ressorts.
Im Dienste der Gesundheit und trotzdem angeklagt
Justiz

Im Dienste der Gesundheit und trotzdem angeklagt

Fatima Habig darf ihren Mann nur unter Aufsicht einer von der Staatanwaltschaft beauftragten Zuhörerin im Gefängnis besuchen.

Dr. Heinrich Habig wird vorgeworfen, falsche Gesundheitszeugnisse in 589 Fällen ausgestellt zu haben. Der praktische Arzt sitzt deswegen seit mehr als einem Jahr in Untersuchungshaft. Als Sprechstundenhilfe ist seine Ehefrau mitangeklagt. pb: schwarz auf weiß sprach mit Fatima Habig direkt nach ihrem jüngsten Besuch in der Justizvollzugsanstalt Bochum.

Frau Habig, wie geht es Ihnen mit der aktuellen Situation?

Am Anfang nach der Verhaftung meines Mannes im Mai 2022 ging es mir wirklich schlecht. Die Staatsanwältin Nina Linnenbank hatte zu Beginn versucht, alle Besuche zu verhindern, da ich ja mitangeklagt bin. Meine damalige Anwältin Klimpke konnte immerhin erreichen, dass ich meinen Mann nach sechs Wochen zum ersten Mal im Gefängnis besuchen konnte. Seitdem die neuen Wahlverteidiger Rechtsanwalt Schmitz und Rechtsanwalt Schlüter dabei sind und die Menschen mir viel Zuspruch geben, geht es mir besser. Viele Patienten rufen bei mir an, um zu fragen, wie sie ihren Arzt unterstützen können. Seitdem bin ich nicht mehr so ängstlich, ich bekomme auch viele Briefe von Menschen, die mir Mut zusprechen, Kinder schreiben mir oder malen Bilder für mich.

Die Praxis von Dr. Heinrich Habig ist also seit 18 Monaten geschlossen. Was ist mit den Patienten, die jetzt keinen Hausarzt mehr haben?

Die Patienten rufen noch immer an und fragen, wann wir wieder aufmachen. Sie können das nicht verstehen. Mein Mann ist bekannt dafür, sich sehr viel Zeit zu nehmen. Durch unsere familiär geführte Praxis mit Schwerpunkt auf Naturheilverfahren, hatten wir viele sogenannte „hoffnungslose Fälle“, denen mein Mann helfen konnte.

Viele Patienten hoffen, dass ihr Arzt wieder rauskommt und sie wieder ihren Hausarzt haben. Sie konnten von einem zum anderen Tag nicht mehr behandelt werden. Wir hatten auch viele Patienten, die mit Impfschäden zu uns kamen, nachdem sie im Impfzentrum waren. Meist waren das Herz- und Darm-Probleme. Meist konnte den Patienten geholfen werden. Die Patienten fragen mich verzweifelt, wo sie denn jetzt hingehen können. Wer nimmt sie mit ihren Problemen ernst und hat Zeit?

Heinrich Habig ist 67 Jahre alt und seit über drei Jahrzehnten praktischer Arzt. Von ihm geht keinerlei Gefahr aus. Er könnte eigentlich weiter seine Praxis betreiben, zum Beispiel unter der Auflage, dass er bis zur Klärung des Falles nicht gegen Corona impfen darf. Was meinen Sie, warum geschieht das nicht?

Das weiß ich nicht. Das Gericht lässt ihn im Gefängnis schmoren und die Patienten ohne ihren Hausarzt. Da müssen Sie die Staatsanwältin oder Richterin fragen.

Ihr Mann befindet sich seit Mai 2022 in Untersuchungshaft. Wie oft können Sie ihn dort besuchen?

