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Hauseigentümer am Limit – übertreibt es die Regierung?
Sanierungspflicht und Gebäudeenergiegesetz

Hauseigentümer am Limit – übertreibt es die Regierung?

Haus von Banjamin R.

Foto: Privat, Sarah Kaßner

Zuerst Corona, jetzt die Sanierungspflicht und das Gebäudeenergiegesetz: Hausbesitzer stehen unter Druck. Sarah Kaßner unterhielt sich mit zwei Eigentümern über Regularien, die Millionen Menschen in Deutschland betreffen.

Benjamin R. und Stefan B. leben mit ihren Familien in einem Haus. Sie sind Selbstständige und wollen gerne anonym bleiben. Beide mussten während der Corona-Zeit um ihre Existenz fürchten und hatten Probleme, Geld für ihre Familien zu verdienen. Benjamin arbeitet als Veranstaltungstechniker. Vor Corona war er europaweit auf verschiedenen Events im Einsatz. Stefan arbeitet als Schlagzeuger in einer Band, spielte bei verschiedenen kulturellen Veranstaltungen Musik und arbeitete in verschiedenen Theatern an Musicals.

Schon vor Corona hatte Benjamin Mühe, den Umbau des Hauses zu finanzieren. Mit Höhen und Tiefen hat er es letztendlich zusammen mit seiner Frau geschafft. Die Sorgen nahmen aber kein Ende: zuerst durch Arbeitslosigkeit während Corona, jetzt durch das in Deutschland beschlossene Gebäudeenergiegesetz und die in der EU geplante Sanierungspflicht. Die drohende Sanierungspflicht betrifft in Deutschland mehr als vierzehn Millionen Eigenheime und Wohnungen.

Während der Corona-Zeit konnten Sie nicht arbeiten. Wie haben Sie Geld verdient?

Stefan: Mir wurde in der zweiten Woche im März 2020 per Hausmitteilung übermittelt, dass alle Veranstaltungen im Theater ersatzlos verfallen würden. Von da an war ich arbeitslos. Wegen der Sonderregelung konnte ich Hartz-IV beantragen, ohne dass es eine Vermögensprüfung gab.  Zusätzlich erhielt ich die Corona-Soforthilfe. Eigentlich hätte ich sie zurückzahlen müssen. Mit Glück durfte ich sie behalten.

Benjamin: Im März 2020 wurden alle geplanten Veranstaltungen abgesagt. In meinem Fall wurde Hartz-IV nicht bewilligt. Das Arbeitsamt führte eine Vermögensprüfung durch – mein Haus war der Grund für die Ablehnung. Auch die Corona-Soforthilfe bekam ich nicht.

Meine Frau hat als Friseurmeisterin die Corona-Soforthilfe bekommen, Hartz-IV bekam auch sie nicht. Mit der Zeit konnte sie privat für Freunde und Bekannte die Haare schneiden. Ich habe durch verschiedene kleine Jobs Geld verdient; beispielsweise auf dem Bau oder als Erntehelfer. 

Was für Auswirkungen hatte Corona im Nachhinein auf Ihr Berufsleben?

Benjamin: Seit September letzten Jahres kann ich wieder normal arbeiten. Das habe ich zunächst aber gar nicht gemacht. Corona war eine Zäsur für mich und hat mir in einiger Hinsicht die Augen geöffnet. Im Sommer 2021 arbeitete ich für einen Job mit zwei alten Kollegen zusammen. Unsere Ansichten gingen so weit auseinander, dass wir nicht mehr zusammengekommen sind.

Trotzdem wusste ich die ganze Zeit, dass sich etwas ergeben wird. Mit der Zeit bin ich an meinen jetzigen Job gekommen, seitdem nimmt alles wieder seinen Lauf.

Stefan: Noch bekomme ich Hartz-IV; ich möchte aber gerne wieder regelmäßig arbeiten. Seit 2020 war es für mich nur im Sommer und draußen möglich aufzutreten. Seit 2022 ist es auch in Innenräumen wieder möglich. Aber: Es ist viel Schaden entstanden. Die Kontakte sind weg, den Job im Theater gibt es nicht mehr, und Spielorte mussten durch Corona schließen. Insgesamt kann man sagen: Orte und Bekannte sind weggebrochen. Viele Menschen haben auch keine Lust mehr, zu Kulturveranstaltungen zu gehen – weil ihnen jetzt durch die steigenden Preise das Geld fehlt.

Sie sprachen gerade an, dass viele Menschen weniger Geld haben. Benjamin R., noch vor Corona kauften Sie Ihr Haus und bauten es um. Jetzt ist ihr gesamtes Erspartes aufgebraucht. Was waren Ihre Schwierigkeiten?

Benjamin: Unser Haus ist 1948 gebaut worden, dementsprechend war es ein typischer DDR-Bau. 2016 haben wir es gekauft und mit der Zeit komplett zurückgebaut und saniert. Von der Bank bekamen wir lediglich den Kaufpreis finanziert, da meine Frau und ich beide selbstständig sind. Während der Umbauarbeiten haben wir noch in einer Wohnung in Brandenburg gewohnt, zusätzlich den Kredit bezahlt und übriges Geld in das Haus für Umbauten gesteckt. Beispielsweise haben wir Alu-Stromleitungen durch Kupferstromleitungen ersetzt, die Heizungsanlage durch eine Gasheizung erneuert und das Badezimmer umgebaut. Für drei Jahre lebten wir in der Doppelbelastung. Ende 2019 konnten wir in das Haus ziehen.

