfristig erleben wir aber eine Inflation, das Vertrauen in den Euro sinkt, und die Sehnsucht nach der D-Mark steigt.

Der Finanzminister Christian Lindner forderte kürzlich, dass die Bundesregierung keine weiteren Schulden mehr auf sich nehmen sollte – abgesehen von den Militärausgaben. Ist das ein Schritt in die richtige Richtung?

Dieser Schritt geht zwar in die richtige Richtung, kommt aber reichlich spät. Schließlich hat er bereits die zahlreichen Sondervermögen abgesegnet.

Um die Rezession zu stoppen, müsste es hierzulande einen Richtungswechsel in der Klima- und Energiepolitik geben. Versorgungssicherheit und Kostenaspekte müsste die Regierung stärker gewichten, den Standorto Deutschland stärken und mehr Investitionen fördern. Es ist ein Fehler, die Sozialausgaben stets zu erhöhen, auf Staatskonsum zu setzen und die Steuerbelastung zu steigern.

Was sollte die EZB gegen die Inflation unternehmen?

Die Inflation kann nur dann konsequent bekämpft werden, wenn keine Staatsanleihen der Krisenländer mehr angekauft werden. Das würde aber dazu führen, dass die Zinsen und die Haushaltsbelastung dort steigen würden. Das Resultat wären Haushaltskrisen in den entsprechenden Ländern. Daher macht die EZB das nicht.

Wir haben also entweder die Option, dass ärmere Länder wie Spanien, Italien und Griechenland bankrott gehen oder dass wir hierzulande eine hohe Inflation erleben. Gibt es einen Weg aus dem Dilemma?

Die Situation ist sehr verfahren, und schmerzlos wird niemand da rauskommen. Meine Forderung ist, den Euro abzuschaffen und wieder eine nationale Währung einzuführen. Für Deutschland wäre eine unabhängige Geldpolitik – und eine Befreiung aus dem Korsett des Euros – langfristig am besten. Wahrscheinlich würden dadurch die Target-2-Salden verloren gehen, die Forderungen von Deutschland enthalten und den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr zwischen EU-Zentralbanken und Banken inner- und außerhalb der EU ermöglichen. Es ist allerdings fraglich, ob Deutschland jemals seine Forderungen erhält.

Ein anderes Szenario ist die Etablierung eines „Nord-Euro“. Wirtschaftlich solide Länder hätten eine gemeinsame Währung, die Problemländer müssten sich mit ihrer nationalen Währung behelfen.

Was ist denn das Problematische an dem Euro?

Zum einen gibt es keine Geldpolitik, die für jedes Land angemessen ist – eben weil es eine gemeinsame Geldpolitik ist. Diese kann nur für den Durchschnitt der Länder angemessen, nicht aber für jedes einzelne Land richtig sein. Jedes Land hat eine andere Konjunktur – so sind manche vor einer Hochkonjunktur und andere stehen am Rand einer Rezession. Darauf müsste die Geldpolitik reagieren. Das geht aber nicht bei einem einheitlichen Konzept. Wir haben eine Geldpolitik, die keinem Land komplett gerecht wird. Das führt auf Dauer zu Ungleichgewichten und wirtschaftlichen Problemen.

Außerdem gibt es keine Wechselkursanpassungen. Das hat zur Folge, dass Ab- oder Aufwertungen der Währung realwirtschaftliche Ungleichgewichte nicht kompensieren können. Als beispielsweise Italien in der Vergangenheit an Wettbewerbsfähigkeit verlor, haben sie die Lira abgewertet. Dadurch sind ihre Exporte wieder gestiegen und die Importe aus Deutschland gefallen. Auf Dauer gab es keine großen Ungleichgewichte im Handel.

Wer profitiert von der derzeitigen Situation? Jetzt macht es den Anschein, dass am Ende jedes Land verliert.

Durch die niedrigen Zinsen können sich die Südländer günstiger finanzieren, als sie es sonst könnten. Auch die deutsche Exportindustrie profitiert. Die D-Mark wäre heute deutlich stärker, als es der Euro jetzt ist. Das hätte zur Folge, dass Unternehmen höhere Preise im Ausland verlangen müssten und weniger wettbewerbsfähig wären. Aber die Volkswirtschaft als ganzes betrachtet leidet.

Die Krisen greifen stark in das persönliche Leben der Menschen ein. Wie können es Personen dennoch schaffen, nicht den Mut zu verlieren?

Es ist wichtig, nicht in Panik zu verfallen. In der Coronakrise haben wir erlebt, dass gezielt Angst verbreitet wurde. Auch die Debatte um die Klimakrise ist emotional stark aufgeladen und begleitet von apokalyptischen Endzeitszenarien. Das ist übertrieben und naturwissenschaftlich nicht gerechtfertigt. Die Menschen dürfen nicht den Glauben verlieren, dass sie etwas bewegen können. Ich bin der Überzeugung, dass sich wieder etwas ändern wird, wenn die Bürger nachdenken, kritisch sind, sich trauen, ihre Meinung zu sagen und auch demonstrieren gehen. Gerade wenn es dem Land schlecht geht und die Menschen die Konsequenzen einer verfehlten Politik im eigenen Geldbeutel spüren, werden sie sich nicht mehr alles gefallen lassen.

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