Ich darf meinen Mann circa zweimal im Monat für jeweils eine Stunde besuchen. Am Anfang gab es eine dauerhafte Besucherbescheinigung. Das wurde dann abgeschafft. Ich muss jeden einzelnen Besuch jetzt vorher beim Gericht in Bochum persönlich beantragen, das dauert zwei bis drei Tage, ein Richter muss den Besuch genehmigen, anschließend muss ich die Besuchererlaubnis wieder persönlich beim Gericht in Bochum abholen. Dann kann ich den Besuchstermin im Gefängnis einige Tage später wahrnehmen.

Seit ich vor einigen Monaten mit unseren Enkeln (acht und zehn Jahre alt) im Gefängnis war, sind die Besuchsregeln geändert worden. Jetzt muss Heinrich die Besucherbescheinigungen selbst beantragen, von wem er Besuch haben will, und das, obwohl ich mit meinem Mann nicht telefonieren darf. Es soll verhindert werden, dass Besuch kommt. Traurig ist auch, dass mein Mann keine Pakete mit Lebensmitteln oder Vitaminen bekommen darf. Ausschließlich Briefe und Postkarten  werden Heinrich zugestellt. Bücher, Tonträger oder Lebensmittel werden nicht an ihn weitergeleitet.

Wann waren Sie vor dem heutigen Termin das letzte Mal in der Justizvollzugsanstalt? Und wie laufen die Besuche im Gefängnis generell ab?

Ich war letztes Mal vor über einem Monat, am 2. Mai, bei meinem Mann. Der nächste Besuch ist jetzt für die kommende Woche geplant. Es wird viel versucht, die Besuche zu erschweren.

Wir sitzen an einem Tisch. Eine von der Staatsanwältin Linnenbank beauftragte Frau sitzt immer direkt mit bei uns am Tisch oder auch schon mal direkt hinter mir, um unsere Gespräche mitzuhören. Ich frage mich: Was wollen die denn jetzt noch abhören?

Hatten Sie und Ihr Mann in dem Jahr einander auch mal nur zu zweit sehen dürfen?

Nein, nicht eine Sekunde. Die Besuche werden immer strengstens bewacht und werden von der dafür abgestellten Frau mitgehört. Bei den anderen Untersuchungshäftlingen befindet sich ein Justizvollzugsbeamter während der Besuche vor der offenen Tür, bei uns sitzt immer eine Person unmittelbar bei uns.

Dürfen auch Freunde Ihren Mann besuchen oder mit ihm telefonieren?

Es gibt insgesamt nur zwei Besuchstermine im Monat, jeweils eine Stunde. Wenn ein Freund Heinrich besucht, kann ich nicht hingehen und sehe meinem Mann dann nur einmal im Monat. Er darf auch nicht telefonieren. Ich darf auch nicht mit meinem Mann telefonieren. Wenn ich mit ihm telefoniere, ist das laut Gericht so, als ob ich ihn besucht hätte, dann wird ein Besuchstermin gestrichen.

Sie waren eben, heute, dem 5. Juni, bei ihrem Mann im Gefängnis. Am vergangenen Samstag gingen rund 300 Menschen hier in Bochum auf die Straße, um ihre Solidarität auszudrücken und seine Freilassung zu fordern. Hatte er etwas von der Kundgebung mitbekommen?

Ja, es tat gut, ihn nach fast fünf Wochen – die Aufpasserin hatte Urlaub, und ohne sie durfte ich meinen Mann nicht besuchen – wiederzusehen. Er war sichtlich gerührt von der Demonstration am Samstag für ihn. An der Kundgebung „Freiheit für Heinrich“ hatten, neben seinen Freunden, Patienten, Prozessbeobachtern, Unterstützern und seiner Familie, auch sein Wahlverteidiger Wilfried Schmitz und der im Hintergrund agierende Juraprofessor Martin Schwab teilgenommen.

