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Künstler Michal Lezian: „Ich möchte den kritischen Stimmen aus dem Volk Mut zusprechen“
Malerei

Künstler Michal Lezian: „Ich möchte den kritischen Stimmen aus dem Volk Mut zusprechen“

Foto: Michal Lezian

Der Berliner Künstler Michal Lezian lebt seit knapp 23 Jahren mit der Diagnose Multiple Sklerose. In seiner Malerei konzentrierte er sich zunächst darauf, seine Krankheit zu verarbeiten. Dann kam die Corona-Krise. Lezian begann, auf Demonstrationen zu gehen und die Ereignisse künstlerisch zu dokumentieren. Was ihn dabei bewegt hat, erzählt der 43-Jährige im Interview.

Michal Lezian, du hast während der letzten drei Jahre intensiv gemalt und in deinen Werken die Corona-Krise verarbeitet. Mit welchen Themen setzen sich deine Bilder auseinander?

Meine Bilder setzen sich mit allen Themen auseinander, die mich in den letzten drei Jahren beschäftigt haben. Angefangen bei den Grundrechtseinschränkungen samt Demos, über den großen Lockdown bis hin zur Impfung und noch ein bisschen weiter.

Wie kam bei dir der Wunsch auf, die gesellschaftlichen und politischen Ereignisse in Folge der Corona-Krise zu dokumentieren?

Ich hatte überhaupt nicht den Wunsch, mich bewusst mit meiner Kunst zu den Ereignissen rund um die Corona-Krise zu äußern. Ich hatte mich kritisch mit dem Pandemie-Thema auseinandergesetzt und viel Input in mich aufgenommen. Nach einer Weile musste dann alles wieder raus. Die Bilder haben sich dann vielmehr von alleine gemalt. Meine Arbeiten kommen immer aus meinem Unterbewusstsein. Wenn ich male, verbinde ich mich mit der Schöpferkraft und werde dann zu einem Avatar der Kunst. Als die Bilder dann nach und nach entstanden sind, fiel mir auf, dass ich die ganze Zeit das Pandemie-Geschehen porträtiert habe. Das Ergebnis musste ich dann natürlich ausstellen.

Als Künstler tritt man mit seinen Werken auch in Kommunikation mit den Rezipienten. Was möchtest du ihnen vermitteln?

Zum einen möchte ich den kritischen Stimmen aus dem Volk Mut zusprechen und sie motivieren, mit ihrer Kritik weiterzumachen und mit ihrer Forderung nach echter Aufarbeitung immer lauter zu werden. Und zum anderen sollen meine Bilder ein Weckruf für diejenigen sein, die immer noch glauben, dass in der Pandemie alles richtig gelaufen ist. Um die Frage noch mal deutlich zu beantworten: Primär fordern meine Arbeiten echte Aufarbeitung dieser verrückten Coronazeit.

Inhaltlich ist deine Kunst politisch und gesellschaftskritisch. Wie lässt sie sich formal beschreiben?

Ich bin mit der Hip-Hop Kultur aufgewachsen. Die Straße war immer Teil meines Lebens gewesen. In Rap-Musik, Breakdance und Graffiti habe ich mich schon sehr früh verliebt. Über den New Yorker Streetart-Künstler Jean Michel Basquiat bin ich zur Kunst gekommen. 2020 ist die Straße wieder zurück in mein Leben getreten. Ich bin auf unzähligen Demonstrationen gewesen. Die Straße bedeutete für mich schon immer Freiheit. So kam es dann wohl auch, dass ich Streetart mache.

Könntest du ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern – wie entstehen deine Bilder? Wie kann man sich deine Arbeitsweise vorstellen?

Wie schon erwähnt, entstehen meine Bilder immer aus meinem Unterbewusstsein. Ich beschäftige mich kritisch mit Themen, die mich nicht loslassen und nehme, wie jeder andere auch, den medialen Bullshit der Leitmedien in mich auf. Es entstehen Bilder in meinem Kopf, die irgendwann rauswollen. Ich greife dann entweder zu Stift und Papier und male Skizzen, die ich später auf Leinwand übertrage oder ich lege direkt auf der Leinwand los. Dabei kommt es auf mein Empfinden an. Geht es mir nur darum, eine Idee festzuhalten, dann male ich eine Skizze. Habe ich aber gerade Lust, mit Farben zu spielen, dann geht’s direkt an die Leinwand. Ich male hauptsächlich mit Acrylfarbe und Ölkreide. Die Sprühdose kommt auch immer häufiger zum Einsatz.