Unsere Hoffnung war dann, dass wir uns finanziell erholen und Ruhe einkehren lassen. Durch Corona kam aber alles anders. Anstatt dass wir die Rücklagen wieder aufstocken konnten, waren wir von jetzt auf gleich arbeitslos.

Zum einen fehlt Menschen durch die Corona-Zeit Geld, zum anderen aber auch durch die Inflation und steigende Energiepreise. Durch das Gebäudeenergiegesetz könnten erneut hohe Kosten auf Hausbesitzer zukommen. Bei einem Schadensfall der Heizung muss ab 2024 entweder eine Wärmepumpe eingebaut werden oder eine Heizung, die zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben wird.

Stefan: Seit 25 Jahren habe ich eine Gastherme. Jetzt überlege ich, bis zum Ende des Jahres eine neue Gastherme einbauen zu lassen. Wir wissen aber nicht, ob das am Ende die schlauste Lösung ist.

Aktuell ist der Gaspreis gefallen, was ist in der Zukunft? Ist es sinnvoll, eine Heizung mit Gas zu planen, wenn das Gas vielleicht wieder teurer wird? Die Entscheidung ist auf lange Sicht nicht leicht. Letztendlich werde ich die Gastherme wohl erneuern.

Benjamin: Während der Sanierungsarbeiten haben wir wie gesagt die Heizung erneuert. Insofern werden wir damit in den nächsten Jahren voraussichtlich keine Probleme haben.

Uns beschäftigt derzeit ein anderes Problem: Unsere Einnahmen decken aktuell unsere Ausgaben. Wenn die Gaspreise oder Strompreise weiter steigen oder die Gaspreisbremse nicht mehr gilt, sind die Ausgaben zu hoch und wir können die Kosten nicht mehr aus eigener Kraft decken.

Der Einbau von Wärmepumpen soll bis zu 35 Prozent bezuschusst werden. Ist das für Sie ein Grund, eine Wärmepumpe einbauen zu lassen?

Stefan: Eine Wärmepumpe ist nur sinnvoll, wenn sie in Kombination mit einer Flächenheizung, beispielsweise einer Fußbodenheizung, betrieben wird und die Wärmedämmung neu ist. Das würde bei uns bedeuten, dass wir das gesamte Haus umbauen müssen. Die Fassade, Rohre, Dachstuhl und vieles mehr müssten erneuert werden. Insgesamt würde das mehr als 100.000 Euro kosten.

In meinem Fall geht es also nicht nur um die Kosten für eine neue Heizung, sondern um Kosten von Sanierungsarbeiten für das gesamte Haus.

Benjamin: Außerdem verbrauchen Luftwärmepumpen bei kalten Außentemperaturen mehr Strom. Im Prinzip hat man dann eine Elektroheizung. Das ist Wahnsinn!

Von der in der EU geplanten Sanierungspflicht sind Sie durch die alten Häuser betroffen. „Wenn ihr euer Haus saniert, werdet ihr auf lange Sicht Energiekosten sparen“, ist das Argument für die Sanierungspflicht. Was halten Sie von der Aussage?

Stefan: Das ist für mich kein Argument. Der Investitionsbedarf übersteigt die Einsparung deutlich. Das heißt: Es dauert viel zu lange, die Investitionskosten durch einen niedrigeren Stromverbrauch wieder reinzubekommen.

Bedenkt man zusätzlich, dass ein Haushalt mit einer Wärmepumpe heizt, steigt der Stromverbrauch wieder – die Energiekosten nehmen also nicht ab, sondern bleiben im besten Fall gleich.

Wie gehen Sie mit der Sanierungspflicht um, wenn sie verabschiedet wird?

Benjamin: Ich bin der Meinung, dass wir noch mit einem blauen Auge davonkommen werden. Den Dachstuhl haben wir im Zuge des Umbaus komplett gedämmt. Zudem sind unsere Wände aus Hohlbockstein und haben von Natur aus eine hohe Dämmung. Das an sich wäre, so meine Hoffnung, ein Argument gegen die Sanierungspflicht.

Stefan: In meinem Fall würde ich auf Bestandschutz appellieren. Mein Haus 250 Jahre alt und nicht für eine moderne Dämmung ausgelegt; es würde von innen verfaulen. Nach ein paar Jahren könnte ich es abreißen. Selbst wenn ich das Geld hätte, würde ich es an anderer Stelle investieren. Ich bin nicht bereit, auf alles andere zu verzichten, nur damit mein Haus als klimaneutral deklariert wird.

Benjamin: Finanziell wäre es in Ihrem Fall auch gar nicht möglich. Gehen wir davon aus, dass die Sanierung 100.000 Euro kostet. Als Selbstständiger kriegt man erstens nur sehr schwer einen Kredit in dieser Höhe. Zweitens müssten um die 20.000 Euro Selbstbeteiligung zur Verfügung gestellt werden. Wer kann das leisten? Auf jeden Fall niemand, der die letzten Jahre auf Sozialhilfe angewiesen war und während Corona nicht arbeiten konnte. Da hilft auch keine finanzielle Unterstützung von der Regierung.

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