Mein Mann sagte, er konnte die Trommler und die Rufe „Freiheit für Heinrich“ hören. Viele Insassen hätten laut mitgesungen und sich gewundert, wie der „Doc“ das macht, so viele Menschen dazu zu bewegen, für ihn zu demonstrieren. Sie können es nicht begreifen, warum er immer noch in der Untersuchungshaft sitzt. Heinrich lässt alle grüßen. Gerne würde er sich bei den Menschen persönlich bedanken, die ihm in dieser schweren Zeit beistehen. Er fühlt sich durch diese Unterstützung mental gestärkt und hofft darauf, bald aus der Untersuchungshaft herauszukommen.

Ihr Mann hat während der Untersuchungshaft seine Approbation zurückbekommen. Hat das Auswirkungen auf seinen Gefängnisalltag?

Ja, erst wurde meinem Mann die Approbation von der Ärztekammer entzogen. Im Gefängnis bekam er sie im Mai 2022 wieder zugestellt. Im Rahmen seiner Möglichkeiten berät Heinrich die anderen Insassen. Er wird auch von den Mithäftlingen mit „Doc“ angesprochen und viele fragen ihn um seinen Rat. Bei einem medizinischen Notfall während des Hofgangs durfte er den betroffenen Häftling nicht ärztlich versorgen. Dieser Häftling musste dann circa 30 Minuten in seiner Notlage auf den Gefängnisarzt warten.

Wie hat sich Ihre finanzielle Situation seit 2022 verändert?

Bis Ende 2021 waren wir schuldenfrei, hatten keine finanziellen Sorgen. Was soll ich sagen, es ist jetzt eine einzige finanzielle Katastrophe. Nach der Praxisdurchsuchung und der Schließung der Praxis liefen die laufenden Kosten für Personal, Miete, die Leasingraten für medizinische Geräte weiter. Die Verträge für die Telefonanlage, Handys und anderes haben teilweise lange Laufzeiten, die nicht so schnell gekündigt werden können. Dazu kommen die Anwalts- und Gerichtskosten, die in exorbitante Höhen schnellen, gerade weil die Pflichtverteidiger, die wenig bis nichts machen, immer noch beim Verfahren dabei sind und weiter bezahlt werden. Ich könnte woanders arbeiten, jedoch bin ich als Mitangeklagte zwei Tage ganztägig bei Gericht und sonst mit der Organisation der Besuche und mit den Anwälten beschäftigt.

Zu Beginn waren ausschließlich zwei Pflichtverteidiger für Heinrich tätig. Warum haben Sie und Ihr Mann sich für die neuen Wahlverteidiger entschieden?

Die beiden Pflichtverteidiger haben nicht viel für meinen Mann erreicht. Am Anfang hatte sich der Pflichtanwalt dafür eingesetzt, dass Heinrich die Approbation wiederbekommt. Die Verhaftung am 14. Mai des vergangenen Jahres konnte er nicht verhindern. Er wirkte dann hilflos und überfordert, da ich einen Impfausweis von meinem Mann ausgestellt bekommen habe und die Polizei in dem Fall auch noch gegen mich ermittelt. Da die Pflichtanwälte völlig unkritisch alle Maßnahmen der Regierung mitgetragen haben, fehlt ihnen jeder Hintergrund, um meinen Mann oder mich gut vertreten zu können.

Es gab im Mai 2022 den Versuch, Ihren Mann gegen eine Kaution frei zu bekommen. Warum scheiterte das?

Ja, das ist richtig, gegen 50.000 Euro sollte er wieder aus der Untersuchungshaft entlassen werden. Wir haben das Geld dann in kurzer Zeit zusammenbekommen und unsere Bedingungen für die Freilassung erfüllt. Die Staatsanwältin Nina Linnenbank lehnte die Vereinbarung allerdings ab, weil sie behauptete, dass die falschen Leute, wie Querdenker oder Maßnahmen-Leugner uns das Geld gegeben hätten. Der Pflichtverteidiger riet mir damals, nicht mit dem Fall in die Öffentlichkeit zu gehen, um die Staatsanwältin nicht zu verärgern. Nachdem die Freilassung gegen Kaution scheiterte und ich maßlos von den Pflichtverteidigern enttäuscht wurde, bin ich dankbar für alle, die auf das Schicksal meines Mannes aufmerksam machen. Seitdem geht es mir viel besser, und ich erfahre viel Zuspruch von Menschen, die ich gar nicht kannte.