Vor kurzem hast du das Ergebnis der letzten drei Jahre in einer Ausstellung in Berlin präsentiert. Welche Erfahrungen hast du dabei gemacht?

Die Resonanz war durchweg positiv. Sehr viele Besucher haben sich bei mir für meine Arbeit und meinen Mut bedankt. Ich habe weitere Künstler kennengelernt, mit denen ich in Zukunft gemeinsame Projekte realisieren werde. Und ich habe auch das Gefühl, dass ich einige Menschen zum Nachdenken bringen konnte, die das Pandemie-Geschehen eben noch nicht kritisch hinterfragten.

Ich möchte auch alle Künstler, Galeristen, Gastronomen und Gewerbetreibende, die kritische Künstler unterstützen wollen, sich bei mir oder der Internationalen Agentur für Freiheit (IAFF) zu melden. Wir würden uns vor allem über Ausstellungsräume freuen.

Da du gerade die IAFF ansprichst. Deine Kollegin Jill Sandjaja ist dort sehr engagiert und wurde kürzlich in der taz in einem Schmähartikel diffamiert. Was sagst du dazu?

Ich will an die taz deutliche Worte richten: Weder Jill Sandjaja noch ich oder weitere Teammitglieder der IAFF sind auf irgendwelche Art und Weise Rechte oder Antisemiten. Querdenker sind wir nur im ursprünglichen Sinne. Und Hass verbreiten wir Künstler schon gar nicht. Wir weisen alle eure haltlosen Vorwürfe von uns. Wir Künstler machen lediglich das, was schon immer unsere Aufgabe gewesen ist. Wir stellen Fragen und legen den Finger in die Wunde. Wir sind Beobachter und zeigen der Welt, was wir durch unsere Augen sehen. Wir spiegeln die Zeit wider, in der wir leben. Nichts anderes machen wir. Also liebe taz, macht weiter euer Ding, aber lasst uns Künstler bitte in Ruhe unsere Arbeit machen. Es gibt keine schlechte Publicity. Jeder Hetzartikel eurerseits stärkt uns nur noch mehr. Die Menschen lieben Underdogs.

Nun bist du nicht erst seit der Corona-Krise künstlerisch tätig. Mit welchen Themen hast du dich vorher beschäftigt?

Ich lebe seit über 22 Jahren mit der Diagnose Multiple Sklerose. Als vor einigen Jahren die Malerei in mein Leben trat, habe ich zunächst meine Erkrankung in meinen Bildern verarbeitet.

Wie kann man sich das konkret vorstellen? Welche Motive sind dabei entstanden?

Ich habe meist Porträts von mir gemalt, die mich in den unterschiedlichsten Situationen darstellen. Dabei habe ich mich nicht immer menschlich gemalt. Mal bin ich auch der primitive Affe, der gleichmütig dasitzt und sich an den Eiern spielt. Mal bin ich ein ängstlicher Frosch, der von einem furchteinflößenden Kraken in die Flammen gezogen wird. Oder auch eine kleine Ente, die versucht, mit Fabeltieren in einer Zombie-Apokalypse zu überleben. Die „Angst“, also meine eigene Angst vor der Multiplen Sklerose, an der ich erkrankt war, war das Thema meiner Arbeit. Über die Kunst habe ich auch lernen dürfen, mich meinen Ängsten zu stellen. Mir wurde bewusst, sobald ich in Lösungen dachte und in die Umsetzung kam, lösten sich meine Ängste in Luft auf. Diese Erkenntnis hat mich auch in der Pandemie weiter gestärkt.

Wie sehen deine Zukunftsprojekte aus? Wirst du dich weiter mit der Corona-Krise beschäftigen oder eher neue Themen verarbeiten?

Kommende Ausstellungen werden sich noch eine Weile mit dem Corona-Thema befassen. Meine Arbeit fordert echte Aufarbeitung dieser schlimmen Zeit. Und solange das nicht geschieht, darf das Pandemie-Thema nicht verstummen. Aber selbstverständlich werde ich auch neue Themen verarbeiten. Stoff ist ja genug da.

Wird es bei Streetart bleiben? Oder möchtest du formal in eine ganz andere Richtung gehen?

Das kann ich noch nicht sagen. Ich fühle mich in der Streetart gerade sehr wohl.

Zur Person:

Michal Lezian, 43 Jahre alt, lebt in Berlin-Neukölln. Er hat schon sehr früh zu zeichnen begonnen und interessierte sich für Comics und Graffiti. Mit 20 Jahren erhielt er die Diagnose Multiple Sklerose. 2017 begann er, sich stärker der Malerei zu widmen und sich künstlerisch mit seiner Krankheit auseinanderzusetzen.

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