Hat sich die Mainstream-Presse bei Ihnen gemeldet, um über diesen Fall zu berichten?

Nein, die schreiben über uns, ohne dass sie überhaupt versucht haben, mit mir Kontakt aufzunehmen.

Aktuell wird Heinrich Habig Fluchtgefahr oder Untertauchen im Inland unterstellt. Wie sehen Sie das?

Völliger Unsinn, wenn wir hätten abtauchen wollen, hätten wir das doch tun können. Vom Zeitpunkt der Anklage im Januar 2022 bis zur Verhaftung im Mai 2022 hätten wir doch einfach gehen können. Warum sollten wir das jetzt machen, wir haben kein Geld, um auszuwandern, Reisepass und Personalausweis hat die Polizei. Und unsere gesamte Familie, alle Freunde und Helfer leben hier.

Woher schöpfen Sie Kraft in dieser schwierigen Situation?

Zum Beispiel durch die Menschen, die ich auf den Kundegebungen zur Freilassung meines Mannes treffe. Durch die vielen Anrufer, die mir Mut zusprechen. Unsere Freunde bauen mich immer wieder auf und sind für mich da. Zusätzlich meditiere ich viel, verbinde mich mit Gott und dem Universum. Obwohl nichts vom Gericht zu erwarten ist, hoffen und glauben mein Mann und ich auf einen Teil-Freispruch bei der Urteilsverkündung am 16. Juni.

Wie können Menschen Ihren Mann unterstützen?

Die Leute im Gerichtsaal geben ihm Kraft, die anderen Häftlinge, die ihm zusprechen und überhaupt nicht verstehen, warum ihr „Doc“ im Gefängnis sitzt. Mein Mann liest viel, freut sich über Briefe, Postkarten, Bilder, die ihm im Knast zugestellt werden. Bücher werden zurückgehalten und kommen leider nicht bei ihm an. Da muss er sich in der Gefängnisbibliothek bedienen. Das trifft nicht immer seinen Geschmack.

Die sehr gute Zusammenarbeit mit Rechtsanwalt Schmitz macht ihm Mut. Und dann natürlich die Kundgebungen. Am 16. Juni will das Landgericht Bochum unter der Vorsitzenden Richterin Breywisch-Lepping ein historisch einmaliges Teilurteil verkünden. An diesem Tag wird es eine Mahnwache vor dem Gericht geben und auch Prozessbeobachter sind herzlich willkommen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Der TV-Redakteur Heiko Grabowski arbeitet seit über zwei Jahrzehnten bei großen Film- und Fernseh-Produktionsfirmen. Seit 2020 gilt sein Interesse Themen, die im Mainstream kein Gehör finden. Sein Hauptanliegen ist es auch und gerade über Menschen zu berichten, die aktuell sonst kaum Möglichkeiten haben gehört, gelesen und gesehen zu werden.

Mehr zum Thema:

Rechtsanwalt: „Fair ist in diesem Verfahren gar nichts“

Patienten vor falscher Impfung bewahrt: Arzt seit über einem Jahr in U-Haft

Diesen Artikel teilen:

Facebook
Twitter
LinkedIn
Telegram

schwarz auf weiß unterstützen

Freiwilliges Zeitungs-Abo oder Einzelspende an:

IBAN: DE83 1005 0000 0191 2112 65
(BIC: BELADEBE)

Kontoinhaber: Flugwerk UG (haftungsbeschränkt)

oder hier PayPal –

Ein Abo ist freiwillig. Alle Inhalte sind ohne Bezahlung verfügbar.

ODER
alles von Paul Brandenburg

Spenden an Paul Brandenburg persönlich werden für alle seine Projekte verwendet: